Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Stimme, so gut und lieb, wie ich's noch nie von dir ghört hab ... und aus deine Augen schaut's mich an, daß ich's fast net für möglich halten kann! ... Loni? ... Meinst net, es könnt noch anders werden zwischen uns?«

      »Meinst du?« fragte sie leise.

      »Ich schon!«

      »Ja ... wenn du vergessen könntest, was ich dir für eine Schand antan hab ... nachher mein ich auch!«

      »Ah was, Schand ...«, kalkulierte Pauli mit brennendem Eifer, »es wär ja gar nie eine Schand gwesen, wenn net d' Leut dabeigstanden wären. Und du hast es ja bloß in der Hitz tan!«

      »Freilich! Bloß in der Hitz!«

      »Na also! Und alles ließ sich wieder gutmachen, wenn du dich ein bißl zammnähmst.«

      »So sag nur grad, wie?« fragte sie mit vor Freude zitternder Stimme.

      »Wenn du mit mir Hand in Hand zur Kirche gingst und auf die Frage vom geistlichen Herrn, ob du mich haben willst fürs ganze Leben, vor alle den damischen Leut recht laut sagen tätst: ja! ... Willst das, Loni?«

      Erschrocken entzog sie ihm ihre Hände, das Gesicht übergossen von Blut. Aber dann griff sie gleich wieder mit beiden Armen zu, unter Weinen und Lachen:

      »Du! Paß auf! So laut will ich's sagen, daß deine geschnitzten Heiligen in der Kirch ihre Freud dran haben sollen! Pauli! Du Braver, du Treuer! Da hast mich! Mit Leib und Seel! Und ich laß nimmer aus!«

      Die beiden hielten sich umschlungen und hingen Mund an Mund, zwei hungernde Herzen, die das köstliche Brot ihres Glückes gefunden und sich nicht sättigen konnten.

      Die Tür ging auf, und Lonis Pflegevater trat ein. Die Augen, die er machte, als er die beiden so stumm und ausdauernd miteinander beschäftigt sah!

      »Ja Loni!« Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Was machst denn?«

      »Hochzeit, Vater!« Sie sah ihn lachend an. »Und das recht bald, wann nix dagegen hast!«

      »Is denn so was möglich?«

      »Was? Möglich?« Pauli drückte einen Kuß auf Lonis glühende Wange. »Gelt, jetzt glaubst es? Und weil schon da bist, halt ich gleich um d' Loni an bei dir. Wer ich bin, das weißt, was ich hab, kannst leicht erfragen ... brauchst bloß ja sagen!«

      »So? Meinst? Du Sapperlot!« polterte der Wirt. »Die alten Leut sind wahrscheinlich zu nix anderm auf der Welt als zum Jasagen!«

      »In dem Fall schon, Vater!« lachte Loni. »Und wenn mich gern hast, nachher bsinnst dich auch net lang und sagst ja!«

      Da fing auch der Wirt zu lachen an. »Meinetwegen halt! Macht es miteinander aus, wann Hochzeit is ... und nachher kommts und sagts mir's!« Mit zufriedenem Schmunzeln musterte er noch einmal das Paar, dann stürmte er zur Stube hinaus und hätte fast den alten Lehnl, der dicht vor der Tür stand, zu Boden geworfen.

      »Was hast denn, Lehnl? Dir steht jas Wasser in die Augen?«

      »Ich weiß net ... es muß mir ebbes einigflogen sein!« gab der Alte zur Antwort, während er durch die halbgeöffnete Tür in das Stübchen blinzelte, aus dem der Wirt gekommen war.

      10

       Inhaltsverzeichnis

      Zwei Tage später wurde beim Wirt von Graswang das Stuhlfest des Herrgottschnitzers und der Loni gefeiert. In der großen Wirtsstube standen die weißgedeckten Tische, und darum saßen die geladenen Gäste, zuoberst, am Ehrenplatz, die Mutter des Bräutigams. Die alte Traudl strahlte vor Vergnügen, und ihre Augen glänzten heller als die blanken Schaumünzen, die an dem silbernen Schnürwerk ihres Mieders baumelten. Neben ihr saßen der Wirt und Loni, deren Stuhl freilich die meiste Zeit leer stand, denn sie ließ es sich nicht nehmen, fleißig in der Küche nachzuschauen und dafür zu sorgen, daß kein Teller leer wurde und kein Krug ungefüllt blieb.

      Auch der Rötelbachbauer war unter den geladenen Gästen; er saß zwischen Muckl und der zukünftigen Schwiegertochter. Wenn die Leute von ihr erzählten, sie hätte Haare auf den Zähnen, so konnte das jedenfalls nur bildlich gemeint sein; denn ihr Gebiß, das von der schmalen Oberlippe kaum zur Hälfte verdeckt wurde, war vollständig unbehaart.

      Pauli, der neben dem Wirt Saß, war für die Unterhaltung der Gäste verloren. Er folgte nur immer mit leuchtenden Blicken dem geschäftigen Tun und Treiben seiner Braut. Wenn ihn an diesem Freudentage überhaupt etwas beunruhigen konnte, so war es die Abwesenheit Lehnls, den er schon ein paarmal vergebens im ganzen Hause gesucht hatte. Ganz zufällig blickte er einmal durch das Fenster und sah gerade noch, wie Lehnl drüben im Austraghäuschen des Huberbauern die Tür hinter sich zuzog. Er sprang vom Stuhl auf, sagte Loni, wohin er ginge, und eilte hinüber nach seiner Wohnung, um den Alten zu holen, der ihm die letzten zwei Tage in auffallender Weise ausgewichen war.

      Loni hatte ihren Verlobten bis an die Haustür begleitet, und als sie nun wieder in die Stube zurückkehren wollte, wurde sie von Muckl aufgehalten, der ihr aus dem Flur entgegentrat.

      »No, Loni? jetzt is halt doch so kommen, wie ich allweil gsagt hab. Drum, mein ich, könntest mir jetzt auch wieder gut sein, schau, schon deswegen, weil meine Eifersucht dein Glück gmacht hat!«

      Loni lachte. »Wenn du sagst, daß dich alles reut ... nachher will ich dir wieder gut sein!«

      »Freilich reut's mich! Wenn ich auch net leugnen kann, daß mir's die größte Gaudi gmacht hat, wie ihr zwei aufeinander losgfahren seids wie die gstupften Gockeln! ... ja ... hätt ich nur von Anfang net so viel Angst ausstehen müssen wegen dem Lehnl! Das hätt weiters net dumm ausgschaut, wenn ich, der einzige Sohn vom Rötelbachbauern, ein paar Monat hätt sitzen müssen wegen so einer dalketen Gschicht.«

      »Ja, hast denn du dem Lehnl was tan?« fragte Loni erstaunt.

      »Weißt denn du da nix davon?«

      »Aus dem Gschwatz werd ich net gscheit!«

      »Kannst dich denn nimmer erinnern an den Tag, wo ich mit meim Vater kommen bin und wo du mir nachher so gschwind ein Korb geben hast? Da war gleich drauf die Red, daß du am andern Tag auf d' Alm gehst. Da hab ich mir denkt, den Katzensprung könnt ich noch riskieren ... vielleicht redt man sich leichter mit dir, wenn du allein bist!«

      »Und du warst in derselben Nacht auf der Alm?«

      »Freilich ... aber grad, wie ich an dein Kammerfenster hab klopfen wollen, da kommt der Lehnl dazu, packt mich ... und wie's diesmal geht.. . ich hab ihn halt so weggschlenzt, und da is er halt unglücklich gfallen. In der ersten Angst, man könnt mich sehen, bin ich ausgrissen, weil ich wen kommen hab hören. Freilich hat mich die Sorg um den Lehnl net weit fortlassen. So bin ich wieder zurück, und da hab ich gsehen, daß der Pauli da ist und dem Lehnl aufhilft. Der arme Kerl hat gmeint, er müßt schon sterben wegen dem bißl Loch im Kopf, und hat den Pauli heilig versprechen lassen, daß er Freund bleibt mit dir, ob du gut oder ungut mit ihm wärst. Alles hab ich mit anghört, auch wie er ihm verraten hat, daß du sein leibliches Kind wärst.« Zutraulich neigte sich Muckl gegen Loni und sprach ihr ins Ohr: »Weißt, von mir hat's kein Mensch erfahren und erfahrt's auch niemand!«

      Lonis Gesicht war weiß wie die Wand, und sie zitterte an allen Gliedern. Mühsam rang sie nach einem Wort. »Heilige Maria ...«

      »Ja, weißt denn du da auch nix davon?« fragte Muckl mehr erstaunt als erschrocken.

      Loni starrte ins Leere. »Pauli ... wo is der Pauli?« Und wie eine Irrsinnige eilte sie zur Tür hinaus auf die Straße hinüber zum Austraghäuschen des Huberbauern.

      Da drüben hatte unterdessen Pauli den Alten aufgefunden; aber vergebens suchte er Lehnl zu bewegen, mit ihm zu gehen. »Komm, Lehnl, komm, geh mit!« bat Pauli immer und immer wieder. »Du hast am allerersten ein Recht ...«

      »Geh, laß mich!« unterbrach ihn Lehnl. »Wenn du wissen tätst, wi6s in meim Herzen ausschaut, nachher sähest