Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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still, Marina, ich nicht weniger.« Er sieht in ein strahlendes Gesicht.

      »Und ausgerechnet jetzt muß ich so gehandicapt sein –«

      Marinas Seele ist leicht geworden, leicht und hell. Sie vermag wieder zu lächeln, es ist ein süßes, bezauberndes Lächeln.

      Sie hebt die Arme, legt sie um seinen Hals und zieht sein Gesicht ein wenig zu sich herab. Ihre Lippen finden sich. Alles schwemmt dieser leidenschaftliche Kuß hinweg, was sie gequält, bedrückt und ruhelos gemacht hat. –

      Just in diesem Augenblick steckt der Professor seinen Kopf zur Tür herein, merkt, daß er völlig überflüssig ist, und zieht die Tür lautlos ins Schloß.

      »Wie die Turteltauben«, murmelt er draußen vor sich hin und geht kopfschüttelnd, ein bißchen Neid im Herzen, in sein Arbeitszimmer. –

      Im Hause Gellert herrscht Freudenstimmung. Gleich als die junge Frau das Haus betritt, erkennt Frau von Reimar, daß das ein von Grund auf verwandelter Mensch ist.

      So glücksverklärt, so fröhlich lachend hat sie noch keiner im Hause gesehen. Marina, die sonst selten Wünsche hat, wirbelt alles durcheinander.

      Alle müssen es wissen: »Morgen kommt der Hausherr zurück.«

      In ihrem Salon fällt sie der ahnungslosen Annemarie um den Hals.

      »Annemarie, meine Liebe. Er liebt mich! Er liebt mich! Ach, ich bin unsagbar glücklich.«

      Sie küßt die Freundin und umarmt sie immer wieder, bis sie erschöpft in den nächsten Sessel sinkt. Freudentränen rollen über ihre Wangen. Sie preßt die Hand auf ihr Herz.

      »Was hast du?« Annemarie kniet besorgt vor ihr nieder.

      »Ich habe mich überfreut, Mie, kennst du diesen Zustand? So erging es mir schon als Kind.«

      »Und nun haben wir Albert nicht einmal in der Klinik besuchen dürfen.«

      Annemarie ist enttäuscht.

      »Morgen kommt Albert heim, Annemarie, stell dir vor, morgen schon. Ach, wir haben viel Arbeit bis dahin. Wie gut, daß du bei mir bist. Wir werden Albert einen Empfang bereiten, als wäre er von den Toten auferstanden.« Sie stockt in ihrer Rede. »Wie hätte ich das nur ertragen sollen, wenn es wirklich der Fall gewesen wäre?« Sie streicht sich über die von Tränen noch nassen Wangen. »Nicht daran denken, Mie, nicht daran denken. Es ist alles gut geworden, so gut, wie ich es mir gewünscht habe.«

      Mit Besorgnis betrachtet Annemarie die Freundin. Sie lacht und weint in einem Atemzug. Sie hat hektisch gerötete Wangen. Ihre Augen glänzen wie im Fieber.

      »Vielleicht ruhst du erst einmal ein wenig, Marina. Du bist ganz durcheinandergeraten. Komm, Liebes.«

      Jetzt kommt die Reaktion bei Marina. Sie hat nur an sich und ihr Glück gedacht und nicht an das Kind, das sie unter dem Herzen trägt. Sie sinkt wie ausgepumpt in ihr Bett und ist schon nach wenigen Minuten eingeschlafen.

      *

      Marina hat den Rest des Tages und die darauffolgende Nacht durchgeschlafen. Abwechselnd haben Annemarie und Frau von Reimar nach ihr gesehen. Sie schläft friedlich. Ihr Atem geht gleichmäßig.

      »Es ist, als würde die gnädige Frau den Schlaf von Wochen nachholen«, sagt Frau von Reimar, als sie Annemarie begegnet, die mit einem Arm voller Blumen die Halle betritt.

      »Das scheint mir auch so«, gibt Annemarie zurück. »Sie hat sich doch etwas zuviel zugemutet. Die Angst um ihren Mann, die täglichen Besuche im Krankenhaus. Dabei ist sie so zart.«

      Sie gehen auseinander, jeder hat bis zur Rückkehr des Hausherrn genügend Arbeit. Alberts Arbeitszimmer zu schmücken überläßt sie Marina. Sie wäre sicher böse, wenn sie es nicht tun dürfte.

      Als Annemarie Marinas Schlafzimmer betritt, sitzt diese im Bett.

      »Annemarie, wie spät haben wir es?«

      Annemarie lacht. »Ja, mein Liebes, beinahe hättest du die Ankunft deines Mannes verschlafen.« Annemarie geht zu den Fenstern, die auf einen Balkon führen und läßt die Vorhänge zur Seite rauschen. Goldenes Sonnenlicht fällt herein. Sie dreht sich Marina zu, die wie von einem Schlag getroffen zurückgesunken ist. »Vielleicht kannst du jetzt die Uhr erkennen?«

      Marina hebt die Uhr, die sie am Handgelenk trägt, vor die Augen.

      »Nein! So spät kann es doch noch nicht sein. Ja, habe ich denn durchgeschlafen?«

      »Hast du, mein Liebes, und wir sind alle froh darüber. Nun kannst du deinen Mann gestärkt an Leib und Seele empfangen.«

      Annemarie läßt ein Bad einlaufen, überhaupt betreut sie die Freundin wie eine Mutter. Marinas Aufregung steigert sich mehr und mehr.

      Das schönste Kleid wählt sie aus, ein Kleid, das in der Farbe wunderbar zu ihren Augen harmoniert, das so vorteilhaft gearbeitet ist, daß man ihren Zustand kaum erkennt. Die schlanken Arme, der zarte, schön modellierte Nacken sind frei.

      Annemarie geht bewundernd um die Freundin herum. »Dich hat unser Herrgott in schönster Sonntagslaune erschaffen, Marina. Noch nie habe ich so viel Harmonie und Schönheit in einem Frauenkörper vereint gesehen.«

      Marina gibt ihr einen kleinen Stoß. »Ach geh, Mie, das ist doch nicht mein Verdienst. Was sollte ich tun, wenn ich eine schiefe Nase hätte und sonst noch einige Mängel? Ich müßte mein Leben auch ertragen.«

      »Das stimmt schon. Aber zu alledem bist du auch noch ein liebenswertes und viel zu bescheidenes Menschenkind. Solange ich dich kenne, bist du dir stets gleichgeblieben. Ach –«, unterbricht Annemarie sich, »ich mache dir hier Komplimente am laufenden Band, dabei hast du noch das Arbeitszimmer deines Mannes zu schmücken.«

      »Schön von dir«, Marina legt schmeichelnd ihre Wange an Annemaries Gesicht. »So darf ich Schlafmütze wenigstens noch etwas zu Alberts Empfang beitragen. Wo sind die Blumen?«

      »Sie liegen nebenan im Salon.«

      Merkwürdig – sinnt Annemarie hinter der Freundin her – sie bekommt gar keinen schwerfälligen Gang. Man hat bei ihr das Gefühl, als schwebe sie. Ihr Blick fällt auf Marinas Füße. Sie sieht die hochhackigen Silbersandalen und ruft ihr nach:

      »Marina, willst du nicht andere Schuhe anziehen?«

      Lachend wendet Marina sich in der Tür zurück. »Heute will ich ganz schön sein, Mie. Morgen bin ich wieder lieb und brav und gehe auf Socken.«

      Annemarie schüttelt den Kopf, lächelt und beginnt aufzuräumen. Sie weiß, Marina hat es nicht gern, wenn das eines der Mädchen tut.

      Marina betritt das Arbeitszimmer des Gatten. Die Fenster sind weit geöffnet. Sie beugt sich hinaus. Direkt unter dem Fenster liegt das Portal. Sie kann die Auffahrt übersehen.

      Sie tritt zurück und beginnt die Blumen in die Vase zu ordnen.

      Annemarie hat tatsächlich die schönsten Blumen ausgewählt, die schönsten Farben. Marina ist mit Feu-ereifer dabei. Dazwischen läuft sie immer wieder ans Fenster, damit sie ja nicht die Ankunft Alberts versäumt.

      Aus der Halle klingt das Lachen des Personals herauf. Ein richtiges Aufgebot, muß Marina belustigt denken. Noch einen Blick wirft sie durch das Zimmer. Alles ist in Ordnung. Sie zupft hier und da ein Blatt.

      Mit einem Ohr lauscht sie zum Fenster hin. Wohl zehnmal ist sie hingelaufen. Aber jetzt taucht der schwarze, chromblitzende Wagen auf, er passiert das Tor.

      Er ist da! Marina preßt vor übermäßiger Freude die Hand auf das wildklopfende Herz, dann kommt Leben in sie. Sie stürzt aus dem Zimmer, den Flur entlang, und als sie auf der Freitreppe auftaucht, betritt gleichzeitig Albert Gellert die Halle.

      Er sieht die geliebte Frau in größter Hast die Stufen herablaufen.

      »Marina!« schreit er warnend. Da ist es bereits zu spät.

      Marinas hochhackiger Schuh hat sich im Läufer verfangen. Sie sucht nach