Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Wort ab oder setzte allen Fragen ein hartnäckiges Stillschweigen entgegen.

      Am häufigsten kam der Maler Baumiller, freilich mehr zu Pauli als zu Lehnl. Jetzt, nachdem er der Meinung war, daß die Liebe zu Loni für den Burschen kein Grund zum Bleiben mehr sein könnte, verfolgte er seinen alten Lieblingsplan, Pauli mit in die Stadt zu nehmen und ihn dort ausbilden zu lassen, mit um so größerer Hartnäckigkeit. Als Baumiller aber bei Pauli selbst nichts ausrichtete, der dem eindringlichsten Zuspruche des Malers nur immer ein kurzes »Ich mag halt net!« entgegenhielt, steckte er sich hinter den Bürgermeister von Ammergau, der da ein Machtwort sprechen sollte. Denn es wäre doch für die ganze Gemeinde eine stolze Ehre, wenn aus ihrer Mitte ein großer Künstler herauswüchse und auf den goldenen Staffeln des Ruhmes emporstiege, zum Glanze für den Namen Ammergau. Aber auch dieser Umweg war ohne Erfolg geblieben, obwohl sich auch Paulis Mutter mit dem Maler verbündet hatte. Außer Lehnl war sie die einzige, die sich durch die äußere Ruhe Paulis nicht täuschen ließ, ihm ins Herz sah und von dem, was sie darin gewahrte, nicht sehr erfreut war. So trug auch sie sich mit dem Gedanken, daß es wohl für Pauli das beste wäre, wenn er fortginge.

      Aber wenn auch Pauli nicht schon aus eigenem Antrieb jeder Überredung widerstanden hätte, wenn er wirklich einmal schwach und nachgiebig geworden wäre --- die Einflüsterungen Lehnls, der in jeder nur möglichen Weise dem Plan des Malers entgegenarbeitete, hätten in dem Burschen immer wieder den schwankenden Willen befestigen müssen. Lehnl mußte wohl gewichtige Gründe haben, daß er seinen jungen Freund immer wieder zum Bleiben mahnte; die Hoffnung, daß alles noch einmal gut werden könne, wollte den Alten nie verlassen.

      Mit heißer Spannung erwartete Lehnl den Tag, an dem er zum erstenmal das Haus verlassen könnte; und als dieser Tag gekommen war, führte der erste Ausgang den ungeduldigen Alten ins Wirtshaus hinüber.

      Es war am Nachmittag eines für die schon ziemlich vorgerückte Jahreszeit selten schönen Tages. Als Lehnl in die Wirtsstube trat, fand er nur ein paar Holzknechte vor, welche mit Karten, die bis zur Unkenntlichkeit beschmutzt waren, ihren Bittern ausspielten. Die Kellnerin saß neben dem Schänkkasten und strickte. Nachdem Lehnl diesen Leuten zur Genüge versichert hatte, daß es ihm recht passabel ginge, schritt er auf die Tür des Nebenzimmers zu, in dem er Loni vermutete. Er hatte sich auch nicht getäuscht. Das Mädchen saß am Fenster und mühte sich damit ab, einen in die Brüche gegangenen Hausrock ihres Pflegevaters wieder zusammenzurichten. Als Loni die Tür gehen hörte, wandte sie langsam den Kopf, sprang aber dann in freudiger Überraschung auf. »Meiner Seel, der Lehnl!« Und mit ausgestreckten Händen eilte sie dem Alten entgegen.

      Lehnl sah dem Mädchen erstaunt, fast erschrocken ins Gesicht. Das frische, blühende Rot, das sonst auf diesen Wangen gelegen, war von ihnen gewichen, und die runden Backen waren recht schmal geworden.

      »Ja, wie geht's dir denn, du armer Kerl?« so plauderte Loni weiter. »Was macht denn dein Kopf?«

      »So eim dicken Schädel schadet net leicht was. Wie geht's denn aber dir? ... Schaust net gar gut aus! ... Hab allweil Zeitlang ghabt nach dir und hab glaubt, du bsuchst mich einmal.«

      Loni wandte sich ab und machte sich am Tische zu schaffen. »Ich wär schon kommen ... wenn ... aber ...«

      »Wenn ... aber? ja so! In das Haus, wo ich glegen bin, gehst halt net eini? Gelt?«

      »Du hast wohl ghört ... ?« gab Loni mit gepreßter Stimme zur Antwort.

      »Ghört und gsehen gnug!« Lehnl zog einen Stuhl an den Tisch und ließ sich nieder. »Lonerl, Lonerl ... das war net recht!«

      »Sagst du auch so! Ich muß mir schon von die andern Leut gnug anhören.«

      »Meinst vielleicht, ich sollt dich loben auch noch? Das wär doch z'viel verlangt. Wer den Pauli gsehen hat wie ich ... wie er heimkommen is, kein Wort gredt, sein Feiertagsgwandl weggworfen hat und wieder naus is bei der Tür ... Lonerl, der kann dir kein Fleißbillett geben. Erst am andern Tag in der Früh is er wieder heimkommen ... und wie ich ihn hab fragen wollen, was denn los is, hat's gheißen: Red nix, wenn du haben willst, daß ich dir gut bin!«

      »Du bist halt auch wie die andern!« versetzte Loni mit ärgerlichem Ton. »Redest allweil bloß von ihm, aber net von mir. Hab mich schon so gfreut, daß ich mit dir über die dumme Gschicht diskrieren könnt ... derweil is das auch nix!« Sie trat vom Tisch weg an das Fenster und nahm ihr Nähzeug wieder zur Hand. »Jetzt is halt aus!« seufzte sie tief auf und begann zu nähen.

      »No ...«, meinte Lehnl und blickte forschend nach dem Mädchen, »das möcht ich grad doch net so steif behaupten. Denn was einmal die richtige Lieb war, die bleibt's auch, mag da gschehen, was will.«

      Loni warf den Kopf in den Nacken. »So?« rief sie erregt. »Du hast ihn halt net gsehen, wie er dagstanden is und gredt hat ... 's richtige Mannsbild, wie man sich's denkt ... und wie er gsagt hat: »Jetzt wenn sagst, zwischen uns is nix und zwischen uns wird nix, nachher kannst recht haben! ... Und das ›Bhüt Gott!‹ ... Ich dank!«

      »Ja, ja!« meinte Lehnl, »das will ich schon glauben ... aber ... wenn auch bei ihm, wie ich mein, 's Eis noch zum Brechen wär ... du kannst ihn ja doch nimmer mögen!«

      »Na ... nie!« fuhr Loni auf. »Lieber sterben!«

      Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür, und der Maler Baumiller trat ein. Die üblichen Begrüßungen wurden gewechselt, und wieder einmal mußte Lehnl ein halbes Dutzend Fragen nach seinem Befinden beantworten. Dann verließ der Alte das Gemach, um auch dem Wirte ein Grüßgott zu sagen.

      Über alles mögliche plauderte der Maler inzwischen mit Loni; plötzlich, mitten im Gespräche über das schöne Wetter, neigte er sich über die Lehne des Stuhles, auf dem sie saß, und sprach ihr ins Ohr: »Sag einmal, Lonerl, könnt man jetzt mit dir riet auch einmal ein gscheits Wörtl reden?«

      »Man müßt's halt probieren!«

      »Wegen meiner und wegen dem Pauli.«

      »Jesses! Wenn ich nur den Namen nimmer hören müßt!« gab Loni gallig zur Antwort. »Ihr wißt's ja, daß ich ihn net ausstehen kann.«

      »Ich red ja nur grad deswegen von ihm, daß du einmal zur Ruh kommst!« tuschelte der Maler mit eindringlichem Eifer. »Und das gschieht net eher, bevor der Pauli net geht.«

      Hastig hob Loni die Augen und blickte dem Maler ins Gesicht. »Daß er aber net geht«, gab sie zögernd zur Antwort, »ich mein, das habts oft gnug schon ghört.«

      »Die Sach is halt net recht anpackt worden! Du, Loni, du selber mußt die Gschicht in die Hand nehmen!«

      Lonis Augen wurden immer größer. Und bedenklich schüttelte sie den Kopf »Da geht mir der Verstand aus!«

      »Wirst es gleich verstehen!« Baumiller zog einen Stuhl zu Loni ans Fenster, ließ sich ihr gegenüber nieder und faßte ihre beiden Hände. »Sag, Loni, kannst du's begreifen, daß ein Mensch mit ganzem Herzen und ganzer Seel was wünscht und hofft, so daß er gar kein andern Gedanken mehr hat? Begreifst du das?«

      »0 ja!« Ein tiefer Seufzer schwellte die Brust des Mädchens.

      »Siehst, Loni, so ein Gfühl hab ich ghabt, wie ich ein junger Mensch war. Wie ich zum malen angfangt hab und wie ich die Bilder gsehen hab von unsere großen Meister, da is in mir der Wunsch aufgstiegen, was Gleiches zu schaffen und auch Bilder zu malen, vor denen die ganze Welt staunen müßt. Der Wunsch war ein recht schöner! Und was an meim guten Willen und an meim Fleiß glegen war, das is auch redlich gschehen. Aber weiter hab ich's halt doch net bracht, als daß meine Bildln gern kauft worden sind und daß ich mir ein bißl was erworben hab. Schau, Lonerl, damit du's verstehst, möcht ich sagen: Mir is gangen wie eim Schneider, der ein Rock für ein großmächtigen Mann machen will ... und 's Tuch reicht bloß für ein Buben. Das Tuch, das heißt man bei uns Talent. Die Stund, wo ich zur Einsicht kommen bin, daß bei mir 's Tuch net reicht, das war die schwerste Stund in meim Leben! Und da find ich auf einmal ein Menschen, der das Talent, das mir gfehlt hat, im reichsten Maß besitzt und dem, um das zu werden, was mir bei allem Fleiß net glungen is, nix fehlt als die richtige Schul und der rechte Lehrer.«

      In