was, wenn die Polizei auf dich aufmerksam wird und deinen Ausweis sehen will?«, fragte Tessa hilflos. Selbst gesund fiel es ihr schon schwer, sich gegen ihren sturen Bruder zu behaupten. So krank, wie sie sich jetzt fühlte, war es ein Ding der Unmöglichkeit. »Dann bekommen wir massive Probleme mit dem Jugendamt.«
»Mensch, Tessa, du hast immer so viel Angst. Kein Wunder, dass du keinen Spaß am Leben hast«, schimpfte Anian unwillig. »Ich muss unbedingt auf dieses Festival. Alle aus meiner Klasse gehen hin«, log er in seiner Not. »Wie sieht das denn aus, wenn ich als Einziger nicht darf?« Er schnitt eine Grimasse. »Meine große Schwester hat’s nicht erlaubt!«, zeterte er mit verstellter Stimme und machte ein paar Faxen dazu.
Teresa lachte widerwillig.
»Ach, Anian, mach’s mir doch nicht so schwer«, bat sie leise, als es an der Tür klopfte.
Wie von der Tarantel gebissen sprang der junge Mann auf.
»Wer ist denn das schon wieder? Doch nicht etwa dein Macker?«, fragte er unwillig.
Nur mit Mühe gelang es Teresa, ein Stöhnen zu unterdrücken.
»Mein Macker hat auch einen Namen«, erinnerte sie ihren Bruder ärgerlich. »Marco war den halben Nachmittag bei mir, was ich übrigens sehr nett finde. Und im Übrigen glaube ich nicht, dass er heute noch mal kommt. Irgendwann muss er ja auch mal arbeiten.« Sie wandte den Blick zur Tür. »Herein!«
Die Klinke wurde heruntergedrückt, und Daniel Norden kam ins Zimmer. Freundlich begrüßte er seine Patientin.
»Störe ich?«, fragte er, als er Anian entdeckte.
»Sie doch nicht.« Ein erleichtertes Lächeln huschte über Teresas Gesicht. Sie hoffte, vom Arzt ihres Vertrauens Schützenhilfe zu bekommen. »Ich versuche gerade, meinem Bruder klarzumachen, dass ein Festivalbesuch in seinem Alter ausgeschlossen ist.«
Doch noch ehe Dr. Norden seine Meinung kundtun konnte, stand Anian schon an der Tür.
»Tut mir leid, Schwesterchen, aber ich muss los. Wiedersehen, Doc!« Er winkte den beiden zum Abschied zu und war Sekunden später aus dem Zimmer verschwunden.
Teresa starrte Anian ungläubig nach.
»Irgendwie bin ich ihm immer weniger gewachsen«, seufzte sie und schloss stöhnend die Augen.
Besorgt trat Daniel an ihr Bett. Die hektischen roten Flecken, die auf ihren ansonsten bleichen Wangen blühten, beunruhigten ihn.
»Im Augenblick sollten Sie sich keine Sorgen um Anian machen, sondern sich nur auf sich selbst konzentrieren«, gab er ihr einen wohlmeinenden Rat und legte die Hand prüfend auf ihre Stirn. Augenblicklich sah er seine Befürchtungen bestätigt. »Sie haben Fieber«, bemerkte er und drückte ohne Umschweife auf die Klingel neben dem Bett.
Wenige Augenblicke später quietschten Gummisohlen leise auf dem Flur. Eine Schwester betrat das Zimmer.
»Sie haben geklingelt?«
»Bitte informieren Sie die Kollegin Clement. Sie soll sofort kommen«, gab Dr. Norden unaufgeregt, aber ernst seine Anweisungen.
»Natürlich«, erwiderte die Schwester und war schon auf dem Weg zur Tür, als Daniel sie zurückhielt.
»Ach, und können Sie mir sagen, wo ich hier ein Fieberthermometer finde?«
Lächelnd griff Schwester Anna in die Kitteltasche und kehrte zu ihm zurück.
»Bei mir.« Sie reichte es ihm und machte sich auf den Weg, während sich Daniel Norden wieder zu Teresa wandte.
»39,6 Grad, das ist nicht gerade wenig«, bemerkte er gleich darauf besorgt.
Teresas gerötete Augen wurden groß vor Schreck.
»Was bedeutet das?«
»Das werden wir gleich mit der Kollegin Clement besprechen.« Daniel hatte die Tür gehört und drehte sich zu Paula um, die mit wehendem Kittel hereinkam. »Haben wir schon ein Abstrichergebnis?«, erkundigte er sich, nachdem er sie über Teresas Zustand informiert hatte.
»Nur das Labor.« Dr. Clement schlug die Bettdecke zurück und wickelte den Verband vom Fuß der Patientin. Der Bereich um den großen Zeh war deutlich gerötet und immer noch angeschwollen.
»Die Antibiotika-Gabe zeigt nicht die gewünschte Wirkung«, stellte sie kritisch fest. »Da müssen wir wohl stärkere Geschütze auffahren.«
»Haben Sie einen Resistenztest gemacht?«, erkundigte sich Dr. Norden vorsichtshalber und wurde nicht enttäuscht.
»Natürlich!«, lächelte Paula. »Sie haben es hier mit Profis zu tun«, erinnerte sie ihn an die Tatsachen.
»Nichts anderes habe ich erwartet«, versicherte Daniel. »Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich denke, wir werden die Antibiotika-Gabe noch einmal erhöhen. Außerdem sollten wir ein MRT machen.« Dr. Clement warf einen Blick in die Krankenakte. »Die Entzündungsparameter sind erhöht und die ödematöse Schwellung ist nicht zu übersehen.« Sie deutete auf den rot glänzenden, unförmigen Zeh.
»Müssen Sie noch mal operieren?«, unterbrach Teresa das Gespräch der Ärzte ängstlich.
»Zunächst einmal warten wir das Ergebnis des MRTs ab. Dann sehen wir weiter«, beschwichtigte Dr. Clement ihre ängstliche Patientin. Doch auch in ihrem Gesicht stand deutlich die Sorge geschrieben.
*
Es war nach Mitternacht, als Daniel Norden endlich nach Hause kam. So leise wie möglich stieg er die Treppe hinauf und wollte sich ins Schlafzimmer schleichen, als das Licht aufflammte und Fee sich im Bett aufrichtete. Ihr Haar war zerzaust, und auf ihren Wangen hatte sie Falten vom Kopfkissen. Ein Träger ihres Nachthemdes war ihr von der Schulter gerutscht und gewährte einen tiefen Einblick in ihr verführerisches Dekolleté. Sie war so süß und anziehend, dass Daniel sie am liebsten sofort in seine Arme geschlossen hätte.
»Dan, mein Liebster, wo kommst du denn um diese Uhrzeit her?«, fragte Felicitas mit einem verwirrten Blick auf den Wecker.
»Aus der Klinik.« Gähnend zog Daniel die Tür hinter sich zu und setzte sich auf die Bettkante, um sich auszuziehen.
Fee lehnte sich zurück und sah ihm dabei zu.
»Lass mich raten: Du hast heute eine besonders hübsche Patientin in die Klinik bringen lassen, und sie hat darauf bestanden, dass du ihr beim Einschlafen das Händchen hältst«, scherzte sie verschlafen.
»Viel schlimmer.« Hemd und Hose landeten in hohem Bogen im Wäschekorb, und Daniel schlüpfte unter die Bettdecke zu seiner Frau. Er sehnte sich nach ihrer Wärme und Nähe und zog sie an sich.
»Soso«, murmelte Felicitas und kuschelte sich mit dem Rücken an seine Brust und seinen Bauch. »Dann mal raus mit der Sprache. Worüber muss ich mich morgen früh ärgern?«
»Erst morgen früh?«, fragte Daniel amüsiert und atmete tief ihren warmen Duft ein.
»Jetzt bin ich viel zu müde, um mich noch aufzuregen«, murmelte sie. »Mein Kopf schwirrt vor lauter Definitionen.«
»Mein armer, fleißiger Liebling«, raunte Daniel ihr zu und küsste spielerisch ihr Ohr, sodass sie lachen musste. »Wenn das so ist, will ich dich nicht auf die Folter spannen. Du musst dich nicht ärgern. Ich habe lediglich ein wenig Schicksal gespielt und meiner Kollegin Paula Clement einen Beziehungstipp gegeben.«
Trotz ihrer Müdigkeit wurde Fee nun doch hellhörig.
»Wie bitte?«, fragte sie ungläubig.
»Keine Angst. Sie ist in einer Internet-Partnerbörse angemeldet und hat bis jetzt nur Misserfolge geerntet. Jetzt traut sie ihrer Menschenkenntnis nicht mehr und hat mich deshalb um meine Meinung zu einem Mann gebeten.«
»Und?«, fragte Fee und entspannte sich wieder. »Konntest du ihr helfen?«
»Ich habe ihr zumindest empfohlen, sich mit dem Mann zu treffen. Zufällig