Egyd Gstattner

Jubel, Trubel, Österreich


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– Freuds Gesicht im Halbprofil oder eine sich räkelnde nackte Frau mit wallender Mähne zeigt. Die Karikatur trägt den Titel »What’s on a man’s mind«, darunter die deutsche Übersetzung »Das Gesindel lebt sich aus«. Im Museum-Merchandising-Shop eine Sigmund-Freud-Action-Figure aus Plastik (17,70 Euro), eine Art Sigmund-Freud-Barbiepuppe, wahrscheinlich batteriebetrieben. Wenn man ihn aufzieht, hoppelt Sigmund Freud. Auch in den Merchandising-Shop der Albertina hat er es geschafft, da aber – die Antwort der Psychoanalyse auf den Teddybären – als niedlicher Plüschfreud »Little Thinker« zum Kuscheln (20,90 Euro), der auf dem gemütlichen Traumdeutungskopfpolster »Tell me about your childhood« (34,90 Euro) liegt. Um die Wahrheit zu sagen, sieht der Vater der Psychoanalyse aus wie ein Neujahrsschwein mit Nikolobart. Alles da, was eine richtige Psyche braucht. Gleich daneben das störende Werk »Das Unbehagen in der Kultur« (9,90 Euro).

      Auf der Verpackung des Plüschfreud steht »Tickle me Freud«: »Try me! Squeeze my foot! You’re the craziest patient I’ve ever had! Now tickle me again! Now I can laugh at you while you’re still in the room! Talking to your shrink only gets you so far. Stop boring him and tickle him instead! Give it a try! He’ll laugh. You’ll laugh. What more could one ask? Squeeze his foot!«

      Freud soll also lachen, wenn man ihn an der rechten Fußsohle kitzelt. Aber entweder ist mein Plüschfreud kaputt oder ich habe die Batterien falsch eingelegt oder er ist ganz einfach nicht kitzlig: jedenfalls lacht mein Freud nicht, und wenn ich mir noch solche Mühe gebe! Überhaupt keinen Humor, der Kerl! Dabei hat Freud ein ganzes Buch über den Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905) geschrieben. Aber bekanntlich gibt es nichts Witzloseres als Witzerforschung.

      Der Witz des Erwachsenen ist nach Freud nicht nur die natürliche Fortsetzung des kindlichen Spiels, sondern dank seiner Fassade ähnlich Träumen und Versprechen imstande, Verbotenes auszusprechen und die Wahrheit zu sagen.

      Was Witz und Sexualität betrifft, kolportiert Freud zum Beispiel den: Der Arzt sagt zum Gatten einer Patientin: »Ihre Frau gefällt mir nicht!« Darauf der Gatte: »Mir gefällt sie schon lange nicht!« Überraschenderweise erklärt Freud dann aber, dass so billige Scherze aus dem sexuellen Bereich »ursprünglich an das Weib gerichtet und einem Verführungsversuch gleichzusetzen« seien. »Wo nämlich die Bereitschaft des Weibes sich rasch einstellt, da ist die obszöne Rede kurzlebig, sie weicht alsbald der sexuellen Handlung. Das Hindernis, das der Witz aus dem Weg räumt, ist nur die der höheren Bildungs- und Gesellschaftsstufe entsprechend gesteigerte Unfähigkeit des Weibes, das unverhüllt Sexuelle zu ertragen.« Tja. Vielleicht warten die schönen Damen in meiner Umgebung ja nur darauf, dass ich das Zeitliche segne und endlich die Plüschfigur »Tickle me Egyd« auf den Markt kommt, mit der sie ins Bett gehen können.

      Das Freud-Museum selbst ist im Großen und Ganzen jedenfalls nichts weiter als eine leergeräumte Wohnung mit ein paar Bildern an der Wand, denn Freud hat das gesamte Interieur bei seiner Emigration als alter Mann nach London mitgenommen, auch die berühmte Couch. Bloß das Wartezimmer hat er dagelassen. 7 Euro Eintritt kann man aber auch für das Wartezimmer einer Arztpraxis verlangen, deren Arzt nicht mehr ordiniert. So ist Österreich.

       Pawlow am Opernball

      Wie beim pawlowschen Hund automatisch der Speichelfluss einsetzt, wenn ein Glöckchen klingelt, führt jede Katastrophe beim Menschen der modernen Mediengesellschaft reflexartig zur Suche nach Schuldigen, auch wenn die Suche noch so absurd ist: Ein Sündenbock muss her. Ohnmacht, Schweigen und Trauer sind nicht mehr vorgesehen.

      Zuerst wollte man die Erdplatte am Grund des Indischen Ozeans zur Verantwortung ziehen, aber die gibt in ihrer Präpotenz generell keine Interviews. Gott der Herr nimmt im ZIB2-Studio auch nicht Platz; bloß ein Kardinalsoftie im Safarioutfit. Aber der hat die Welt und die Tsunamis ja nicht erschaffen. Jetzt ist man doch noch fündig geworden: Schuld an der Sintflut in Südostasien ist der österreichische Finanzminister! Denn er hat seinen Urlaub auf den Malediven nicht gleich abgebrochen, um den Tsunami von Wien aus rückwirkend zu verhindern (Fettnäpfchen). Wäre er gleich heimgeflogen, hätte es geheißen: Der Unbarmherzige lässt die Opfer vor Ort im Stich (Fettnäpfchen). Und hätte er sich – wie alle übrigen Finanzminister dieser Welt – eigenhändig an den Aufräumungsarbeiten am Strand beteiligt, hätte es geheißen: Er will sich auf Kosten der Opfer bloß persönlich in Szene setzen (Fettnäpfchen). Hängt ihn höher! So handelt man ein Jahrhundertunglück, in dem man sich darüber unterhält, wer wie geschickt welches Interview gibt.

      Und nach der pawlowschen Schuldfrage die pawlowsche Frage nach den Konsequenzen: Als Erstes hat man beim Neujahrskonzert den Radetzkymarsch aus dem Programm genommen. Wenn sich die Natur angesichts einer so drakonischen Maßnahme nicht für ihre Katastrophe geniert, dann nie! Und noch ein Glück im Unglück: DJ Ötzi hat bei seinem Silvesterkonzert in Lienz auf das Abgrölen seines neuen Hits La Ola verzichtet! Ein richtiger Moralist halt! Und schon fordert der Oppositionsführer, den Opernball abzusagen. Da freut sich nicht nur Opernballautor und Sintflutopfer Josef Haslinger! Meine Theorie: Von Anbeginn der Zeit sieht Gott der Herr den Opernball ohne Wohlgefallen, und jedes Jahr liefert er der Menschheit einen Grund, die Protzperversität abzusagen. Manchmal verstehen die Menschen die Botschaft, manchmal nicht. Mein Vorschlag: Sagen wir den Opernball gleich en gros für die nächsten hundert Jahre ab! Wer weiß, wie viele Kriege und Naturkatastrophen wir uns ersparen!

       Der Glupschaugenknallfrosch

      Trotz meines hochmoralischen Vorschlags von letzter Woche findet der Opernball also auch heuer wieder statt, nur eben ohne Tsunamiopfer und ohne Herrn Moshammer. An Promis herrscht aber auch so kein Mangel, und die Veranstaltung hat zumindest den einen Vorteil, dass sie die Bauwirtschaft ankurbelt. Denn wer immer in Österreich ein Haus baut, stellt sich zuvor diese drei Fragen: 1. Geht mein Baumeister auf den Opernball? 2. Welche Filmschönheit nimmt er in seine Loge mit? 3. Was bezahlt er dafür?

      Weil diese drei Kernfragen abendländischen Denkens Jahr für Jahr aufs Neue beantwortet werden müssen, gibt der Baumeister – ich vergesse seinen Namen immer und nenne ihn daher einfach Glupschaugenknallfrosch – jedes Jahr eigens eine Pressekonferenz. Die Medien dieses Landes könnten freilich unisono sagen: »Sehr geehrter Herr Glupschaugenknallfrosch, mit welcher völlig unwichtigen namenlosen Großbusenpiepsmaus Sie heuer den Opernball besuchen, ist einzig ihre Privatangelegenheit und nicht von geringstem öffentlichen Interesse! Wir wollen das nicht wissen! Wir haben wirklich Wichtigeres zu berichten und empfehlen Ihnen, Ihr Privatleben zu privatisieren. Bei Ihrer Pressekonferenz werden wir daher selbstverständlich nicht erscheinen!«

      Aber der Fall ist das Gegenteil: Alle, alle sind sie pflichtschuldigst angetanzt. Dutzende Mikrofone raufen unter Herrn Glupschaugenknallfroschs Nasenlöchern um den besten Platz, wenn er etwas von der Qualität des Busens seines Stargasts daherstammelt, und selbst das stolze Staatsfernsehen zeigt in Großaufnahme, wie er seinen kleinen Kassettenrekorder einschaltet, um ihm ein bisschen Stargastgekrächze zu entlocken. Heimat, bist du großer Söhne! Volk begnadet für das Schöne! Nur die Frage stellt kein Journalist, wie man das nennt, wenn eine Frau für viel Geld mit einem mitgeht, was sie umsonst nur bei einem täte, den sie gern hat?

      Und ich selbst? Bin ich integer? Bekanntlich hat Rilke über mich geschrieben: »Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.« So weit, so gut. Das Schlimme ist bloß, dass ich jetzt auch noch über die dumme Geschichte geschrieben habe.

       Spezialist für eh alles

      ER ist nie Olympiasieger in der Herrenabfahrt geworden, nicht einmal auf der Großschanze. ER hat nie die Formel-1-Weltmeisterschaft und nie den Song Contest gewonnen. ER war nie Bürgermeister von Wien und nie Teamchef von Österreich. ER hat keinen Lehrstuhl an der Germanistik der Universität Wien, keine Hauptrolle in einem berühmten Hollywoodfilm, und ER hat nicht einmal einen berühmten Roman geschrieben. ER hat keine eigene Fernsehshow und klärt auch keine Morde auf. Einmal hat ER ein Lied gesungen. Aber der Text war nicht von ihm. Und die Melodie auch nicht. Einfach nachgesungen. Die Stimme war von ihm: Die Kratzbürste in einer Bratpfanne. Als