Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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brennenden Wangen, mit den dunklen Feueraugen und dem wirr gezausten Braunhaar über der glühenden Stirn! Und von der Nachwirkung des energischen Widerstandes, den Burgi im lustigen Ringkampf mit Pepperl geleistet hatte, atmete der feste Busen so ungestüm, als möchte er den groben Kittel sprengen. Gleich einem wissenschaftlichen Forscher ließ Martin den Schein der Blendlaterne über die Sennerin gleiten. Er verstand sich in solchen Dingen genügend aufs Rätsellösen, um den jungen, stramm gesunden Mädchenkörper zu erraten, der sich in dem derben Arbeitskleid versteckte. Der Kenner nickte zustimmend und lächelte.

      Burg verstand dieses Lächeln nicht. Aber das Schweigen währte ihr zu lang. Lustig sagte sie: »Der Herr Kammerdiener? Gelt? Und ich hab schon gmeint, der Leibhaftige steht vor mir in der schwarzen Stiefelwichs!«

      Kichernd drückte sie das Kinn auf die Brust.

      Martin wurde verdrießlich. »Na, hören Sie, mein schönes Kind, das ist gerade kein Kompliment. Ich glaube eher, daß ich Ihnen als rettender Engel erschien, um Sie aus den Fäusten dieses groben Lümmels zu befreien.«

      »Oho!« Pepperls Gesicht war anzusehen, als hätte man ihm Zinnober auf die Stirn gestrichen.

      »Sie wünschen?« Martin hob die Laterne. »Ist das einer von unseren Jägern?« fragte er die Sennerin und musterte wieder mit kühlem Blick die stumme Gesellschaft am Tisch. »So viel Manieren könntet ihr wohl haben, um zu wissen, daß man aufsteht, wenn jemand von der Herrschaft eintritt.«

      Die Jäger hinter dem Tisch guckten einander mit großen Augen an und erhoben sich schwerfällig.

      Pepperl blieb sitzen. Seine Augen funkelten. »Da muß schon wer andrer kommen, bis ich aufsteh. Wegen Ihnen reiß ich mir keine Haxen aus.«

      »Aber Pepperl, geh, was hast denn?« stotterte Burgi erschrocken. Und Beinößl griff über den Tisch hinüber und schüttelte den Erregten mit derber Faust an der Schulter: »Peppi? Bist denn verruckt?«

      »Na! Ich net! Aber in Ruh lassen soll er mich! Der!« Die Mahnung zum Frieden schien Pepperls Zorn noch geschürt zu haben. »Wenn er auch so pikfein dreinschaut wie an auszogner Tintenspritzer, deswegen is er doch net mehr als wie a Stiefelputzer, der sei' Bürsten daheim lassen hat!«

      Martin legte vornehm den blonden Kopf zurück.

      Der kalte Blick rührte in Pepperl den Zorn zum Sieden auf. »Sie! Bleankeln S' net so mit Ihrem ausgwaschnen Gschau! Mich verschlucken S' noch lang net! Und mit solchene Augen können 'S enkere Frauenzimmer in der Stadt drin anschauen, aber kein Madl bei uns da heraußen!«

      Ohne auf Pepperl zu hören, war Martin zum Tisch getreten. »Geht einer von den Leutascher Jägern noch heut nach Hause?«

      »Jawoll!« erwiderten Birmoser und Ruef.

      Dem letzteren, der von beiden der minder bekneipte zu sein schien, reichte Martin ein großes Kuvert, das er aus der Brusttasche zog. »Übergeben Sie dieses Kuvert, das zwei Briefe enthält, morgen früh in Leutasch dem Postboten. Die Briefe sollen erst auf der Post in Seefeld aus dem Kuvert genommen werden. Das ist strenger Befehl Seiner Durchlaucht. Haben Sie verstanden?«

      »Jawoll!«

      Mit gnädigem Lächeln wandte sich Martin zur Sennerin, die wortlos dastand. »Gute Nacht, mein schönes Kind!« Freundlich klopfte er sie auf die Wange, dann hob er die Laterne, um seinen Weg zu beleuchten, und verließ die Hütte.

      Mit keinem Blick sah Burgi dem Abziehenden nach, sondern hielt ihre zornblitzenden Augen auf Pepperl gerichtet. Die drei Jäger hinter dem Tisch begannen zu lachen und wollten mit derben Späßen über den unbehaglichen Augenblick hinüberturnen. Da trat die Sennerin vor Pepperl hin. »Du! Jetzt will ich dir was sagen!« Ihre Stimme zitterte. »Wir sind zwei gute Freunde gwesen in aller Lustbarkeit. Net mehr und net weniger. Aber von heut an hat's an End. Solchene Sachen leid ich net in meiner Hütten. Da kannst dir an anders Platzl suchen!«

      »So? So?« kollerte Pepperl. »Is dir am End schon Angst um ihn, weil ich ihm seine schmalzigen Haar a bißl aufkampelt hab?« Höhnend deutete er mit beiden Armen nach der Tür. »So geh doch, geh – main scheenes Gindd – und führ ihn am Armerl, daß er net stolpert. Wann er sich's Nasenspitzl verstaucht, wer weiß, leicht gfallt er dir morgen nimmer.«

      Den Ärger verbeißend, sagte das Mädel ruhig: »Sei stad, gelt! Du rauschiger Unfürm du! Und kümmer dich lieber, daß du an Helfer findst, der dich heut noch auf'n Strohsack lupft! Und der ander? Der soll mich anschaun, wie er mag! Dich frag ich noch lang net drum. Net heut und net morgen. Und überhaupt, heut hab ich gnug – von enk alle mitanander!« Sie packte den hölzernen Wassereimer und goß seinen Inhalt über das müde flackernde Herdfeuer, so daß unter dem plätschernden Guß auch das letzte Flämmchen erlosch. Es wurde ein bißchen duster in der Hütte. Das tränende Kerzenlicht, das die große Stube nicht aufzuhellen vermochte, sah aus wie das hilflose Waisenkind einer verlorengegangenen Sternmutter.

      »Aber Madl, geh!« fiel Beinößl beschwichtigend ein.

      »Der ander gibt eh schon Ruh. Jetzt sei net du die Narrische.«

      Burgi warf den Eimer zu Boden, ging zum Tisch und pustete das in einer leeren Flasche steckende Talglicht aus.

      »So! Polizeistund!« grollte sie in der Finsternis. »Gut Nacht mitanand!«

      Die Jäger lachten, nur Pepperl nicht. Als er in der Dunkelheit die Kammertür gehen und drinnen den schweren Eisenriegel klirren hörte, sprang er auf. »He! Burgi! Du! Ich muß dir was sagen!« Als keine Antwort kam, begann er mit beiden Fäusten gegen die Kammertür zu trommeln.

      Während Birmoser auf dem Tisch herumtappte, um die noch ungeleerte Flasche für sich zu retten, legten sich Ruef und Beinößl bei der Kammertür ins Mittel und lotsten den Praxmaler-Pepperl unter gütlichem Zureden hinaus in die stille, sternschöne Sommernacht.

      Pepperl wehrte sich wie ein Wilder. »Laßts mich aus! Ich rat's enk im guten! Ich muß ihr was sagen! Laßts mich aus!«

      Die beiden hielten ihn fest und zogen, daß Pepperl auf den vorgestemmten Füßen eine Rutschpartie übers Almfeld machte.

      »Na! Und na! Und ich geh net heim! Ich muß ihr was sagen!«

      »Jetzt halt dein Schnabel, du Giftgockel, du eifersüchtiger!« schnauzte ihn Beinößl an.

      »Was? Eifersüchtig? Daß ich net lach!« Und richtig, Pepperl lachte laut in die Nacht hinaus. »Was geht denn mich die Burgi an! Die is mir net mehr als der Wind hinterm Ohrwaschel! Auf Ehr und Seligkeit! Und ich will und ich mag nix von ihr! Und net um d' Welt! Ös seids mir die richtigen Freund! Dös muß ich sagen! Saubere Freund! Und bringen eim solchene Sachen auf! Was? Helfts am End auch schon zum anderen? Ja?«

      »Geh, du Narr! Was hast denn davon? Der wird dich ghörig verklampern beim Fürsten!«

      »Verklampern? So? Meintwegen! Soll er mich halt verklampern! Und meine Freunderln, meine guten? Die machen ihm leicht noch an Zeugen? Ja? Öl seids mir die richtigen Freund! Laßts aus! Mit enk will ich nix mehr z'schaffen haben! Auslassen! Himmelherrgottsackerment!«

      Mit einem Athletenruck befreite Pepperl seine Arme und rückte trotzig das Hütl übers Ohr, wie einer, der weiß: jetzt hat mich alles verlassen, jetzt bin ich auf mich allein gestellt! Und während ihm die Jäger lachend nachsahen, stolperte er einsam durch die Finsternis seiner nahen Hütte zu.

      In seinen Ohren war ein böses Wort zurückgeblieben: »Verklampern! Der wird dich ghörig verklampern beim Fürsten!«

      Aus bedrückter Seele seufzend, erreichte Pepperl die Tür des Försterhäuschens. Ohne zu prüfen, ob sie offen oder geschlossen wäre, suchte er eine Viertelstunde lang in allen Taschen nach dem Schlüssel. Als er ihn nicht fand – weil der Schlüssel im Schloß steckte –, ließ er sich in einem Anfall dumpfer Seelenzerknirschung auf die Schwelle nieder und nahm seinen sumsenden Kopf in die Hände. Verworren tauchten die Ereignisse, die sich in der Sennhütte abgespielt hatten, vor seinem wach gerüttelten Gewissen auf, an dem schon die Reue zu nagen begann wie die Maus an der Speckschwarte. »Teufi, Teufi, Teufi! Was hab ich denn da für