Annette Just

Systemische Schulsozialarbeit


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Schulsozialarbeiterin nicht hätten, könnten wir störende Schüler nicht in den Trainingsraum schicken, den sie mit Eltern organisiert hat. Das funktioniert hervorragend.«

      Schulsozialarbeitern wird jedoch genauso schnell die Rolle einer untergeordneten Dienstleistung zugeschrieben, und nicht immer gehören sie automatisch zum Team des stimmberechtigten Lehrerkollegiums. Wie kann ein Umdenken stattfinden, wenn die Position der Schulsozialarbeiter nicht verbindlich geklärt ist? Wie kann ihr Tun nachvollziehbar werden, wenn die Förderung sozialen Lernens zwar zu einer ihrer Hauptaufgaben (Prävention) gehört, aber ein dafür erforderlicher (Zeit-)Raum im schulischen Stundenkontingent in der Regel nicht vorgesehen ist? Genauer zu betrachten ist die Eingebundenheit der Schulsozialarbeit in unterschiedlichen Schulformen wie auch in unterschiedlichen Schulen gleichartiger pädagogischer Ausrichtungen (gemeint sind hier Grundschulen, Hauptschulen, Gymnasien usw.) in Städten, Kreisen und Gemeinden. Im Wesentlichen geht es um die Frage nach dem eigenen sicheren Standing der Schulsozialarbeit an unterschiedlichen Orten, nach ihrer Leistungsfähigkeit, nach ihrer Flexibilität und Stärkung und Spezifizierung des eigenen Profils – als Grundgerüst sozusagen. Das Handlungsspektrum der Schulsozialarbeit ist auf das Berufsbild der Sozialen Arbeit (IFSW 2014) zurückzuführen. Auf den Bereich Jugendhilfe bezogen, nennt Drilling (2009, S. 105 ff.) folgende sechs Handlungsprinzipien, die er für die Schulsozialarbeit als Tätigkeitsfeld in der Schule formuliert: Prävention, Ressourcenorientierung, Beziehungsarbeit, Prozessorientierung, Methodenkompetenz und Systemorientierung. Bezogen auf eine lebensweltorientierte Jugendhilfe/Schulsozialarbeit als Kernleistungen für ein Arbeitsprofil, nennt Speck (2007, S. 70 f.) folgende Handlungsprinzipien: Beratung, Gruppenarbeit, Freizeitangebote, Mitwirkung in Unterricht und schulischen Gremien, Beratung der Lehrer und Erziehungsberechtigten und Zusammenarbeit mit ihnen, Kooperation und Vernetzung mit dem Gemeinwesen. Weniger geklärt sind die Leistungsangebote und -anforderungen hinsichtlich ihrer konkreten Durchführung und Evaluation. Weniger geklärt ist ein erforderliches Stundenbudget einer sozialpädagogischen Fachkraft im Zusammenhang mit den zu bewältigenden Aufgaben. Weniger geklärt ist die Qualifikation für die Umsetzung dieser Aufgaben, insbesondere der Beratungsaufgabe bezüglich Schülern, Lehrern und Eltern. Jall (2015) beschreibt zum Beispiel, dass immer noch unterschiedliche Finanzierungskonzepte zwischen Ministerien hin und her geschoben würden und Schulsozialarbeiter nicht eindeutig zum pädagogischen Personal gerechnet werden. Nicht selten entstehen Unsicherheiten und Konfliktfelder zwischen Schulleitungen, Lehrern und Schulsozialarbeitern hinsichtlich des Themas »Weisungsabhängigkeit versus eigenständiges Arbeiten«. So bleiben viele offene Fragen. Das ist gut, denn systemisch werden viele offene Fragen als Ressourcen betrachtet. Lange, bevor sie geäußert werden, haben sich die Betroffenen bereits mit dem Problemfeld beschäftigt. Fragen führen zu Lösungsorientierungen – in die eigene schulsozialpädagogische Klarheit (direkt vor Ort).

       Fragen stellen, um Dinge zu klären

      Fragen stellen gehört zum grundsätzlichen (methodischen) Repertoire systemischer Beratung. Fragen machen neugierig, und dumme Fragen gibt es nicht. Was tut die Schulsozialarbeit wann für wen und wie genau? Wie kann sie ihre Arbeit reflektieren und sicher repräsentieren? Wie kommt sie von der Handlungsebene auf die Metaebene, die sie zur Reflexion benötigt?

      Einerseits ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe, weil beide Systeme mitzudenken sind; andererseits gestaltet sich die Zusammenarbeit unterschiedlicher Auftraggeber wie Länder, Städte, Jugendhilfeträger, Schulen oder privater Vereine nicht selten als ein schwieriges Geschäft. Einerseits sollte ein geeigneter Ort für die Selbstreflexion in Form professioneller Supervision für alle Schulsozialarbeiter in einer Kommune (oder in einem Kreis) gegeben sein; andererseits ist dieses aufgrund finanzieller wie organisatorischer und fachlicher Gegebenheiten nicht immer umsetzbar. Einerseits sind hinsichtlich der Einbindung von Schulsozialarbeit die Landesschulgesetze unterschiedlich formuliert, und den Schulleitern obliegt die Leitung und Verantwortung; andererseits ist es für die Schulsozialarbeit nicht leicht, unterschiedliche Strukturen und Verantwortungsfelder zu bedienen und ein eigenes Konzept zu entwickeln. Es entsteht also ein »Sowohl-das-eine-als-auch-das-andere«. Wie soll der Schulsozialarbeiter vor Ort mit zweierlei Maß umgehen, wenn ihm nach seiner Ausbildung nur eines zur Verfügung steht? Aus welchen Gründen und wie wird es ihm vor Ort allein überlassen, beide Strukturen zu erfassen? Nicht selten ist er damit überfordert.

      »Die Schulleitung muss der Fachkraft vertrauen, dass diese über ausreichend professionelles Handlungsrepertoire verfügt.«

      Gemeint sind beispielsweise Erkennung von Kindeswohlgefährdung oder Vernachlässigung und ein diesbezüglich angemessenes professionelles Handeln seitens der Schulsozialarbeiter. In jedem Fall ist die Schulleitung zu informieren. Sie entscheidet und leitet die erforderlichen Schritte ein, denn sie ist für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule verantwortlich (ebd.).

      Es entstehen Fragen: Wer sind die Experten für eine schulsozialpädagogische Leitung? Wie kann die Schulleitung die Leitung des sozialpädagogischen Handelns zusätzlich übernehmen? Inwieweit ist ihr Zeitkontingent darauf ausgerichtet? Inwieweit wird die Schulsozialarbeit nach schulischen Vorschriften eingebunden? Was genau wird von ihr von wem wie zu welcher Zeit erwartet? Wie äußert die Schule ihre Vorstellungen von Schulsozialarbeit? Was erwartet oder erhofft sie? Was würde passieren, wenn es morgen keine Schulsozialarbeit mehr gäbe? Wem würde es am ehesten auffallen, und was würde am nächsten Tag anders sein? Was kann die Schulsozialarbeit dafür tun, ihr Profil zu stärken? Welche Zielvorstellungen beider Kooperationspartner sind kompatibel, welche nicht? Inwieweit kann die Schule sich auf eine Evaluation der Schulsozialarbeit stützen, um welche Ergebnisse als Veränderungspotenzial zu nutzen? Wie sind die unterschiedlichen Grundpositionen hinsichtlich einer gelingenden Kommunikationskultur im Schulalltag zu würdigen? Was erwartet der Schulsozialarbeiter von seiner Profession? Was erwartet er von der Schule (dem Kollegium)? Was erwartet er von sich selbst? Für wen haben die Fragen eigentlich welchen Nutzen?

      Fragen können Herausforderungen und zugleich Geschenke sein. Sie sind für einen selbst gedacht, weil Antworten auf Fragen in unterschiedlicher Form immer auch den Fragenden und Befragten bereichern. Fragen entstehen aus Interesse am anderen. Sie laden zu Kommunikation ein. Aus systemischer Sicht gelten Fragen als Intervention. Sie machen nachdenklich. Sie ermöglichen es, im weiteren Kontakt und Kommunikationsverlauf Sinn zu erkennen, in Bewegung zu bleiben, Sprache neu zu entdecken und im behutsamen Austausch mit anderen damit umzugehen.

      Aus systemischer Sicht geht es um Beziehung, Kommunikation und Kooperation im Systemfeld Schule und Schulsozialarbeit. Dies liegt bereits in ihrem Wesen systemischer Theorie, Therapie und Beratung und ist verbunden mit dem Wissen über das Funktionieren von Systemen und mit einer systemischen Haltung (s. Abschn. 3.3), bei der es um Würdigung dessen geht, was ist. Der Schulsozialarbeiter ist auf die Sicherheit seines Beratungshandelns angewiesen, um im Dschungel von Trägerpluralismus und Aufgabenvielfalt Klarheit zu finden, will er nach systemischen Ansätzen das sozialpädagogische Beratungsfeld in den Schulen bedienen (Just 2016b). Erfahrungen belegen, dass Lehrer in vielen Situationen von einer klaren systemischen Haltung der Schulsozialarbeit profitieren, auch gestärkt werden, indem sie andere Sichtweisen für sich entdecken und Verständnis dafür