Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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Martin?«

      »Und wenn es so wäre?« Mit einer heftigen Bewegung drückt sie ihre Zigarette in der Aschenschale aus und springt auf. »Wolf, ich liebe dich.« Ihre Stimme ist weich und lockend, und sie ist gefährlich schön und sich ihrer Schönheit voll bewußt. »Jetzt, da alle Hindernisse beseitigt sind und ich reich bin, sehr reich sogar.«

      »Hör auf«, sagt er grob und erhebt sich ebenfalls. Ihr erregter Atem, ihr schweres Parfüm streifen ihn. »Ich liebe dich längst nicht mehr und dein Geld schon gar nicht. Es ist besser, du gehst, ehe ich vergesse, daß du eine Frau bist.«

      »Wolf!« Langsam füllen sich ihre Augen mit Tränen. Aber sie rühren ihn nicht. Ihn würgt der Ekel.

      »Geh, bitte, geh«, preßt er hervor. »Zwischen uns liegen Welten, die uns voneinander trennen.«

      Hochaufgerichtet, mit blitzenden Augen steht er vor ihr, und nie hat sie ihn mehr geliebt als in diesem Augenblick, da sie sich so sehr vor ihm demütigt.

      »Wolf!«

      »Es ist mein letztes Wort.« Das klingt endgültig.

      Sie läßt den Schleier über das verweinte Gesicht gleiten. »Wie du willst, Wolf«, hört er sie mit tonloser Stimme sagen. »Hoffentlich spürst du es nicht einmal am eigenen Leib, was es heißt, zu lieben und die Liebe mit Füßen zu treten.«

      Er hört, wie die Haustür krachend ins Schloß fällt, und geht langsam in sein Schlafzimmer hinüber. Mit wenigen Minuten Verspätung trifft er im Krankenhaus ein, wo bereits Doktor Sanders, zur Visite bereit, auf ihn wartet.

      Es ist den beiden Ärzten zu einer lieben Gewohnheit geworden, um

      diese Zeit noch einmal durch die

      Krankenzimmer und Säle zu ge-

      hen, sich davon zu überzeugen, daß alles in Ordnung ist, daß die Schwe-

      stern ihre Posten für die Nachtwache bezogen haben und keiner der Kranken mit Sonderanliegen vergessen wird.

      Eine Stunde später kehren sie in das Ärztezimmer zurück.

      Wohltuende Ruhe macht sich in dem großen Haus breit.

      Im Ärztezimmer brennt die Stehlampe und wirft einen Kreis warmen Lichtes in den Raum.

      *

      Christiana ist, erregt bis in die Fingerspitzen, in ihr Haus zurückgefahren. Sie hat den Wagen dem Chauffeur überlassen und eilt ins Haus.

      Unschlüssig verharrt sie in ihrem Wohnzimmer, entzündet sich eine Zigarette und beginnt eine ruhelose Wanderung. Immer vom Fenster zur Tür und umgekehrt.

      Schließlich kommt ihr ein Gedanke, dem sie sofort nachgeht. Sie verläßt ihr Zimmer, schlendert den Flur hinunter und sucht den linken Flügel der Villa auf, wo Martin seine Zimmer hat.

      Bei ihrem Eintritt erhebt sich eine Frau aus einem Sessel.

      »Guten Abend«, grüßt Christiana. »Ich wußte nicht, daß mein Bruder Besuch hat. Ich bin Christiana Stücker.«

      Oberschwester Magda ringt mühsam um Fassung. »Ich weiß«, erwidert sie leise. »Ich sah Sie damals im Krankenhaus, nachdem Ihr Gatte…«

      Sie verstummt, und Christiana betrachtet sie neugierig. Dann macht sie eine einladende Handbewegung. »Nehmen Sie doch wieder Platz, bitte«, sagt sie äußerst freundlich. Suchend blickt sie sich um. »Wo steckt denn mein Bruder?«

      »Ich – ich erwarte ihn.« Magda nimmt auf der äußersten Kante des Sessels Platz. Sie errötet unter den prüfenden Blicken der eleganten Frau.

      Hm! überlegt Christiana. Wie kommt Martin zu einer so wenig hübschen Frau? Er, der bisher nur die schönsten und begehrenswertesten Frauen um sich zu versammeln pflegte? Auf einmal weiß sie, wer diese Frau ist.

      »Sind Sie nicht die Oberschwester, die damals bei der Operation meines Mannes dabei war?«

      Magda nickt. »Die bin ich.« Krampfhaft sucht sie nach einer glaubwürdigen Erklärung ihres Besuches in Martin Freytags Zimmer. Aber ihr will nichts einfallen.

      »Sie sind mit meinem Bruder – befreundet?« Christiana hat die Situation längst durchschaut. Ob Martin sich in dieser Schwester eine Stütze herangebildet hat?

      Es muß tiefere Gründe haben, überlegt sie. Laut sagt sie sehr höflich: »Darf ich Ihnen eine Erfrischung schicken? Sie werden doch sicherlich auf meinen Bruder warten wollen.«

      »Allerdings, das wollte ich. Wenn ich um eine Zigarette bitten dürfte?«

      Christiana hantiert im Zimmer herum, findet Zigaretten und Feuerzeug und stellt beides vor Magda auf den fahrbaren Servierwagen.

      »Danke.« Zaghaft greift Magda zu der dargebotenen Zigarette und meint dann: »Sicher wundern Sie sich, mich hier zu sehen. Ich gebe zu, daß es etwas außergewöhnlich ist .«

      »Aber keineswegs«, lacht Christiana entwaffnend. Es macht ihr Spaß, die nicht sehr gewandte Frau in die Enge zu treiben. »Wir kümmern uns wenig umeinander. Jeder kann tun und lassen, was er will. Wenn Sie hier auf Martin warten, wird es wohl seinen Grund haben. Stimmt es?«

      »Er – er hat mich zu sich bestellt«, erklärt Magda unsicher. Sie weiß nicht, inwieweit sie dieser Frau vertrauen kann.

      »Sind Sie oft – außerberuflich mit meinem Bruder zusammen?« fährt Christiana mit ihrem Verhör fort.

      »In letzter Zeit – ja!« Magda stößt es nunmehr trotzig hervor.

      »Soso«, macht Christiana, drückt langsam ihre Zigarette aus und erhebt sich. »Ich will Sie nicht länger belästigen. Sie werden bestimmt warten wollen. Aber eine Erfrischung lasse ich Ihnen doch bringen.«

      Sie reicht Magda die Hand. »Ich hoffe, wir sehen uns einmal in Gesellschaft meines Bruders wieder.«

      »Wenn Mar – wenn Ihr Bruder es will«, stammelt Magda verwirrter denn je und sieht der hochgewachsenen, schönen Frau nach.

      Ein paar Minuten später erscheint ein Hausmädchen, freundlich und adrett gekleidet.

      Sie deckt vor Magda einen Tisch mit Mokka, einer silbernen Schale Gebäck, einer Flasche Likör und einem feingeschliffenen Glas.

      »Danke«, sagt Magda und ist froh, als sie wieder allein ist.

      Sie hat das unangenehme Gefühl, daß sie lange warten muß. Hat Martin ihre Verabredung vergessen? Ist er im Krankenhaus aufgehalten worden? Oder will er ihr absichtlich aus dem Wege gehen nach der heftigen Auseinandersetzung?

      Die Stunden fließen dahin. Sie weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, seitdem sie diesen Raum betreten hat. Sie fährt aus einem kurzen Dämmerschlaf auf, als die Tür aufgerissen wird und Doktor Freytag auf der Schwelle steht.

      Als er sie im Schein der Stehlampe entdeckt, verzieht sich sein eben noch heiteres Gesicht. Finster kommt er näher. Vor diesem Mann fürchtet Magda sich plötzlich.

      Hinter Doktor Freytag taucht ein Frauenantlitz auf, fröhlich, strahlend, von wirren, schwarzlockigen Haaren umgeben.

      Ein greller, spitzer Schrei löst sich von Magdas Lippen.

      Während sie in banger Erwartung hier gesessen hat, amüsierte sich Martin mit der jungen Schwester Anita?

      »Martin«, murmelt sie, dann sinkt ihr Kopf zur Seite. Barmherzige Stille ist um sie, und das Dunkel, in das sie versunken ist, löscht alle quälenden Gedanken aus.

      Anita drängt sich in den Vordergrund, erkennt die Oberschwester und preßt die Hand an den Mund. Jetzt ist sie ganz nüchtern.

      »Martin«, schreit sie auf und kniet neben der ohnmächtigen Frau. »Hilf mir doch, ich bitte dich.« Anitas Herz schlägt voll Angst und Mitleid wie ein Hammer in der Brust.

      Aber Martin rührt sich nicht. Er hat es sich so nett ausgemalt, mit der temperamentvollen Anita allein zu sein, und nun macht Magda ihm einen Strich durch die Rechnung.