zuletzt sank er mit ausgebreiteten Flügeln tiefer und tiefer; er machte noch wenige Schläge mit den Schwingen, aber es half nichts; nun berührte er mit seinen Füßen das Tauwerk des Schiffes, dann glitt er vom Segel herab, und bums! da stand er auf dem Verdecke.
Jetzt nahm ihn der Schiffsjunge und setzte ihn in das Hühnerhaus zu den Hühnern, Enten und Truthähnen; der arme Storch stand befangen mitten unter ihnen.
»Sieh den Kerl an!« sagten alle Hühner.
Und der calcutttische Hahn blies sich so dick auf, wie er konnte und fragte, wer er wäre; die Enten gingen rückwärts und pufften einander: »Rappel Dich! Rappel Dich!« Und der Storch erzählte vom warmen Afrika, von den Pyramiden und vom Strauße, der, einem wilden Pferde gleich, die Wüste durchlaufe; aber die Enten verstanden nicht, was er sagte, und dann pufften sie einander: »Wir sind doch wohl alle derselben Meinung, nämlich, daß er dumm ist!«
»Ja, sicher ist er dumm!« sagte der Truthahn, und dann kollerte er. Da schwieg der Storch und dachte an sein Afrika.
»Das sind herrlich dünne Beine, die Ihr habt!« sagte der Calcuttaer. »Was kostet die Elle davon?«
»Skrat, skrat, skrat!« grinsten alle Enten; aber der Storch that, als ob er es nicht höre.
»Ihr könnt immer mitlachen,« sagte der Calcuttaer zu ihm: »denn es war sehr witzig gesagt! Oder war es Euch vielleicht zu hoch? Ach, ach, er ist nicht vielseitig! Wir wollen interessant unter uns selbst bleiben!« Und dann gluckte er, und die Enten schnatterten: »Gik, gak! Gik gak!« Es war schrecklich, wie sie sich selbst belustigten.
Aber Hjalmar ging nach dem Hühnerhause, öffnete die Thüre, rief den Storch, und der hüpfte zu ihm heraus auf das Verdeck. Nun hatte er ja ausgeruht, und es war als ob er Hjalmar zunickte, ihm zu danken. Darauf entfaltete er seine Schwingen und flog nach den warmen Ländern; aber die Hühner gluckten, die Enten schnatterten, und der calcuttische Hahn wurde feuerroth am Kopfe.
»Morgen werden wir Suppe von Euch kochen!« sagte Hjalmar, und damit erwachte er und lag in seinem leinenen Bette. Es war doch eine sonderbare Reise, die Ole Luk-Oie ihn diese Nacht hatte machen lassen.
Donnerstag.
»Weißt Du was?« sagte Ole Luk-Oie, »werde nur nicht furchtsam! Hier wirst Du eine kleine Maus sehen!« Und dann hielt er seine Hand her mit dem leichten, niedlichen Thiere. »Sie ist gekommen, um Dich zur Hochzeit einzuladen. Hier sind in dieser Nacht zwei kleine Mäuse, die in den Stand der Ehe treten wollen. Sie wohnen unter Deiner Mutter Speisekammerfußboden: das soll eine schöne Wohnung sein!«
»Aber wie kann ich durch das kleine Mauseloch im Fußboden hindurch kommen?« fragte Hjalmar.
»Da laß mich nur sorgen!« sagte Ole Luk-Oie. »Ich werde Dich schon klein machen!« Und nun berührte er Hjalmar mit seiner Zauberspritze, worauf dieser sogleich kleiner und kleiner wurde! zuletzt war er keinen Finger lang. »Nun kannst Du Dir die Kleider des Zinnsoldaten leihen; ich denke, sie werden Dir passen, und es sieht gut aus, Uniform anzuhaben, wenn man in Gesellschaft ist!«
»Ja freilich!« sagte Hjalmar, und war im Augenblick wie der niedlichste Zinnsoldat angekleidet.
»Wollen Sie nicht so gut sein, sich in Ihrer Mutter Fingerhut zu setzen?« sagte die kleine Maus; »dann werde ich die Ehre haben, Sie zu ziehen!«
»Gott, wollen sich das Fräulein selbst bemühen!« sagte Hjalmar; und so fuhren sie zur Mausehochzeit.
Zuerst kamen sie unter dem Fußboden in einen langen Gang, der aber nicht höher war, als daß sie gerade mit dem Fingerhut dort fahren konnten, und der ganze Gang war mit faulem Holze illuminirt.
»Riecht es hier nicht herrlich?« fragte die Maus, die ihn zog. »Der Gang ist mit Speckschwarten geschmiert! Es kann nichts Schöneres geben!«
Nun kamen sie in den Brautsaal hinein. Hier standen zur Rechten alle kleinen Mäuse-Damen; die wisperten und pisperten, als ob sie einander zum Besten hätten. Zur Linken standen alle Mäuse-Herren und strichen sich mit der Pfote den Schnauzbart; mitten in dem Saale aber sah man das Brautpaar; es stand in einer ausgehöhlten Käserinde und küßte sich gar schrecklich viel vor Aller Augen, denn es war Verlobung und es sollte auch gleich Hochzeit sein.
Es kamen immer mehr und mehr Fremde; die eine Maus war nahe daran, die andere todt zu treten, und das Brautpaar hatte sich mitten in die Thüre gestellt, so daß man weder hinaus noch herein gelangen konnte. Die Stube war ebenso wie der Gang mit Speckschwarten eingeschmiert, das war die ganze Bewirthung; aber zum Dessert wurde eine Erbse vorgezeigt, in die eine Maus aus der Familie den Namen des Brautpaares eingebissen hatte, das heißt: den ersten Buchstaben. Das war etwas Außerordentliches!
Alle Mäuse sagten, daß es eine schöne Hochzeit sei, und daß die Unterhaltung sehr angenehm gewesen wäre.
Dann fuhr Hjalmar wieder nach Hause; er war wahrlich in vornehmer Gesellschaft gewesen, aber er hatte auch sehr zusammenkriechen, sich klein machen und Zinnsoldatenuniform anziehen müssen.
Freitag.
»Es ist unglaublich, wie viele ältere Leute es giebt, die mich gar zu gern haben möchten!« sagte Ole Luk-Oie. »Es sind besonders Die, welche etwas Böses verübt haben.« »»Guter, kleiner Ole,«« sagten sie zu mir, »»wir können die Augen nicht schließen, und so liegen wir die ganze Nacht und sehen alle unsere bösen Thaten, die wie kleine häßliche Kobolde auf der Bettstelle sitzen, und uns mit heißem Wasser bespritzen; möchtest Du doch kommen und sie fortjagen, damit wir einen guten Schlaf bekämen;«« dann seufzten sie tief; »»wir möchten es wahrlich gern bezahlen; gute Nacht, Ole! das Geld liegt im Fenster!«« »Aber ich thue es nicht für Geld!« sagte Ole Luk-Oie.
»Was wollen wir nun diese Nacht vornehmen?« fragte Hjalmar.
»Ja, ich weiß nicht, ob Du diese Nacht wieder Lust hast, zur Hochzeit zu gehen; es ist eine andere Art, als die gestrige war. Deiner Schwester große Puppe, die, welche wie ein Mann aussieht und Hermann genannt wird, will sich mit der Puppe Bertha verheirathen. Es ist obendrein der Puppe Geburtstag, und deshalb werden sie sehr viele Geschenke bekommen!«
»Ja, das kenne ich schon,« sagte Hjalmar. »Immer, wenn die Puppen neue Kleider nöthig haben, läßt meine Schwester sie ihren Geburtstag feiern oder Hochzeit halten; das ist sicher schon hundert Mal geschehen!«
»Ja, aber in dieser Nacht ist es die hundertunderste Hochzeit, und wenn Hundertundeins aus ist, dann ist Alles vorbei! Deshalb wird diese so beispiellos schön. Sieh nur einmal!«
Und Hjalmar sah nach dem Tische. Da stand das kleine Papphaus mit Licht in den Fenstern, und draußen davor präsentirten alle Zinnsoldaten das Gewehr. Das Brautpaar saß gedankenvoll, wozu es wohl Ursache hatte, auf dein Fußboden, und lehnte sich gegen das Tischbein. Aber Ole Luk-Oie, in der Großmutter schwarzen Rock gekleidet, traute sie. Als die Trauung vorbei war, stimmten alle Möbeln in der Stube folgenden schönen Gesang an, welcher von dem Bleistift geschrieben war; er ging nach der Melodie des Zapfenstreiches:
Das Lied ertöne wie der Wind;
Dem Brautpaar hoch! das sich verbind't:
Sie prangen Beide steif und blind,
Da sie von Handschuhleder sind!
:,: Hurrah, Hurrah! ob taub und blind,
Wir singen es in Wetter und Wind!«
Und nun bekamen sie Geschenke, aber sie hatten sich alle Speisewaaren verbeten, denn sie hatten an ihrer Liebe genug.
»Wollen wir nun eine Sommerwohnung beziehen oder auf Reisen gehen?« fragte der Bräutigam. Und da wurde die Schwalbe, die viel gereist war, und die alte Hofhenne, welche fünfmal Küchlein ausgebrütet hatte, zu Rathe gezogen. Die Schwalbe erzählte von den herrlichen warmen Ländern, wo die Weintrauben so groß und schwer hingen, wo die Luft so mild sei und die Berge Farben hätten, wie man sie hier nicht an ihnen