Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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aber nicht aus Gründen, die Sie mir eben klarzumachen versuchten. Ich möchte lediglich den Mann kennenlernen, der eine solche Tochter wie Sie hat, zu der ich nicht einmal besonders liebenswürdig war und die sich dennoch über das gewöhnliche Maß hinaus für mich einsetzt. Nur zur Kenntnisnahme: Ich weiche nicht, Fräulein Doktor Sanders, denn ich fühle mich im Falle Stücker keinesfalls schuldig.« Er hebt sein Glas empor und hält es, indem er mit dem Auge blinzelt, gegen das Licht. »Wann wollen wir fahren? Ich habe einige Stunden Freizeit vor mir.«

      »Wenn Sie wollen – sofort!« Sie schiebt das gefüllte Glas zur Seite und erhebt sich. »Vorher werde ich mit meinem Vater telefonieren, denn er ist viel unterwegs. Kann ich das von hier aus tun?« fragt sie, und er nickt, setzt sein Glas ab und stellt die Verbindung mit dem Amt her.

      »Bitte«, sagt er und reicht ihr den Hörer.

      Als er jetzt ihre dunkle, wohltuende Stimme vernimmt, richtet er sich unwillkürlich in die Höhe.

      Ihr ganzes Gesicht hat sich verändert. Es sieht unsagbar jung und reizend aus.

      »Schön, Papa«, hört er sie sagen. »Wir sind in spätestens einer Stunde bei dir. Grüß Martha und richte ihr aus, wir laden uns zu Kaffee und Abendessen ein. Schluß, Paps!«

      Als sie sich ihm zuwendet, ist sie eine völlig verwandelte Frau. Ernst, herb, wie er sie bisher gekannt hat. Ärger regt sich in ihm. Warum zeigt sie ihm gegenüber ein anderes Gesicht? Zugleich gibt er sich die Antwort selbst darauf. Sie sieht in ihm eben nur den Vorgesetzten, den Kollegen. Ein Gefühl beherrscht ihn, über das er sich nicht recht klar wird, das ihn aber beunruhigt.

      »Wenn es Ihnen recht ist, können wir losfahren, Herr Doktor«, reißt ihn die dunkle Stimme Sybillas aus seinen Überlegungen.

      Im Nu steht er auf den Beinen.

      »Gewiß, im Augenblick bin ich fertig. Wir nehmen natürlich meinen Wa-gen.«

      Ein klein wenig zuckt es um ihren Mund. »Ich konnte mir denken, daß Sie das Steuer nicht aus der Hand geben wollen.«

      Er sucht nach Spott, aber ihr Blick ist ruhig und gelassen wie immer.

      »So dürfen Sie das nicht auffassen«, glaubt er sich irgendwie herausreden zu müssen. »Ist es nicht angenehm, einmal andere für sich handeln zu lassen?«

      Sie sieht ihn ganz verwirrt an. Noch nie hat er persönliche Dinge berührt. »Bis jetzt habe ich immer noch für mich allein handeln und denken müssen.«

      »Dann wird es eigentlich Zeit, daß sich jemand Ihrer annimmt«, bemerkt er, in eine plötzlich heitere Stimmung versetzt.

      Sofort wird ihr Gesicht verschlossen. »Ich sagte doch eben, ich bin es gewöhnt, für mich allein zu han-

      deln .«

      »Und – Sie erlauben sich, sich für mich einzusetzen?« unterbricht er sie ärgerlich. »Würden Sie wohl die Güte haben, mir zu erklären, was Sie sich dabei gedacht haben?« Seine Stimme ist mit Ironie getränkt.

      Alles mache ich falsch – denkt sie verzweifelt – nun habe – ich ihn kopfscheu gemacht. Lieber Gott! Ich will doch nur sein Gutes! Aber ich habe nicht mit seinem unbändigen Stolz gerechnet. Er ist und bleibt ein Herrenmensch.

      »Na«, bohrt er weiter, »weshalb reden Sie nicht?«

      »Gesprochen haben wir genug«, sagt sie, der Trotz steigt wie eine heiße Welle in ihr empor. »Ich denke, wir fahren lieber!«

      Schweigend gehen sie nebeneinander her.

      Auch im Wagen sprechen sie nicht. Bis es ihm auffällt und er sie bittet: »Würden Sie mir eine Zigarette entzünden? Im Handschuhkasten finden Sie die Schachtel. Anzünder ist neben der Blumenvase.«

      Gehorsam wie ein folgsames Kind erfüllt sie seinen Wunsch. Er läßt sich die Zigarette sogar in den Mund schieben.

      »Und Sie?« wundert er sich.

      »Danke, jetzt mag ich nicht rauchen«, lehnt sie hochmütig ab.

      Er wirft ihr einen schnellen Seitenblick zu, dann sieht er wieder starr auf die Fahrbahn. Er kennt diesen verschlossenen Ausdruck an ihr. Da ist es besser, er schweigt. Und er hätte sie so gern noch einmal mit diesem reizenden, fröhlichen Ausdruck in den feinen Zügen gesehen.

      Ich bin ein Tölpel – denkt er und ärgert sich über sich selbst. »Mit Frauen kann ich nicht umgehen«, kleidet er seine Gedanken in Worte.

      Sie fährt etwas zusammen. »Das möchte ich nicht unterschreiben«, erwidert sie, ohne den Blick von der Landstraße zu wenden, die sie bereits erreicht haben. »Sie verstehen sehr gut, mit Ihren Patientinnen umzugehen.«

      »Das habe ich auch nicht gemeint.«

      Sie wird glühend rot. Aber das sieht er nicht. Seine Aufmerksamkeit gilt dem Fahren.

      Sybilla ist erleichtert, als vor ihnen das Haus ihres Vaters auftaucht.

      »Wir sind am Ziel«, sagt sie, und er bringt den Wagen zum Halten. »Ich sehe meinen Vater schon im Garten.«

      Doktor Romberg ist sichtlich beeindruckt von der Erscheinung Dr. Sanders, der ihn in gemessener Art willkommen heißt. Seine hellen Augen, in deren Winkeln der Schalk sitzt, sind forschend auf den jungen Kollegen gerichtet. Was er sieht, scheint ihn zufriedenzustellen.

      »Darf ich zum Kaffee bitten«, bemerkt er mit einer höflichen Bewegung zur Veranda hin, nachdem er Sybilla leicht auf die Wange geküßt hat. »Martha wartet schon voll Ungeduld.«

      Mit einem leichten Lächeln bemerkt Romberg, wie die rundliche Haushälterin Sybilla in die Arme nimmt und herzt und küßt und wie die junge Ärztin hier nichts anderes als die Tochter des Hauses ist.

      Nachdem sie sich aus Marthas Armen befreit hat, bemerkt sie das Lächeln um Doktor Rombergs Mund, und sie ärgert sich darüber.

      Für ihn will sie nichts anderes als die sachliche Kollegin sein.

      Gemeinsam lassen sie sich am

      hübsch gedeckten Kaffeetisch nieder.

      Doktor Romberg läßt die Atmo-sphäre des Hauses voll auf sich wirken. Sie ist voll Wärme und Behaglichkeit. Dabei entgeht ihm nicht, daß der alte Medizinalrat Sanders ihn scharf beobachtet und sein Urteil über seine Person längst fertig ist.

      Er wartet mit innerer Spannung auf den Augenblick, da der alte sympathische Mann auf den Kernpunkt seines Besuches zu sprechen kommt.

      *

      »Ist Oberschwester Magda hier?« Doktor Freytag steckt seinen Kopf zur Tür herein.

      Am Tisch sitzt Schwester Anita. Sie wendet sich halb um. »Sehen Sie sie irgendwo?« gibt sie schnippisch zurück.

      Von diesem Ton betroffen, kommt er näher. »Was ist denn mit Ihnen los?« fragt er und stützt sich auf die Tischkante. Ihre dunklen Augen – groß wie Kirschen, muß er denken – funkeln ihn an. Das krause Haar läßt sich selbst unter der Schwesternhaube nicht bändigen.

      »Dasselbe möchte ich Sie fragen.«

      »Mich? Warum denn?«

      »Weil Sie aussehen wie Braunbier mit Spucke«, gibt sie ihm kurz zur Antwort.

      In jedem anderen Falle hätte er herzlich gelacht, doch augenblicklich ist ihm nicht nach Lachen zumute.

      »Was fällt Ihnen eigentlich ein«, erbost er sich.

      Sie blickt ihn groß und furchtlos an. Sie hat eine heillose Wut auf diesen jungen Arzt, der hinter der Oberschwester wie ein Hündchen her ist, dabei sieht er nicht, daß es auch junge, hübsche Schwestern gibt, die viel, sehr viel sogar, für ihn übrig haben. Sie hat ihn so gern, und er übersieht sie völlig.

      »Na?« macht er sich bemerkbar, weil er ihren Blick als unbehaglich empfindet.

      »Gucken Sie doch mal in den Spiegel, der sagt Ihnen die Wahrheit, genau wie ich«, erwidert sie und macht sich wieder über ihre Schreibarbeit.