und von seiner Familie in München. Langsam erzählte sie mir alles, aber anstatt damals einen Skandal zu provozieren, wozu sie ja das Recht gehabt hätte, schwieg sie. Finanziell war sie abgesichert, so viel Anstand hatte er doch. Er scheint sich tatsächlich um sie gekümmert zu haben, solange er lebte, aber ich habe mich für ihn in Grund und Boden geschämt. Ich konnte Mama nicht mehr in die Augen sehen, da ich die Wahrheit wußte und fürchtete, daß ich damit doch mal herausrücken würde, wenn Clemens mal wieder Dummheiten machte. Deswegen blieb ich lieber fern. Aber ich behielt Kontakt zu Fiona, die ein ganz wundervolles Mädchen ist. Ich würde sie sofort heiraten, wenn sie nicht meine Halbschwester wäre.«
»Sie ist auch meine Halbschwester, Nicolas. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um das Mama zu erklären.«
»Müssen wir das?«
»Es wird sie jetzt nicht mehr umwerfen. Wo ist Fiona jetzt?«
»Sie studiert an der Sorbonne in Paris. Sie ist ein kluges Mädchen. Sie will Ärztin werden.«
»Kennt sie die ganze Wahrheit?«
»Ja. Ich habe ihr nichts verschwiegen. Sie war sehr nachdenklich, aber sie ist vernünftig. Wir müssen alle damit fertig werden, daß der große Campen ein Bigamist war. Sie wollte aber nie Unruhe in unser Leben bringen.«
Pamela hatte das Zimmer leise verlassen, als sie merkte, wie intim die Unterhaltung geworden war. Sie fragte sich plötzlich, ob ihr Vater auch bereits eine Familie gehabt hatte, als er ihre Mutter kennenlernte. Sie wollte ihn jetzt nicht mehr finden.
Marius schien sich nicht aufzuregen. Er sagte auch zu Nicolas, daß es Mama nicht mehr erschüttern würde.
»Es war aber nicht nur eine Affäre, er war ein Bigamist«, betonte Nicolas noch einmal.
»Es ist lange her, und er ist tot! Diese Frau ist es auch. Es ist unglaublich, was er sich alles geleistet hat. Ich bin nur froh, daß Clemens anscheinend auf einen geraden Weg gelangt ist.«
»Ich wollte dir keinen Kummer bereiten, Marius.«
»Es ist nicht mein Kummer. Es ist gut, daß ich es weiß. Fiona muß abgesichert werden, das ist unsere Pflicht. Ich muß noch wichtige Entscheidungen treffen. Ich weiß nicht, wieviel Zeit mir noch bleibt, Nicolas.«
»Das sollst du nicht sagen«, widersprach Nicolas, der blaß geworden war. »Es kann doch nicht so schlimm sein.«
»Momentan sieht es ja auch gut aus. Ich würde gern noch lange leben, da ich endlich die Frau gefunden habe, die ich liebe. Sie bringt Sonne in mein Leben, verstehst du mich?«
Ja, man muß sie lieben, dachte Nicolas mit einem seltsamen Gefühl, aber er sprach es nicht aus. Es wühlte ihn auf, wie ruhig Marius sprach.
»Pamela ist für mich unendlich wichtig, Nicolas. Du hast mir eben bewiesen, daß du mitfühlend bist. Ich bitte dich, dich so um Pamela zu kümmern, wie du es um Fiona tust, wenn meine Hoffnung auf ein Wunder zerstört wird. Versprich es mir.«
»Ich verspreche es. Es wird mir nicht schwerfallen. Du warst immer mein großes Vorbild, und ich wünsche, daß es noch lange so bleibt und du glücklich wirst.«
»Hol sie jetzt bitte wieder herein.«
Das tat Nicolas. Sie sprach gerade mit Jenny Behnisch und machte Nicolas mit ihr bekannt.
»Ich würde nachher gern noch mit Ihnen sprechen, wenn Sie Zeit hätten«, sagte Nicolas.
»Sehr gern, ich bin in meinem Zimmer.«
Sie nickte ihm freundlich zu. Nicolas folgte Pamela ins Krankenzimmer.
Marius streckte die Hand nach ihr aus. »Ich habe Nicolas gesagt, wieviel du mir bedeutest, Pamela, daß du die Hauptrolle in meinem Leben spielst. Ich denke, daß ihr euch gut verstehen werdet.«
»Es ist gut zu wissen, daß Marius viel Freude hat«, sagte Nicolas stockend. »Auf gute Freundschaft, Pamela.«
Er ergriff ihre Hand und drückte sie fest. Es war mehr als eine Geste, und so empfand sie es auch. Ein merkwürdiges Gefühl hielt sie gefangen. Es war eine fast feierliche Stimmung in diesem Raum, in der drei Menschen jetzt schicksalhaft verbunden waren.
Als Nicolas gegangen war, sah Marius Pamela gedankenverloren an. »Es ist gut, daß Nicolas jetzt erreichbar ist. Er hat sich in einer bestimmten Angelegenheit großartig verhalten. Wir werden noch darüber sprechen, Pamela. Nun haben wir einen Verbündeten, auf den wir uns immer verlassen können.«
*
Am nächsten Tag kam Dr. Norden in die Klinik. Er wollte Marius einen Besuch abstatten und auch mit Jenny sprechen, wie Pamela mit dem Patienten zurechtkam.
Jenny war das nur recht, denn so langsam machte sie sich Gedanken, weil Marius so ganz auf Pamela fixiert schien.
Einem Kranken mußte man so manches zugestehen, noch dazu, wenn es sich um einen Ehrenmann wie Marius Campen handelte, aber Jenny machte sich auch Gedanken, ob sich Pamela dieser Situation so gewachsen zeigte, wie sie es glauben machen wollte.
Als sie davon sprach, wurde Daniel nachdenklich. Er sah das vom Standpunkt des Mannes.
»Sie ist ein entzückendes Geschöpf«, meinte er, »und ich könnte mir schon vorstellen, daß sie ihm sehr gefällt. Er ist bisher ein eingefleischter Junggeselle gewesen, aber er war auch immer mit Arbeit ausgefüllt, und jetzt liegt er da und hat viel Zeit.«
»Aber wenn Pamela nun seine Gefühle erwidert, Daniel? Er ist ein sehr kranker Mann, und die Prognose ist nun mal nicht positiv. Pamela glaubt anscheinend an Wunder, sie hat sich dahingehend geäußert, woraus ich entnehme, daß sie gefühlsmäßig schon engagiert ist. Es wäre traurig, wenn ihr junges Leben dadurch so überschattet würde.«
»Was könnten wir denn daran ändern, Jenny? Gefühle lassen sich nicht dirigieren.«
»Könntest du nicht mal mit ihr sprechen? Ich möchte es nicht tun, damit sie sich mir gegenüber nicht verschließt.«
»Du traust mir allerhand zu, Jenny. Ich möchte Pamela auch nicht das Gefühl geben, daß sie kontrolliert wird.«
»Ach, du kannst alles harmlos ausdrücken. Du kannst ihr auch eher sagen, wie ernst die Diagnose ist. Allerdings darf sie dazu nicht in seinem Zimmer sein. Er wird sofort unruhig, wenn sie den Raum mal verläßt.«
»So weit ist es schon?«
»Sie mußte sogar dabei sein, als seine Mutter und seine Brüder bei ihm waren.«
»Nicolas ist auch zurück?«
»Ja, er war gestern hier. Wenn sich Pamela in ihn verlieben würde, könnte ich es eher verstehen. Er ist Marius sehr ähnlich, aber er ist jung und gesund.«
»Du machst dir tatsächlich ernsthaft Gedanken?« sagte Daniel.
»Und wie. Ich fühle mich verantwortlich für Pamela.«
»Und was sagt Dieter dazu?«
»Du kennst ihn doch und seine Kommentare. Er sagte, daß Pamela ihn nur heiraten solle, dann wäre sie in absehbarer Zeit eine reiche Witwe und bräuchte sich um ihre Zukunft nicht mehr zu sorgen. Er meint es nicht so.«
»Es hätte aber Wahrheitsgehalt.«
»So schätze ich Pamela nicht ein.« Jennys Miene wurde abweisend.
»Ich denke das auch nicht. Ich will mal sehen, ob ich mit ihm reden kann. Vielleicht schläft er.«
Aber Marius schlief nicht. Er freute sich über Daniel Nordens Besuch. Marius sagte, daß es ihm blendend gehe und er wohl nicht mehr lange in der Klinik bleiben müsse.
»Aber doch nicht gleich wieder zurück ins Büro?« sagte Daniel.
»Nein, bestimmt nicht. Ich werde erst eine schöne Reise machen und möchte, daß Pamela mich auch weiterhin begleitet. Man wird ihr doch keine Schwierigkeiten machen?«
Es war ihm also ernst. Daniel Norden war doch konsterniert.