lag Petra Eckhardt in den Kissen.
Sie warf einen ängstlichen Blick in die Richtung, wo die Schwester sich an ihrer Kleidung zu schaffen machte.
Es war dasselbe duftige weiße Gewand, das sie an jenem Tage getragen hatte, als sie die Nachricht von Josts Unglück erhielt. Jener Tag, der mit soviel heimlichem Jubel begonnen und in Schmerz und Verzweiflung geendet hatte.
Was mochte wohl Nikolaus von ihr denken, wenn sie ihm in diesem strahlenden Weiß entgegentrat?
»Sie werden sich neu einkleiden müssen«, bemerkte da die Schwester und brachte Petras Wäsche ans Bett.
»Danke«, hauchte Petra, von der schmerzlichen Erinnerung überwältigt. »Die Kleidung ist im Prinzip unwichtig, wenn nur das Herz trauert – aber Sie haben recht, ich kann nicht aus der Reihe tanzen.«
Nun saß sie im Sessel und schaute sehnsüchtig in den weiten Klinikgarten.
Sie war so sehr in Gedanken eingesponnen, daß sie erst aufschreckte, als das Klappen der Tür an ihr Ohr schlug.
Nikolaus Eckhardt war eingetreten.
Mit einer langsamen, fast feierlichen Bewegung erhob sie sich und schaute ihm, einen rätselhaften Glanz in den großen Augen, entgegen. Ihr Mund war leicht geöffnet, und die Lippen, die ihr natürliches Rot wieder zurückgewonnen hatten, bebten vor unterdrückter Erregung.
»Grüß Gott, Nikolaus«, begrüßte sie ihn.
Da fiel die Starre von Nikolaus, die wie eine Art Lähmung über ihn gekommen war.
So schön – so wunderbar schön war Petra Eckhardt! Sie war während ihrer Krankheit noch schlanker geworden und wirkte dadurch größer. Trotzdem mußte Nikolaus sich zu ihr hinabneigen, um ihr voll ins Gesicht sehen zu können.
»Fühlst du dich auch stark genug, Petra?« Besorgnis schwang in seiner Stimme, die ihm nicht recht gehorchen wollte.
Petra vermochte sich sein Anstarren nur so zu erklären, daß er Anstoß an ihrer Kleidung nahm.
Sie errötete über und über und sah verlegen an sich hinab.
»Du mußt entschuldigen, Nikolaus«, sagte sie scheu. »Ich habe wirklich nichts anderes bei mir.«
»Das habe ich noch gar nicht bemerkt«, stammelte er ehrlich und sah rasch zur Seite. Wie dumm und unbeholfen er sich benahm! Um über diese Verwirrung hinwegzukommen, reichte er ihr den Arm. »Hast du hier alles erledigt?«
Sie nickte und verließ, von Nikolaus geführt, das Krankenzimmer.
Wie ein Kind führte er die junge Frau aus dem Krankenhaus, und Petra war zumute, als stehe sie unter verläßlichem Schutz – fast so wie früher, als Jost neben ihr ging.
*
Er hatte diesmal den Chauffeur mitgebracht und saß neben der Schwägerin im Rücksitz des geräumigen Wagens.
Petra hatte die Hände im Schoß zusammengelegt und blickte aus großen, wehmütigen Augen durch die Scheibe.
Draußen flog die Landschaft vorüber.
Als sie durch die nächste große Ortschaft fuhren, ließ Nikolaus halten.
»Willst du hier die passende Kleidung auswählen?« fragte er gutmütig.
Dankbar lächelte sie ihn an.
»Du denkst doch an alles.« Sie ließ sich aus dem Wagen helfen und blickte sich ratlos um. »Willst du mich nicht doch lieber begleiten, Nikolaus? So stark fühle ich mich noch nicht, um den Weg allein zu machen.«
Petra brauchte nicht viel Zeit, um ihre Einkäufe zu erledigen. Nikolaus hatte Gelegenheit, sie dabei zu beobachten. Er bewunderte ihre ruhige, sichere und doch freundliche Art. Sie würde auch sofort den richtigen Ton für die Angestellten des Hauses finden.
Eine Stunde später bestieg sie abermals den Wagen. Nun saß sie äußerlich völlig verwandelt neben Nikolaus.
Leuchtend hob sich das Rostbraun ihres Haares von dem tiefen Schwarz ab. Die grauen, dunkelbewimperten Augen erschienen noch reizvoller.
Die Zeit verstrich. Das gedämpfte Summen des Motors machte Petra schläfrig. Sie hatte zu sehr in der Erwartung gelebt, nun machte sich eine zunehmende Müdigkeit bemerkbar
Nikolaus spürte es. Fürsorglich legte er ihr ein weiches Kissen hinter den Kopf.
»Du kannst ein wenig schlafen, Petra«, sagte er dabei freundlich, ihr blasses Gesicht mit einem besorgten Blick streifend.
»Wirklich?«
Sie ließ sich seine Fürsorge gefallen und nahm die kleinen Aufmerksamkeiten dankbaren Herzens hin.
Als sie die Stadt erreicht hatten, tat es Nikolaus geradezu leid, die friedlich schlafende Frau zu wecken. Aber es mußte sein.
»Petra!«
Sie schrak empor und war sofort hellwach. »Sind wir schon da?«
Er nickte.
Das Tor war weit geöffnet, und der Wagen rollte durch die Einfahrt bis vor die Freitreppe.
In der Vorhalle, die von Säulen getragen wurde, stand eine kräftige Frauengestalt und hielt Leonore, die mit Armen und Beinen zappelte, umschlungen.
»Tante Beate! Lorchen!« flüsterte Petra.
»Mami – liebe, süße Mami!«
Leonore war nicht mehr zu halten, rannte die Stufen herab und breitete beide Arme aus.
»Leonore!«
Petra fing das Kind auf, preßte es fest an ihre Brust, in der das Herz ängstlich klopfte.
»Mein Mädelchen!«
Beate Eckhardt kam auf sie zu, mütterlich lächelnd, mit Blumen in der Hand.
»Willkommen, Petra!«
»Habe ich es so richtig gemacht?« wandte sie sich an Nikolaus. »Petra ist doch die junge Herrin, die nun Besitz von allem ergreifen wird «
Ein kalter Schauer kroch Petra über den Rücken, und eine namenlose Angst überkam sie. Immer wieder suchte sie Halt bei Nikolaus.
Er hielt vor den Hausangestellten eine kleine Rede, die eine gewisse Feierlichkeit hervorrief:
»Nach dem Willen meines Vaters tritt meine Schwägerin, Petra Eckhardt, mit dem heutigen Tag das Erbe meines verstorbenen Bruders an. Ich bitte Sie, ihr genauso treu zu dienen wie bisher uns.«
Dann drückte er fest Petras Hand und sagte leise, nur ihr verständlich:
»Gott segne deinen und deines Kindes Einzug, Petra!«
*
Mittagspause.
Detlef Sprenger hatte sich einen Liegestuhl in den Schatten, den das Unterkunftshaus warf, aufstellen lassen und döste vor sich hin.
Petra hatte das Krankenhaus verlassen und war in die Eckhardtsche Villa gezogen, in ein Leben des Wohlstandes, des Geborgenseins.
Das bedeutete eigentlich für ihn das Ende aller Wunschträume, aber er würde nicht nachgeben.
Eine Frau wie Petra gab man nicht kampflos auf. Da mußte jedes Mittel recht sein, sie für sich zu gewinnen.
Ächzend warf er sich auf die andere Seite.
Die Leidenschaft fraß ihn noch auf! Nachts fand er keinen Schlaf, am Tage schlich er, von Unrast befallen, umher.
Petra! – Petra!
Schritte näherten sich. Detlef Sprenger schaute auf und fragte kurz:
»Was gibt’s?«
»Ein Herr wünscht Sie zu sprechen!«
Sprenger straffte sich.
»Es ist gut. Wo finde ich den Herrn?«
Der