Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


Скачать книгу

plag dich net!« erwiderte er nach kurzem Schweigen. »Du hast es schon in manchem recht weit bracht, aber 's Lügen bringst doch net recht zamm. Druck's halt aussi, was mir sagen willst! Ich merks ja eh, es is ein abgmachte Sach, daß du mit mir reden sollst.«

      Dunkle Röte übergoß Lonis Wangen. »Na ... gwiß net«, stotterte sie, »das heißt ...«

      »Es is schon gut!« schnitt ihr Pauli kurz das Wort ab und stellte sich wieder vor das Fenster hin.

      Durch diesen scharfen Schnitt war Loni weiter von ihrem Vorhaben abgebracht, als ihr lieb sein konnte. Aber sie mußte nun sprechen --- um jeden Preis. So faßte sie den ersten Gedanken auf, der ihr in den Sinn kam. Während sie sich um ein zagendes Schrittlein näherte, fragte sie scheu: »Wie geht's denn deim Mutterl, hab's lang nimmer gsehn?«

      »Ich dank, ganz gut!« klang es vom Fenster her.

      »Ich hab ghört, sie tät dir allweil zureden, du sollst mit dem Herrn Baumiller in d' Stadt gehen?«

      »Kann schon sein!«

      »Und du wolltest net?«

      »ls auch möglich!«

      Paulis kurze Antworten konnten Loni nicht mehr einschüchtern. Sie hatte den Faden am richtigen Zipfel angesponnen, und mutig fragte sie weiter.

      »Warum magst denn net, wenn man fragen darf?«

      »Weil's mich net freut!«

      »Das is freilich ein gwichtiger Grund. Aber wer weiß, ob dein Mutterl net am End recht hat und ob's net dein Glück wär, wenn ihr folgen tätest.«

      Bis zur Unkenntlichkeit hatte Pauli während Lonis hartnäckigen Fragen seinen Filzhut zusammengedreht. Die letzten Worte des Mädchens ließen ihn plötzlich auf diese immerhin unterhaltende Beschäftigung verzichten, und mit jähem Ruck wandte er sich vom Fenster ab. »Na also ... schau ... da wären wir ja bei der Sach! Alles Mögliche hat der Herr Baumiller schon probiert. D' Mutter und den Bürgermeister hat er über mich ghetzt ... und jetzt schickt er gar noch dich!«

      »Ja, Pauli, ich will's auch net länger leugnen«, stammelte Loni. Und hastig, ohne recht zu bedenken, was sie sprach, redete sie weiter: »Der Herr Baumiller hat mir das Versprechen abgnommen, ich soll dir zureden, daß du mit ihm in d' Stadt gingst. Ein kleins bißl hat er gmeint, könntest du doch noch auf das hören, was ich dir sag ... und hat gmeint, wenn ich dir saget: Pauli, mich leidt's nimmer im Dorf, solang du da bist... mein Rast und mein Ruh is weg ... geh fort von da... so ... so tätst du's auch ... hat er gsagt.«

      In guter Meinung, das Richtige gefunden zu haben, hatte Loni fast Wort für Wort die Rede des Malers wiederholt; doch sie erschrak nicht wenig, als Pauli sie mit rauher Stimme anfuhr: »Und du schamst dich net? Und kannst mir so was ins Gsicht eini sagen? D' Ruh hast mir gstohlen, um meiner Lieb willen hast mich bschandelt vor alle Leut, und jetzt kommst und willst meine Lieb als Fürspann nehmen, um mich von meiner Heimat z'treiben, von Mutter und Haus? Loni, das is grundschlecht!«

      Flehend hob sie die zitternden Hände. »Pauli ... ich bitt dich um Gottes willen, glaub so was net von mir! Wenn ich mich hab überreden lassen, daß ich dir zusprich, so war's, weil ich überzeugt bin, es wär besser für dich, wenn du gingst, weil du mich nachher vielleicht vergessen könntest ... und alles, was gschehen ist. Und wenn du nachher ein berühmter Bildhauer werden tätst und alle Leut dich gern hätten und in Ehren halten und wenn du nachher recht reich werden tätst ... so hätt ich halt gmeint, könntest leicht auch das finden, was in deiner Heimat umsonst gsucht hast... die Lieb von eim braven Madl.«

      Wären es nicht die Einflüsterungen schwer gekränkter Liebe gewesen, die Paulis Augen verdunkelten und seine Ohren schlossen, er hätte aus diesem bleichen Gesichte lesen müssen, was in der beklommenen Seele des Mädchens vorging, und hätte hören müssen, daß aus dem Klang dieser Worte die wahrhaftige Offenheit eines geängstigten Herzens sprach.

      So aber schüttelte er nur unmutig den Kopf, und mit heiserem Lachen rief er: »Also grad wegen meim Glück? Du mitleidigs Madl! Ich sag dir, ich glaub dir's net! Ich glaub viel eher, daß du jetzt lügst und daß deine erste Red d' Wahrheit war: daß mich bloß fort haben willst, weil ich dir im Weg umgeh!«

      »Na, Pauli, gwiß net!«

      »Laß gut sein! ... Ich geh dir aus'm Weg! Du sollst d'Ruh finden ... ob ich mein Glück, das is ein andere Frag. Glaub aber ja net, daß ich mir aus dem Maler seim Gschwatz eine Hoffnung mach. Ich will net berühmt werden und brauch kein Reichtum ... was ich brauch, hab ich, Gott sei Dank, und wollt ich mir mehr wünschen, so müßt mich unser Herrgott strafen! Aber mag's jetzt sein, wie's will ... ich geh ... und wenn ich auch in mein Unglück renn.«

      »Jesses... wenn du so denkst... Pauli... wär's mir gleich lieber, du bliebest da!«

      Pauli blickte verwundert auf, es klang ihm nun doch aus dieser Stimme etwas entgegen, was ihn stutzen machte; aber es kam ihm das so sonderbar vor, so ganz Unglaublich, daß er dem Gedanken, der zu Lonis Gunsten sprach, nur einen einzigen Augenblick Gehör schenkte. »Plag dich net, Loni! Dein Ernst is ja doch net! Und meinetwegen brauchst kein Angst net z'haben ... weil schon einmal so mitleidig bist! Ich bin schon über gar viel wegkommen und schlag mich da auch noch durch! Freilich, wie schwer mir's wird, das kann dir gleich sein ... wenn's nur nach deim Kopf geht.«

      Aus Paulis letzten Worten klang ein Ton so tiefen Schmerzes, daß die Tränen in Lonis Augen schossen. Beherzt trat sie näher und zerknitterte in fieberhafter Ungeduld ihre weiße Schürze, während sie sprach: »Na, Pauli ... wenn du mich auch für recht schlecht haltst, so schlecht bin ich doch net, und schau ... wenn du meinst, es wär net so, wie der Herr Baumiller sagt, sondern so, wie du sagst ... schau ... da mein ich, wär's besser, du gingest net fort, sondern bliebest da und tätst auch gleich ...« Das Blut stieg ihr ins Gesicht bei dem Gedanken an das, was sie da hatte sagen wollen.

      Im ersten Schreck hielt sie es für ein Glück, daß Pauli sie im Weitersprechen verhindert hatte, als er sie unterbrach: »Geh, sei stad!« Und doch wär' es ihr lieber gewesen, er hätte sie nicht unterbrochen --- denn es legte sich ihr wie Eis um das Herz, als sie ihn weiterreden hörte»Muß halt alles aus sein! Aber grad dadurch, daß ich jetzt geh, will ich dir noch beweisen, wie gern ich dich ghabt hab! ... Und somit bhüt dich Gott!« Er nickte einen Gruß und ging zur Tür.

      Loni glaubte vor Entsetzen in die Erde sinken zu müssen, als sie ihn gehen sah. Gedanken und Worte versagten ihr; alle Qual ihres gefolterten Herzens machte sich nur in einem einzigen Aufschrei Luft.

      »Pauli!«

      Er hatte schon die Türklinke in der Hand --- aber da drehte er sich mit jähem Ruck herum: »Was ist?« Eine Weile standen sie schweigend voreinander. Und als er sah, wie Loni sich vergebens mühte, ein Wort herauszubringen, sagte er mit einer wunderlichen Mischung von Groll und Herzlichkeit in der Stimme: »Wenn noch ein Wunsch hast, schenier dich net, jetzt geht's in eim hin!«

      »Wenn's wirklich ... bschlossene Sach is ... daß gehst ...«, kam es stockend über Lonis Lippen, »nachher ... nachher könntest mir ja doch zum Bhüt Gott noch die Hand geben.« Zwischen Weinen und Lachen klangen diese Worte halb wie eine Frage, halb wie eine Bitte. Und als sie langsam die Hand streckte, machte Pauli einen flinken Sprung in die Stube --- »Loni!« --- aber auf halbem Wege hielt er an, und der gestreckte Arm fiel ihm nieder.

      »Na! ... Das geht ja doch net, daß ich die Hand druck, die mich gschlagen hat.«

      »Wenn ich dir aber sag, wie weh mir's allweil gewesen is und wie ich schon oft mit nasse Augen die Stund verwünscht hab, wo ich dir so ein fürchtigs Unrecht hab antun können ... und wenn ich dich recht von Herzen um Verzeihung bitt ...« Wieder streckte ihm Loni die Hand entgegen. »Darfst mir nachher deine Hand auch net geben?«

      Pauli tat einen tiefen Atemzug, so tief, als käme dieser befreiende Odem aus einem Brunnen herauf. »Ja, Loni!« Er schlug in die Hand des Mädchens ein. »Das Wort macht viel vergessen und wird mir mein Weg leichter machen!«

      Scheu guckte sie an ihm hinauf. »Ja, willst denn jetzt auch wirklich fort?«

      Der flehende Ton dieser Worte ließ Pauli