Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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lacht leise, unterdrückt, gibt sich ganz den Anschein völliger Ahnungslosigkeit. »Ach so, das sogenannte schlechte Gewissen. Nun, wie du

      siehst, hat Oberschwester Magda dein schlechtes Benehmen ganz gut überstanden. Übrigens, gleich ist es sechs Uhr. Der Oberarzt kann sehr unangenehm werden, wenn man nicht pünktlich seinen Dienst antritt. Ich werde dich bis in die Chirurgische Abteilung begleiten.« Und zu Magda gewandt, erklärt sie: »Ich hole Ihnen etwas Tee und Toast. Das wird Ihnen gut bekommen.«

      Wütend, aber Anitas Energie nicht gewachsen, geht er mit ihr davon. Draußen faßt er sie am Arm.

      »Anita, du kennst mein Verhältnis zu Magda«, erklärt er ihr flüsternd, denn auf den Gängen setzt der morgendliche Betrieb ein. »Bist du deshalb fortgelaufen? Ich glaube, dir einige Erklärungen schuldig zu sein.«

      »Aber nicht doch«, wehrt sie leicht ab und hängt sich sogar in seinen Arm. »Was dich mit Magda verbindet, ist doch sicherlich etwas ganz anderes, als was du für mich empfindest. Oder?«

      »Natürlich, ich habe es dir bereits gesagt und das ist die Wahrheit«, beteuert er, dabei hat er die elektrische Uhr im Auge. Er befindet sich in einem scheußlichen Zustand. Magda hat ihm die kalte Schulter gezeigt, und mit Anita darf er es nicht verderben. Ganz langsam muß er sie dahinbringen, wohin er sie haben will. Ob es ihm aber bei ihr gelingen wird? Teufel nochmal – denkt er, und seine Gedanken verwirren sich. Eine einzige Ampulle könnte ihn jetzt retten. Warum hat Anita ihn so einfach von Magdas Bett weggelotst?

      In wenigen Minuten muß er seinen Dienst antreten, und er fühlt sich dazu außerstande.

      Er wischt sich mit der Hand über die Stirn, auf der kleine Schweißtropfen stehen. Anita bemerkt es nach einem schnellen Seitenblick.

      »Wer vertritt heute die Oberschwester?« ringt er sich die Frage ab. Er spürt selbst, wie unsicher seine Stimme klingt.

      »Ich«, erwidert sie kurz. »Ich bringe nur schnell der Oberschwester ein leichtes Frühstück. Dann bin ich zur Stelle.«

      Vor der Treppe, die zur Küche führt, trennen sie sich und unsicheren Schrittes geht er weiter.

      Er fühlt sich nicht mehr wohl. Über-all spürt er Verrat und scharfe Beobachtung. Magda – denkt er – sie muß mir helfen! Sie muß!

      Wenig später läßt er sich von Doktor Romberg über die eingelieferten Fälle unterrichten und nimmt dessen Anordnungen entgegen. Alles dauert ihm viel zu lange. Seine Hände zittern. Er steckt sie tief in die Taschen seines Kittels.

      Erst als sich die Tür hinter den beiden Ärzten geschlossen hat, atmet er auf.

      Nichts hat mehr Interesse für ihn. Kein Patient, kein Doktor Müller, der heute mit ihm Dienst tut. Er grübelt nur darüber nach, wie er in den Besitz des Giftes gelangen kann.

      Magda – Anita – immer wieder kommt er auf die beiden Frauen zurück. Schließlich springt er auf und stürmt den Gang entlang. Kopfschüttelnd sieht Doktor Müller hinter ihm her, der soeben für die Patientin, die man in der Nacht operiert hat, ein Medikament holen will. Langsam folgt er dem jungen Arzt. Irgend etwas stimmt doch da nicht –?

      Freytag orientiert sich mit aller Vorsicht, ob keiner auf dem Gang zu Magdas Zimmer zu sehen ist, dann verschwindet er rasch hinter der Tür.

      Keuchend lehnt er sich gegen den Rahmen und reißt mit seinem Anruf Magda aus einem leichten Schlaf.

      »Du mußt mir helfen, hörst du?« Ganz nahe kommt er zu ihr ans Bett, daß sie ängstlich bis an die Wand rückt.

      »Ich kann dir nicht helfen – und ich will es auch nicht«, flüstert sie, und allmählich springt seine Erregung auf sie über.

      »Du mußt, Magda, hörst du?« quält er sich die Worte ab. »Gleich muß ich arbeiten. Ich kann nicht – ich kann nicht. Hilf mir! Noch ein einziges Mal hilf mir.«

      Aus geweiteten Augen betrachtet sie ihn. Sie weiß, dieser Mann ist fertig, erledigt. Er wird ihr nichts antun. Aber da begegnet sie seinem Blick, sie sieht das Flackern darin, und ihr ist, als umschlinge eine eiskalte Faust ihren Hals.

      »Ich kann nicht, bitte, sieh es doch ein«, wimmert sie und zieht die Decke höher.

      Da nähern sich ihr seine Hände, diese gutgeformten Arzthände, die schon so manchem Menschen das Leben gerettet haben und die jetzt nach ihr greifen, sie vernichten wollen.

      »Hilfe!« schreit sie halb ohnmächtig auf. »Hiiilfe.«

      Freytag zerrt sie zu sich heran, will ihr den Mund zuhalten. Halb hängt sie mit dem Kopf über dem Bettrand, als eine harte Stimme ihn herumfahren läßt.

      »Was geht denn hier vor?«

      Todblaß ist Doktor Freytag, als er Müller erkennt. »Sie ist – ist ohnmächtig geworden«, stammelt er und streicht sich das vom Schweiß verklebte Haar aus der Stirn. »Ich glaube, sie ist doch kränker, als Sie anzunehmen scheinen.«

      »Überlassen Sie die Oberschwester mir«, kommt Doktor Müllers kalte Stimme wieder. »Gehen Sie an die Arbeit.«

      Freytag taumelt zurück und hält sich am Bettende fest. »Ist etwas los auf der Station?« erkundigt er sich, nur um die eingetretene unheimliche Stille zu unterbrechen.

      Müller denkt an die Patientin und an Magda, die er jetzt nicht alleinlassen möchte. »Gehen Sie zu Schwester Anita und lassen Sie sich von ihr eine Spritze für die Patientin Zimmer 64 geben. Ich komme gleich nach.«

      Wie gehetzt rennt Freytag davon. Er atmet auf. Gottlob! Noch einmal gutgegangen. Doktor Müller scheint nichts zu ahnen.

      Er frohlockt – und plötzlich stockt sein Fuß. Er wird sich jetzt von Anita die Spritze geben lassen und wenn indessen Magda aus ihrer Ohnmacht erwacht, wird sie ihn verraten.

      Seine Augen wandern verzweifelt umher. Warum hat er sich wie ein dummer Junge aus dem Zimmer schicken lassen?

      Er hetzt vorwärts und erscheint schweratmend bei Anita. »Was hast du denn?« Sie betrachtet ihn lange und eindringlich. Dann schiebt sie ihm den Stuhl zu, auf den er sich schwerfällig sinken läßt.

      »Mir ist nicht gut.«

      »Aha«, sie verzieht den Mund verächtlich, »verstehe!«

      Er macht eine abwehrende Handbewegung. »Nicht was du denkst. Ich brauche eine Spritze für die Patientin Zimmer 64, Doktor Müller hat es angeordnet.«

      Wortlos geht sie zu dem Giftschrank und holt die Ampulle herbei. Auch die Spritze nimmt sie zur Hand und zieht sie auf. Dann reicht sie sie Doktor Freytag.

      »Komisch«, meint sie dabei. »Das hätte doch auch die Stationsschwester machen können.«

      »Doktor Müller hat das aber so angeordnet«, würgt er hervor, die Augen nur auf den Schrank gerichtet. Er fährt schreckhaft zusammen, als er plötzlich Doktor Müller vor sich sieht.

      »Wie geht es der Oberschwester?« erkundigt er sich heiser.

      »Besser«, gibt Müller kurz zur Antwort, dann greift er zu der Spritze, die in Freytags Hand hin und her pendelt. »Ich gehe selbst nach Zimmer 64.«

      Damit ist er wieder verschwunden. Ratlos steht Freytag da.

      »Anita.« Sein Atem geht stoßweise. Er kennt sich selbst nicht mehr aus. »Bitte, gib mir eine Ampulle.«

      »Für wen?« fragt sie geschäftsmäßig zurück.

      »Für mich.« Wieder die fahrige Bewegung durch das zerwühlte Haar. »Bitte, gib mir eine Ampulle, sonst – sonst geschieht etwas Fürchterliches.«

      »Tut mir leid, ich bin keine Oberschwester Magda«, weist sie ihn ab.

      »Anita!«

      Sie hebt nur verächtlich die Schultern, und da verliert er völlig den Kopf.

      Er macht einen einzigen Schritt auf den Giftschrank zu, mit der bloßen Hand zerschlägt er die Glastür.