Nikolai Gogol

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol


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immer schmucker als der andre. Die bronzenen Helme strahlten wie die Sonnen, und schwanenweiß wallten die Federn um sie. Andere von den Herren trugen leichte rosenrote und himmelblaue Mützen, deren Deckel keck auf das eine Ohr herabhingen, und goldgestickte oder einfach verschnürte Röcke mit hangenden Ärmeln. Sie führten kostbar verzierte Säbel und Büchsen, die den Herrchen schwere Summen gekostet hatten, und auch sonst sah man Schmuck in Hülle und Fülle. Vorn stand, aufgeblasen wie ein Truthahn, die rote, goldgestickte Mütze auf dem Kopf, der Oberst aus Budschaki. Gar ein gewichtiger Herr war der Oberst, höher und breiter als alles Volk ringsum; er platzte fast aus dem prächtigen Rock, der jedem andern zu weit gewesen wäre. Drüben, in der Gegend des Seitentores, stand der andre Oberst, ein kleines dürres Männlein, aber seine scharfen Augen spähten wachsam unter den buschigen Brauen hervor, er wendete sich schnell bald hierhin, bald dorthin, gab dem und jenem mit seiner schmalen, dünnfingrigen Hand einen hastigen Wink und erteilte Befehle; man sah, daß er sich trotz seiner Kleinheit recht gut auf das Kriegshandwerk verstand. Nicht weit von ihm stand der Kornett, ein endlos langer Bursche mit dickem Schnauzbart, bei dem man über Mangel an blühender Gesichtsfarbe gewiß nicht klagen konnte – dieser Herr hatte eine Schwäche für starken Met und üppige Mähler. Und hinter den dreien war die ganze Ritterschaft aufmarschiert. Der eine hatte sich selber ausgerüstet, beim andern hatte die königliche Kasse dafür gesorgt, bei manchem auch das Geld, das die Juden gegen Verpfändung von allem herliehen, was in den Ahnenschlössern nicht niet-und nagelfest war. Es fehlten auch nicht die Schmarotzer aus vornehmen Häusern, wie sie ein reicher Herr an seine Tafel zieht, um mit einem großen Hofstaat zu glänzen – Kerle, die dann zum Dank vom Tisch und aus den Kredenzen silberne Becher zu stehlen imstande waren, so daß einer, der heute noch als Ehrengast an vornehmem Tische saß, morgen vielleicht auf dem Kutschbock thronte und irgendeinem Edelmann die Pferde besorgte. Allerlei Leute gab es da. Manch einem klang kaum das Geld für ein Glas Schnaps im Beutel, aber für den Krieg hatten sie sich alle in Gala geworfen.

      Die Reihen der Kosaken standen breitspurig vor den Mauern. Von ihnen war keiner mit Gold behängt; höchstens der Säbelgriff oder der Beschlag der Büchse funkelte bei dem und jenem hell in der Sonne. Es war nicht Brauch bei den Kosaken, sich für das Schlachtfeld aufzuputzen, schlicht waren Rock und Kettenpanzer, einen weithin sichtbaren starken Farbenklang in Schwarz und Rot gab die schwarze Lammfellmütze mit dem roten Boden dazu.

      Nun sprengten zwei Kosaken vor die Front: der eine ein blutjunger Bursche, der andre ein wenig älter, beide mit einem gesunden Mundwerk gesegnet, aber auch mit der Faust keine schlechten Kosaken. Ochrim Nasch und Mykyta Golokopytenko waren ihre Namen. Hinter ihnen her lenkte Demid Popowitsch sein Pferd aus der Reihe, ein stämmiger Kosak, der sich seit vielen Jahren im Lager herumtrieb, bis vor Adrianopel gekommen und in seinem Leben nicht selten in des Teufels Küche geraten war. Er hatte schon auf dem brennenden Scheiterhaufen gestanden und war trotzdem ins Lager zurückgekehrt, freilich mit schwarzgeteertem Kopf und abgesengtem Schnauzbart; aber Popowitsch war bald wieder obenauf, er ließ sich einen neuen dicken, pechschwarzen Schnauzbart wachsen und einen Prachtschopf, den er verwegen hinter das linke Ohr gelegt trug. Auch ihn, den Demid Popowitsch, kannte man als einen Kerl mit spöttischem Mundwerk.

      »Schöne Röcke habt ihr da oben; wenn ich nur wüßte, ob ihr auch so schön fechten könnt«, begann er.

      »Ich zeigs euch!« schrie der dicke Oberst. »An Händen und Füßen laß ich euch binden! Gebt die Büchsen und die Gäule heraus, ihr Sklavengesindel! Habt ihr vielleicht nicht gesehn, wie ich eure Leute hab binden lassen? Bringt sie schnell auf den Wall, die Kosaken!«

      Und die gefesselten Kosaken wurden auf den Wall geführt, an ihrer Spitze der Oberst Chlib, ohne Hosen und Obergewand, wie sie ihn in seinem Rausch gefangen hatten. Der Oberst ließ den Kopf hangen, er schämte sich seiner Blöße vor den Kosaken und schämte sich, daß er sich hatte im Schlafe fangen lassen wie ein elender Hund. Sein mächtiger Kopf war in der einen Nacht völlig ergraut.

      »Mach dir nichts draus, Chlib! Wir holen dich schon wieder!« riefen die Kosaken hinauf.

      »Bruder, mach dir nichts draus!« sagte der Oberst Borodaty. »Ist ja nicht deine Schuld, daß sie dich nackend gefangen haben – Unglück kann jeder haben. Auf sie fällt die Schande, daß sie dich zum Schimpf hinstellen und nicht einmal deine Blöße bedecken, wie sichs gehört.«

      »Gegen schlafende Leute habt ihr ersichtlich viel Mut«, rief Golokopytenko zu den Polen hinauf.

      »Dazu reicht er schon noch, euch die Schöpfe herunterzuschneiden!« schrie es von oben.

      »Da möcht ich einmal zusehn, wenn die uns die Schöpfe herunterschneiden!« rief Popowitsch, wendete seinen Gaul und sagte zu den Kosaken: »Na, wer weiß! Kann ja sein, daß die Polaken ausnahmsweise einmal die Wahrheit reden: wenn sie der Dickwanst da zum Tor herausführt, stehen sie alle in gutem Schutz.«

      »Wieso meinst du, daß sie dann in so gutem Schutze stehn?« fragten die Kosaken, denn sie konnten sich natürlich denken, daß der Popowitsch einen Saftigen auf der Pfanne hatte.

      »Ja nu: hinter dem Wanst verkriecht sich das ganze Heer, und es muß schon mit dem Teufel zugehn, wenn man da überhaupt noch einen um die Ecke herum mit der Lanze erwischt.«

      Da lachten die Kosaken dröhnend; und lange noch schüttelte mancher von ihnen den Kopf und sagte: »Ja, der Popowitsch! Wenn der sich einmal einen vornimmt – dann aber …!« – Was dann aber wäre, sagten die Kosaken nicht.

      »Zurück, schleunigst zurück von der Mauer!« schrie der Hetman; denn die Polacken schienen keinen Spaß zu verstehen, der auf sie selber gemünzt war – ihr Oberst winkte schnell mit der Hand.

      Kaum hatten sich die Kosaken davongemacht, da krachten auch schon vom Wall die Kartätschen. Treiben und Hasten kam in die Leute da oben, der grauköpfige Marschall selber zeigte sich hoch zu Roß. Das Tor ging auf, und das Heer marschierte heraus. Voran ritten in wohlgerichteten Reihen die Husaren, hinter ihnen die Panzerreiter mit ihren Lanzen, dann kam eine Schar in Bronzehelmen, und darnach, jeder für sich allein und nach seinem eignen Geschmack gerüstet, die vornehmen Junker. Diese stolzen Herrchen verschmähten es, mit den andern in die Front zu treten; hatte einer von ihnen keine Kommandostelle, so ritt er auf eigne Faust mit seinen Dienern in die Schlacht. Ihnen folgten wiederum Fronttruppen, darauf, sich stolz im Sattel wiegend, der Kornett, abermals Fronttruppen, und dann der dicke Oberst; als allerletzter Mann vom ganzen Heer kam schließlich der kleine Oberst zum Tor herausgesprengt.

      »Laßt sie nicht aufmarschieren, laßt sie nicht aufmarschieren, schmeißt ihnen die Schlachtordnung über den Haufen!« schrie der Hetman. »Alle Regimenter zugleich auf sie! Laßt doch die andern Tore! Regiment Tytarew packt sie in der Flanke! Regiment Djädki – in die andre Flanke! Fallt ihnen in den Rücken, Kukubenko und Palywoda! Stört ihren Aufmarsch, bringt sie durcheinander!«

      Von allen Seiten stürmten die Kosaken an, sie störten die Ordnung der Polen, brachten sie durcheinander und gerieten selbst durcheinander. Sie ließen den Feind nicht erst zum Feuern kommen; es war ein Kampf mit Schwert und Lanze, ein wütendes, eng geballtes Getümmel, in dem jedermann Mut und Kraft zu bewähren vermochte.

      Demid Popowitsch erstach drei gemeine Soldaten und hieb zwei adlige Junker aus den Sätteln. »Die Gäule lob ich mir!« rief er. »Solche Gäule hab ich mir lange gewünscht!« Er jagte die Beutetiere weit ins Feld hinaus und rief den Kosaken, die dort hielten, zu, sie sollten sie fangen. Dann stürzte er sich wieder ins Gewühl und griff von neuem die Junker an, die er aus den Sätteln gehauen hatte. Den einen erschlug er, dem andern warf er den Fangstrick um den Hals. Er nahm ihm den Säbel mit dem kostbaren Griff ab und schnitt ihm die dukatenschwere Geldkatze vom Leib, dann band er ihn an seinen Sattel, gab dem Pferde die Sporen und schleifte den Feind über das weite Blachfeld.

      Kobita, ein wackrer Kosak, noch jung an Jahren, geriet mit einem der Tapfersten aus dem polnischen Heer zusammen. Lange fochten sie miteinander und packten sich schließlich zum Ringkampf. Schon hatte der Kosak gesiegt und den andern auf den Rücken gelegt, er hieb ihm das scharfe türkische Messer in die Brust; aber er nahm sich selbst nicht in acht, und unversehens fuhr ihm eine heiße Kugel in die Schläfe. Der vornehmste unter den polnischen Herren hatte ihn gefällt, ein schöner