Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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sie wieder zurück.

      »Ja. Bitte, frag nur, Nikolaus.«

      Ihre Stimme klang belegt.

      »Ich sprach schon einmal von der Klausel, die meines Vaters Testament enthält. Es handelt sich darum, deine Ehrenhaftigkeit festzustellen – «

      Ein leiser Schreckenslaut entfloh Petras Lippen. Es war, als reiße man ihr einen Schleier von den Augen. Mit blassem Gesicht und einem nach innen gekehrten Blick saß sie da. Ihre Ehrenhaftigkeit wollte man feststellen? Und das war der Anwalt ihrer Schwiegermutter? Mit sicherem Gefühl erfaßte sie die Situation.

      »Du meinst wohl, man will meine Unehrenhaftigkeit feststellen«, gab sie bitter zurück.

      Nikolaus sah heimliche Qual, ja, mehr noch, Ekel, der sich in Petras Zügen ausprägte. Er trat zu ihr und strich ihr behutsam über den gesenkten Kopf.

      »Leider, Petra, ich kann es dir nicht länger verheimlichen. Gern hätte ich dir diese Aussprache erspart, aber du kannst zu Dr. Wendler ruhig Vertrauen haben. Wir haben uns doch schon einmal darüber unterhalten, kannst du dich erinnern?«

      Petra neigte den Kopf noch tiefer, eine Bewegung, die Bestätigung ausdrückte. »Es geht um das Erbe, Nikolaus, ich weiß… nun weiß ich alles. Man will es mir nicht überlassen, man will mich nicht anerkennen… «

      Nikolaus konnte es nur bestätigen. Da hob sie den Kopf und sah frei und offen von Helmuth Wendler zu Nikolaus. Ihr Mund zuckte.

      »Warum aber kämpft man dann mit so schmutzigen Mitteln? Das geht doch alles viel einfacher und für mich weniger schmerzlich. Ich verzichte, ja, unter diesen Umständen bleibt mir gar kein anderer Ausweg. Des Erbes wegen kann ich mich nicht derart beleidigen lassen.«

      Sie brach jäh ab. Sie schlug die Hände vor das Gesicht, weil sie die forschenden Blicke der beiden Männer einfach nicht mehr ertragen konnte.

      »Weißt du auch«, fragte Nikolaus nach einer Weile, als die Stille unerträglich zu werden begann, »wer den Stein ins Rollen gebracht, wer diesen unseligen Gedanken in Worte gekleidet und das häßliche Gift verstreut hat?«

      »Keine Ahnung«, erwiderte sie leise, ohne ihre Stellung zu ändern. »Ich habe keine Feinde, höchstens –«

      Nein! Das brachte sie doch nicht über die Lippen. Schließlich war Leontine Eckhardt Josts und Nikolaus’ Mutter.

      »Muß es ein Feind sein? Könnte es zum Beispiel nicht auch ein Mann sein, dem alles daran gelegen ist, dich für sich zu gewinnen?«

      Jäh sanken Petras Hände herab. Groß, entsetzt und verstehend schaute sie zu Nikolaus auf, der immer noch neben ihr verharrte.

      »Mein Gott, Nikolaus! Du meinst Detlef Sprenger…?«

      »Ja, Petra. Dieser Sprenger ist der Mann. Er ist so weit gegangen, sich als deinen Geliebten zu bezeichnen.«

      Verständnislos hingen Petras Augen an Nikolaus’ Mund, der das Ungeheuerliche auch nur stockend hervorgebracht hatte. Nicht ein Tropfen Blut schien mehr in dem schmalen entsetzten Frauenantlitz zu sein.

      »Ich verabscheue diesen Menschen!« fuhr sie heftig auf. »Ich hasse ihn, und ich fürchte ihn zugleich. Mit meinem Willen wird er nie, niemals sein Ziel erreichen!«

      Über diese mit Leidenschaft und Verachtung hervorgestoßenen Worte empfand Helmuth Wendler nur Genugtuung. Von Nikolaus’ Seele wich der Druck.

      Sie verachtete ihn!

      Er wußte gar nicht, wie selbstvergessen der Blick war, mit dem er das in flammende Glut getauchte Gesicht Petras betrachtete. Helmuth fing diesen Blick auf und senkte rasch die Lider. Ihm war zumute, als habe er einen Blick auf ein Geheimnis geworfen.

      »Dieser Sprenger ist rücksichtslos«, wandte er sich an Petra Eckhardt.

      »Mit welchem Recht drängt sich dieser Mann in mein Leben?« fuhr sie nun auf. »Von jeher habe ich nichts als Verachtung für ihn empfunden! Ich weiß nicht, ob Sie mir glauben. Beim Leben meines Kindes schwöre ich, daß ich niemals irgendwelche Beziehungen zu Detlef Sprenger unterhalten habe!«

      Empörung zitterte in ihrer Stimme. Verachtung schüttelte sie, und mit tränenblinden Augen verließ sie das Zimmer, um sich nicht länger gegen so viel Gemeinheit verteidigen zu müssen.

      »Petra!«

      Sie hörte nicht mehr Nikolaus’ Entsetzenslaut. Alle Freude war in ihr zerbrochen, alle Hoffnung auf Ruhe und Frieden vernichtet. In dieser Stunde lernte Petra den Haß kennen, Haß gegen den Mann der sich ihr wie ein Schreckgespenst an die Fersen heftete, ohne daß sie ihn jemals zu einem solchen Verhalten ermutigt hatte.

      Nikolaus schüttelte die lähmende Bestürzung, die Petras leidenschaftliche Rede in ihm hervorgerufen hatte, von sich

      »Entschuldigen Sie«, raunte er dem ebenfalls benommenen Helmuth zu und folgte Petra.

      Er eilte durch die Halle. Am Ende des Ganges, an das breite Fenster gelehnt, fand er sie. Sie rang mühsam nach Fassung. Ihre Hände hatten sich um das Fensterkreuz geklammert.

      Als Nikolaus neben ihr auftauchte, blaß und erregt, traf ihn ein Blick aus ihren Augen, der jedes Wort auf seinen Lippen zurückhielt.

      Weh und todtraurig war dieser Blick.

      »Petra!«

      Mitleid schwang in seiner Stimme, aber eine müde Handbewegung ließ ihn schweigen.

      »Laß das, Nikolaus, ich will nicht mehr, ich lehne alles ab… alles.«

      Nikolaus löste langsam Petras eiskalte Finger vom Fensterkreuz und legte den Arm um sie. Er spürte das Zittern des zarten Körpers der jungen Frau, sah die Verzweiflung in den verdunkelten Augen und sagte schuldbewußt:

      »Daß ich dir das nicht erspart habe, Petra. Ich meinte, Offenheit sei das beste –«

      »Du hast es sicher gut gemeint. Außer Sprenger weise ich auch keinem eine Schuld zu«, entgegnete sie matt. »Aber meines Bleibens in diesem Hause ist nicht länger, Nikolaus. Ich muß fort, heute noch, ich soll eben keine Ruhe finden.«

      »Du willst wirklich verzichten?« fragte er fassungslos, und Petra nickte. Alles bäumte sich in Nikolaus dagegen auf, und mit Heftigkeit stieß er hervor:

      »Denk doch an das Werk, Petra, an dein Kind! Du nimmst Leonore die gesicherte Zukunft. Sind wir nicht da, um dich vor weiteren Gemeinheiten dieses Mannes zu schützen? Er wird dich überall finden, glaub mir. Nirgends als hier wirst du Ruhe vor ihm bekommen. Wirfst du jetzt die Flinte ins Korn, glaubt er auch für alle Zukunft leichtes Spiel mit dir zu haben. Das darf nicht sein, Petra! Bitte, sei vernünftig, wirf in deiner begreiflichen Erregung nicht alles von dir. Ich möchte dir einen Vorschlag machen, aber bitte, erschrick nicht davor –«

      »Einen Vorschlag?« Ein bitterer Zug grub sich um ihren Mund. »Es gibt nur einen Ausweg: Ich gehe zurück in die Einsamkeit, aus der ich gekommen bin, lebe und arbeite für mein Kind.«

      »Ja, Petra, das sollst du ja, aber nicht irgendwo unter gleichgültigen Menschen, sondern hier, wohin du gehörst, wo einzig und allein dein Platz ist.«

      Seine Stimme war ruhiger geworden, wieder gütig und tröstlich, aber Petra war viel zu erregt, als daß diese warme Stimme Einfluß gewinnen konnte.

      »Ich will nicht geduldet sein! Ich will nicht in den Schmutz gezogen werden, nur, um mir damit einen Platz in diesem Haus zu erringen«, fuhr sie leidenschaftlich auf.

      Sie lehnte an der Wand. Voll fiel das Sonnenlicht auf ihr bleiches, zuckendes Gesicht. Nikolaus stand mit dem Rücken dem Fenster zugekehrt.

      »Werde meine Frau, Petra«, sagte er fast demütig. »Dann habe ich ein Recht, mich mit meiner ganzen Person für dich einzusetzen.«

      Petras Augen hingen weit geöffnet an Nikolaus’ Mund. Ihr Denken verwirrte sich. Sie nahm nur noch wahr, daß zwei treue Augen voll Güte und Besorgnis ihrem Blick begegneten, dann zwang die Schwäche sie, die Augen zu schließen.

      *