Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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die er still in sich beschließt.

      Wann hätte einmal ein Albert Gellert einem Menschen Einblick in sein Inneres gewährt?

      »Möchtest du schlafen? Wird dir mein Besuch zuviel?« Da ist sie wieder, diese sanfte Stimme, nach deren Klang er sich sehnt, wenn er wach ist und in seinen unruhigen Träumen.

      »Bleib!« Das klingt wie ein Befehl, und Marina gehorcht. Stundenlang könnte sie in das kühne Gesicht sehen, das nicht mehr diese erschreckende Blässe trägt. Auch die Augen liegen nicht mehr so tief in den Höhlen. Allmählich verwandelt er sich wieder in den Mann von früher. Wenn nicht der Arm in Gips wäre und wenn ihr nicht noch in schrecklicher Erinnerung ist, daß sie einmal halb ohnmächtig vor Angst auf demselben Stuhl gesessen hat, könnte sie an einen bösen Traum glauben.

      »Hast du denn einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann?«

      Beinahe hätte er laut herausgelacht. Einen Wunsch erfüllen! Gerade das, was er sich sehnlichst wünscht – ihre Liebe – wird ewig ein Wunschtraum für ihn bleiben.

      »Danke, nichts.« Das ist kurz und abweisend gesagt, und Marina kriecht förmlich in sich zusammen wie eine Schnecke, die sich in ihr Haus zurückzieht.

      »Würdest du einmal Annemarie und ihren Verlobten empfangen? Sie haben mich gebeten, dich zu fragen.«

      »Annemarie und Konrad.« Er überlegt kurz. Zwei glückliche Menschen. Wird es nicht unerträglich für ihn werden, sie in ihrem Glück zu sehen? Gerade jetzt?

      »Doch«, entscheidet er. »Sie sollen kommen. Es ist mir durchaus angenehm.«

      Marina neigt sich ein wenig zu seinem Bett. »Du siehst abgespannt aus. Strengt dich mein Besuch an!«

      Wieder sagt er das befehlende: »Bleibe.«

      Professor Eickberg steckt den Kopf zur Tür herein.

      »Besuchszeit ist zu Ende.«

      Gehorsam steht Marina auf, nimmt Gellerts Hand und hat den heißen Wunsch, ihr Gesicht in diese Hand zu legen. Versonnenheit liegt über ihren Zügen.

      »Du mußt rasch wieder gesund werden, hörst du? Annemarie und Konrad haben schon einmal ihren Hochzeitstermin verlegt, deinetwegen.« Sie legt seine Hand auf die Decke zurück. Seine hellen Augen ruhen voll auf ihr. »Auf Wiedersehen und weiterhin gute Besserung.«

      Mein Gott, durchfährt es ihn schreckhaft – bald wird Marinas schwere Stunde kommen. Und er soll nicht dabei sein? Er wird sofort den Professor fragen. Jetzt liegt ein weiches Lächeln um seinen ausdrucksvollen Mund und macht seine Züge gelöst.

      Kleines Mütterchen, denkt er voller Liebe. – Nie denkt sie an sich, ihre Sorge gilt ihm. Dabei sieht sie elend aus. Sie gehört ins Bett, sie braucht Pflege.

      Er setzt die Klingel in Bewegung und läutet Sturm.

      *

      Professor Eickberg ist draußen auf und ab gegangen. Als Marina erscheint, geht er ihr geheimnisvoll lächelnd entgegen.

      »Eine gute Nachricht für Sie, gnädige Frau. Morgen nachmittag können wir Ihren Mann entlassen. Den Arm kann er sich auch von seinem Hausarzt auskurieren lassen.«

      Marinas Augen leuchten auf. »Oh, Herr Professor. Weiß das mein Mann schon?«

      Er schüttelt den Kopf. Sie umklammert seinen Arm und bettelt: »Bitte, bitte, Herr Professor, darf ich es ihm sagen, jetzt, sofort?«

      »Sie dürfen«, damit schiebt er sie der Tür zu. Leise tritt Marina ein. Sie sieht sofort, daß er wütend an der Klingel zerrt.

      »Marina –?« Seine Hand fällt herab. Aus großen Augen sieht er ihr entgegen. Er ist ganz fassungslos, daß sie wieder vor ihm steht.

      Marina ist überwältigt von der gu-ten Nachricht. Sie kniet vor seinem Bett nieder.

      »Ach, ich bin so glücklich. Morgen, morgen nachmittag darfst du die Klinik verlassen. Soeben hat der Professor es mir mitgeteilt.«

      Er ist bestürzt. Er sieht ihr feines, vor Freude gerötetes Gesichtchen dicht vor sich.

      »Du – du freust dich darüber?«

      Sie legt ihren Kopf auf die Decke, sie weint lautlos.

      »Sag mir ein Wort, Marina, sag mir, daß du dich freust. Warum freust du dich?«

      Ihr Kopf ruckt empor. »Ja, ja, ja, ich freue mich wahnsinnig, denn – denn ich – liebe dich!«

      Ihr Kopf ist wieder auf die Decke gesunken. Sie weint lautlos weiter. Nun ist es heraus, das Geständnis ihrer Liebe, das sie nicht länger mit sich herumtragen kann.

      Ihm ist wundersam zumute. Noch kann er es nicht fassen. Marina liebt ihn? Herrgott, Marina liebt ihn!

      Langsam tastet seine Hand vor. Auf ihrem Kopf bleibt sie liegen. Marina geht es wie ein glühender Strom durch den Körper. Sie vermag sich nicht zu rühren. Sie hatte geglaubt, er würde sie auslachen. Er liebkost ihr Haar, dieses lange, schwere Haar mit den goldenen Lichtern, die aufleuchten, sobald die Sonne darauf liegt.

      Immer dichter zieht er sie zu sich heran, bis sie an seinem Herzen ruht.

      »Marina«, flüstert er an ihrem Ohr. »Ist das wahr? Liebst du mich?«

      Ein wenig legt sie den Kopf in den Nacken, damit sie ihm in die Augen sehen kann. Über ihre Wangen tropfen Tränen des Glücks.

      »Ich – ich hab dich schon immer geliebt. Damals begann es, im Konzertsaal.«

      Er preßt sie inniger an sich. »Ja, damals begann es im Konzertsaal«, wiederholt er ergriffen ihre Worte. »Und das Lied wurde uns zum Schicksal, Marinal«

      Er zwingt sie, ihm in die Augen zu sehen, sekundenlang versinkt er in diesen Augen, die er bei sich nur die »Märchenaugen« genannt hat. »Weißt du auch, daß du wirklich die Welt für mich bist? Erfolge, Ehrungen, Reichtum, Macht, was wären sie mir ohne dich und deine Liebe?«

      Marina erzittert. Sie glaubt, ihr Herz müsse stehenbleiben. Er liebt sie! Er liebt sie!

      Ein Laut wie ein Aufjauchzen entringt sich ihren Lippen. Ihre Lider senken sich. Sie ruht wieder an seinem Herzen, spürt den raschen Schlag und denkt voll Seligkeit: Dieses Herz schlägt für mich, nur für mich. Nichts gibt es mehr in der Welt, was ich mir noch wünschen könnte.

      Sie fragt auch nicht, wie es gekommen ist, daß sich sein Herz ihr erschlossen hat und seit wann er sie liebt. Als hätte er ihre Gedanken erraten, hört sie ihn leise sprechen:

      »Damals im Konzertsaal, Marina, da begann ich dich bereits zu lieben. Es war eine Qual für mich, als ich bemerkte, wie Günther sich um dich bemühte, wie ihr Kameraden wurdet. Ich mußte damals meinem Sohn weichen. Ich glaubte ja, du liebtest ihn.«

      »Ich habe immer nur dich geliebt, von Anfang an. Günther war nur ein guter Kamerad.« Plötzlich aber schreckt sie aus seiner Umarmung hoch. Ihre Augen sind schreckhaft geweitet. »Du – du glaubst doch nicht, daß mein Herz Günther gehört hat? Wann hast du mich in dem Glauben gelassen, du nähmst mich nur zur Frau, damit das zu erwartende Kind den Namen Gellert trägt?«

      Er drückt sie wieder an sich und spielt mit einer ihrer Locken.

      »Ein Ertrinkender hascht nach dem Strohhalm. Für mich hieß dieser Strohhalm Marina. So konnte ich dich mit einem zwingenden Grund zu meiner Frau machen, eben wegen des Kindes.«

      Er läßt eine Pause eintreten, und sie lauscht atemlos, ais er fortfährt: »Ein einziger Mensch, vielleicht sogar zwei, wissen, daß ich dich aus Liebe zu meiner Frau gemacht habe. Sie mußte mir ihr Ehrenwort geben, dir gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Wie ich merkte, hat sie ihr Wort gehalten. Nun bin ich Annemarie doppelt dank-

      bar –.«

      Sie fährt etwas zurück.

      »Annemarie?«

      »Ja, Annemarie, und ich nehme an, Doktor Hartmann weiß es auch. Heute ist es mir lieb. Nicht genug Zeugen