Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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Professor Becker scheint das Vertrauen zu seinem Oberarzt verloren zu haben. Mein Gott! Was soll daraus werden? Sie hat deutlich die Spannung während der Operation gespürt, auch die eiserne Beherrschung, die Romberg geübt hat.

      Was wird werden, wenn seine Nerven einmal versagen?

      Sie verlassen gemeinsam den Waschraum, und als sie jetzt das Ärztezimmer betreten, ist es leer. Anscheinend hält sich Professor Becker in seinem Zimmer auf.

      Romberg durchmißt den Raum; reißt den Vorhang zur Seite und öffnet das Fenster. In tiefen Zügen atmet er die Nachtluft.

      »Es ist doch Mißtrauen«, stößt er heftig hervor und dreht sich gleichzeitig Sybilla zu, die aus großen Augen zu ihm aufsieht. »Jetzt könnte ich einen guten Rat von Ihnen brauchen, Doktor Sanders. Sie müssen es doch auch gespürt haben.«

      Sybilla schluckt ein paarmal heftig. »Einen guten Rat«, wiederholt sie und nickt eifrig. »Ich würde mit dem Professor sprechen.«

      Langsam kommt er auf sie zu und legt seine Hände auf ihre Schultern. Sie spürt seinen Atem, zieht den diskreten Duft in sich ein, der von ihm ausströmt. Sie beginnt leicht zu zittern. Nicht einmal die Krankenhausluft stört sie, die seinen Händen anhaftet. Alles was von ihm kommt, empfindet sie schön und erregend und merkwürdig. Romberg empfindet im gleichen Augenblick dasselbe von ihr. Ihre Nähe erregt und verwirrt ihn. Noch mehr der Blick ihrer schönen, jetzt traurigen Augen.

      Mit aller Gewalt unterdrückt er den Wunsch, sie fest an sich zu ziehen, seinen Kopf auf ihr Haar zu legen. Alles, was er eben noch sagen wollte, scheint er vergessen zu haben.

      Er hält sie ein wenig von sich ab. »Warum tragen Sie eigentlich diese häßliche, unkleidsame Frisur? Sie haben selten schönes Haar.«

      Ihre Augen weiten sich vor Staunen, und dann gleitet ein Lächeln über ihren schöngeschwungenen Mund, das sich immer mehr vertieft, bis es sich zu einem warmen Lachen,von ihren Lippen löst.

      Gottlob – die wahnsinnige Spannung ist zerrissen – muß sie denken, und sie lacht noch einmal auf, dunkel und freudig, so daß er verblüfft ist.

      »Mein Gott«, sagt er, seinen Ärger unterdrückend, »was gibt es dabei zu lachen?«

      »Ich freue mich, daß ich es bin, die Sie von Ihren finsteren Gedanken abgelenkt hat – und wenn es sich um meine unkleidsamen Haare handelt und ich somit der simple Blitzableiter bin. Wenn es Sie beruhigt, werde ich in meiner nächsten Freizeit einen Friseur aufsuchen und mich schön machen lassen.«

      »Ja – das sollten Sie tun«, erwidert er und läßt sie brüsk los. Er nagt an seiner Unterlippe, wie stets, wenn er unschlüssig ist. »Und was meinen Sie, Doktor Sanders, sollte ich den Herrn Professor fragen? Fragen, was er gegen mich hat und mich mit einer nichtssagenden Höflichkeit abwimmeln lassen?«

      »Vielleicht wartet Professor Becker sogar auf Ihren Besuch?«

      »Woraus schließen Sie das?« Spannung liegt hinter seinen Worten.

      Sie zuckt mit der Achsel. »Ich weiß nicht, ein Gefühl, nichts sonst.«

      Er beginnt eine ruhelose Wanderung durch das Zimmer, von ihren vor Erregung verdunkelten Augen verfolgt. Ausgerechnet in dieser Stunde, da er sein ganzes Denken auf den unhaltbaren Zustand konzentriert, muß er persönliche Dinge berühren. Ja, ihr kommt es vor, als sei eine Wand vor ihnen zusammengebrochen.

      Er fragt sie um Rat. Er bemerkt ihre Person und hat damit einen menschlichen Ton angeschlagen. Ja, er hat ihr sogar ein Kompliment über ihr Haar gemacht.

      Aber sie versucht unter allen Umständen, das glückhaft schlagende Herz zur Ruhe zu zwingen. Jetzt geht es nicht um sie und ihre Liebe zu ihm. Jetzt geht es um ihn und seine schwer-erarbeitete Existenz.

      Sie muß ihm helfen! Aber wie? Die Gedanken hetzen hinter ihrer Stirn. Sie ist ratlos wie noch nie, aber sie verfolgt jede Bewegung Doktor Rombergs mit Unruhe.

      Als er sich mutlos in einen der Sessel wirft, kommt Leben in sie. »Mir kommt ein Gedanke«, stößt sie erregt hervor. »Bitte, warten Sie hier.«

      Ehe er noch weiter fragen kann, hat sie schon die Tür hinter sich ins Schloß gleiten lassen. – Doktor Sybilla Sanders versucht auf dem Weg zu Professor Beckers Zimmer ganz ruhig zu werden. Sie legt sich alles zurecht, was sie ihm sagen will, und als sie endlich vor dem Chef steht, weiß sie kein einziges Wort mehr.

      »Nun, Doktor Sanders?« Professor Becker legt die Fachzeitschrift aus der Hand, in der er soeben gelesen hat, und weist mit einer einladenden Geste auf den Sessel ihm gegenüber. »Etwas Besonderes los?«

      Wie ein gehorsames Kind nimmt sie Platz. Mit einigem Erstaunen bemerkt er, wie sie ihre schmalen, wohlgeformten Hände im Schoß knetet. Sie muß sehr aufgeregt sein, die immer gelassene Ärztin, auf die er große Stücke hält.

      Wenn er auch mit Lob sparsam umgeht, er weiß genau, auf wen er sich verlassen kann und was er von seinen einzelnen Untergebenen zu erwarten hat.

      »Nun?« ermuntert er sie nochmals, da sie krampfhaft nach einem passenden Anfang sucht.

      Jetzt kommt ihr ihr übereiltes Handeln kindisch vor. Er wird sie auslachen und mit ein paar höflichen Redensarten gehen lassen.

      Aber es geht nicht um sie, es geht um den Mann, den sie liebt.

      »Was haben Sie eigentlich gegen Doktor Romberg?« stößt sie mit unsicherer Stimme hervor und erschrickt, als sie es über die Lippen gebracht hat. Gleich wird er sie heftig zurechtweisen. Doch das Gegenteil geschieht.

      Er nimmt seine Brille ab, holt aus der Brusttasche ein seidenes Tuch und beginnt die Gläser blank zu reiben.

      »Gegen Doktor Romberg?« sagt er gedehnt, setzt seine Brille wieder auf die Nase und betrachtet sie eingehend. »Gott, was soll ich haben.« Er zögert und fährt dann bedächtig fort: »Ich weiß es selbst nicht recht. Etwas steht zwischen uns, das ich nicht recht zu ergründen vermag. Doktor Romberg hat sich irgendwie verändert.«

      »Oder Sie – Herr Professor!« fällt sie ihm impulsiv in die Rede. Er zieht die Augenbrauen empor und bekommt dadurch ein hochmütiges Aussehen. Aber nun ist es schon gleich, was er von ihr denkt – überlegt sie.

      »Sind Sie eine so scharfe Beobachterin – oder wollen Sie Doktor Romberg in Schutz nehmen?«

      »Gegen was – oder gegen wen?« fragt sie mit angehaltenem Atem zurück.

      Keinen Blick läßt der Professor von dem schmalen Gesicht der jungen Ärztin. Was er aus ihren glänzenden Augen liest, ist mehr als kollegiale Anteilnahme.

      »Tja«, bemerkt er versonnen, »ich denke da an die Sache Stücker.«

      »Was hat das mit Ihnen und Doktor Romberg zu tun?« wirft sie hastig in seine Rede.

      »Ich überlege mir, ob Romberg die nötige Sorgfalt hat walten lassen.«

      »Herr Professor!« Sybilla steht im Nu auf den Beinen und in beinahe kampfbereiter Haltung vor dem Professor. »Ich war bei der Operation dabei. Doktor Romberg hat alles Menschenmögliche getan. Was werfen Sie ihm vor?«

      »Bitte, nehmen Sie wieder Platz«, Becker macht eine kurze Handbewegung, und Sybilla setzt sich wieder.

      »Waren Sie bei beiden Operationen dabei?«

      Sie wird verwirrt und schüttelt den Kopf. »Nur bei der ersten. Bei der zweiten hatte Doktor Müller Dienst.«

      »Doktor Romberg hätte sich das Röntgenbild genau ansehen müssen, dann wäre ihm der Milzriß nicht entgangen.«

      Sybilla macht eine fahrige Handbewegung. »Ich kann beschwören, daß das Röntgenbild, das Romberg vor der ersten Operation gezeigt wurde, keinen Milzriß aufwies. Außerdem hätten wir schon äußerlich die Symptome feststellen können.«

      Ein Schreck zuckt ihr zum Herzen. Hat sie auch die Wahrheit gesagt? Hat Doktor Romberg sich nicht nur für den Schädelbasisbruch interessiert? Aber das Röntgenbild hat er genau studiert.

      Der