beide toll machen. — Meine Tochter, meine Brigitte, sie hätte auch vorsichtiger seyn sollen, du bist ja nicht allein Schuld. Komm, laß uns beide unsre Vernunft zusammen fassen, — aus dem Rasen kann doch nichts heraus kommen, — fasse dich nur, Caspar, und steh mir bei.
CASPAR. Von Herzen gern, mein lieber gnädiger Herr, wenn Ihr mir nur wieder gut seid.
HANS. Komm, wir wollen uns gleich zu Pferde setzen, wir müssen sie wieder finden, wir wollen eher kein Auge zuthun.
CASPAR. Aber Euer Alter, Eure Schwachheit —
HANS. Es kommt ja hier auf meine Tochter an, Caspar!
CASPAR. Nun, wie Ihr wollt. Aber Ihr haltet mich doch für keinen Spitzbuben? Ein Dummkopf bin ich, ein rechter Esel, ja, darin habt Ihr Recht, aber doch kein Spitzbube.
HANS. Vergiß es, Caspar, ich wußte grade nicht, was ich sagte; ich mußte mir ja mit Schimpfen Luft machen, sieh, das ist in der menschlichen Natur. Du hast mir dreißig Jahr redlich gedient, das kann wohl einen Fehler mit eindienen. — Komm! aus der Burg mag indeß werden, was will; wenn ich mein Kind nicht wieder finde, komm ich so nicht zurück. — Ihr Knechte! Heda! Knechte!
CASPAR. Das hören sie nicht, sie sind all im Schlaf.
HANS. Nimm da, blas die Trompete, blase, daß sie kommen!
CASPAR. Nehmt Ihr das Horn, so werden sie schon munter werden.
(beide blasen, die Knechte kommen taumelnd herein.)
HANS. Nehmt Pferde! Jeder setze sich zu Pferde: Jagt, rennt, sucht, alle Landstraßen, alle Fußstege, alle Thäler durch, — du rechts! — du links! — du hinüber nach dem Gebirge! — du in den Wald hinein! — Fort! bringt mir meine Tochter wieder, und wer sie findet, den will ich so belohnen, daß er mir danken soll. — (Knechte ab) Komm Caspar.
Winfred zeigt sich oben.
WINFRED. Das ist ein Lärmen! — Herr Ritter.
HANS. Wer ist der?
CASPAR. Unser Possenreißer, das kranke Gaukelmännlein.
HANS. O du Hasenfuß! O du Hansnarr!
WINFRED. Hört doch nur einen armen betrunknen Menschen an —
HANS. Schweig, Dummkopf!
WINFRED. Nur zwei elende Worte, die euch vielleicht nützlich —
HANS. Komm, Caspar, reiten wir, was die Pferde und wir ertragen mögen. — Komm, sieh dich nicht um nach der Vogelscheuche dort! (beide ab.)
WINFRED. Alle fort! Mein Freund Leopold, so hör ich, mit der Tochter, der Alte ihr nach, läßt sich nicht von mir bedeuten, die Knechte auf allen Landstraßen, und ich Armseliger bleibe ohne Hülfe hier wie in einem verzauberten Schlosse allein zurück. — O hätte ich dergleichen Unfälle vorher sehn können, wie sauber wär ich zu Hause geblieben. Mein hochstrebender Sinn hat mir sehr, sehr zu nahe gethan. — Und der Leopold handelt auch nicht freundlich an mir: wenn nur ein altes Weib, ein zahnloses Mütterchen hier im Hause wäre! Aber keine Seele! Ich muß sehn, wie ich mir Beistand anschaffe. (geht hinein.)
Dritte Scene
(Saal auf Hugos Schloß.)
Agnes, Anne, Mechtilde, Knechte, die das Abendmahl abräumen.
AGNES. Ich bin von allen den herrlichen Sachen, die ich heut gesehn habe, ganz schwindlicht. Mir ist jetzt, als hätte mir alles nur geträumt.
ANNE. Die Sinne ermüden am Ende, und selbst das Mannigfaltigste wird einförmig.
AGNES. Die Mutter Mechtilde ist schon ganz schläfrig.
MECHTILDE. Ja, Kinder, ich gehe gewöhnlich um die Zeit zu Bette, und da meldet sich denn der Schlaf bei mir ganz von selbst.
AGNES. Geht immer zu Bette, ich bleibe noch ein wenig auf; der Mond scheint so hell, ich trete nachher noch etwas auf den Altan hinaus, um frische Luft zu schöpfen.
MECHTILDE. Nehmt Euch vor den Fledermäusen in Acht, sie pflegen um diese Jahrszeit umher zu schwärmen.
AGNES. Es ist uns doch nicht einmal eingefallen, das siebente Zimmer zu besehen, und der Ritter war so besorgt: am Ende ist auch gar nicht einmal etwas Merkwürdiges darin.
MECHTILDE. Das ist wohl möglich.
AGNES. Wie? Ihr seid auch niemals hinein gekommen?
MECHTILDE. Niemals.
AGNES. Das ist doch wunderbar. — Wollt Ihr jetzt, Mutter, die Schlüssel zu Euch nehmen? Wir brauchen sie doch nicht mehr.
MECHTILDE. Recht gern.
AGNES. Die Männer haben, wie ich sehe, eben so gerne Geheimnisse, als die Frauenzimmer.
MECHTILDE. Noch lieber, sie wollen es nur nicht zugeben.
AGNES. Gebt mir doch die Schlüssel wieder zurück.
MECHTILDE. Hier sind sie.
AGNES. Der Ritter möchte ungehalten werden, da er sie doch in meine eigene Hände überliefert hat.
ANNE. Nun gute Nacht, ich gehe zu Bett.
MECHTILDE. Ich wünsche Euch eine glückselige Nacht. (beide ab.)
AGNES. Welche herrliche Nacht! — Man spricht so viel von der Neugier der Weiber, und jetzt stände es doch gerade zu nur in meiner Gewalt, in das verbotene Zimmer hinein zu gehen. — Ich habe mir zum Theil den Schlüssel wieder geben lassen, weil sonst mein Mann hätte denken können, ich traue mir nicht Stärke genug zu. — Nun, wenn ich denn auch der Versuchung nachgäbe, so erführe kein Mensch, daß ich in dem Zimmer gewesen wäre, und kein andres Unglück könnte doch daraus entstehn; meine Schwester, die Sittenpredigerin schläft jetzt, — o ich wollte, ich hätte dem alten garstigen Weibe die Schlüssel gelassen! — Am Ende ist das Ganze nur darauf angesehn, daß mein Mann mich auf die Probe stellen will, und ich will mich gewiß nicht so leicht fangen lassen. — (geht auf und ab.) Die Alte ist selbst noch nicht einmal in dem Zimmer gewesen, der Ritter muß doch also etwas Besondres dabei haben. — Ich will nicht weiter daran denken. — (sie tritt ans Fenster) Wenn ich nur wüßte, warum er es mir verboten hat? — Der Schlüssel ist golden, die übrigen sind es nicht; es ist gewiß das kostbarste Gemach von allen, und er will mich nächstens einmal damit überraschen. — Narrheit, daß ich es nicht gleich jetzt sehn sollte! Mir ist überhaupt nichts so verhaßt, als wenn ein Mensch dem andern eine heimliche Freude machen will, jener kann sich in der Ueberraschung niemals freuen, besonders wenn er die einfältigen Anstalten vorher schon gewahr wird. — Agnes! Agnes! hüte Dich! das was Dich jetzt peinigt, ist wohl jene berüchtigte weibliche Neugier. — Und warum sollte ich nicht ein Weib seyn dürfen, so gut wie andre? — Die bloße Neugier ist noch keine Sünde. — Ich möchte den Menschen sehn, der an meiner Stelle nicht neugierig wäre. — Meine Schwester würde eben so seyn wie ich, wenn sie nicht ihre Liebe unaufhörlich im Kopfe hätte, wenn sie aber darauf fiele, daß ihr Reinhold in dem Zimmer stecken könne, so würde sie mich auf den Knieen um den Schlüssel bitten. Die Menschen sind immer nur nachsichtig gegen ihre eignen Schwachheiten. — Und es ist am Ende nicht einmal eine Schwachheit von mir, in dem Zimmer kann ein Geheimniß verborgen liegen, von welchem mein Glück abhängt; ich ahnde fast so etwas: — und ich will nur so eben hinein sehn, — wovon soll er denn nachher wissen, daß ich drinne gewesen bin? — Es muß doch irgend einen Grund haben, warum er es mir so strenge verboten hat, und den Grund hätte er mir sagen sollen, dann wäre meine Folgsamkeit ein vernünftiger Gehorsam, aber so handle ich nur aus einer blinden Unterwürfigkeit, eine Art zu leben, wogegen sich mein ganzes Herz empört. — Ei! bin ich nicht eine Närrin, daß ich so viel überlege? Am Ende ist es eine Narrheit und gar nicht der Mühe werth. — (sie nimmt den Schlüssel.) Nun, warum geh ich denn nicht? — Wenn er aber zurück käme, indem ich in dem Gemach stecke?