Nikolai Gogol

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol


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aber wieder Ärger, daß es nicht in seiner Gewalt war, dieses so hübsch lachende Gesicht zu küssen.

      »Was geht mich meine Mutter an? Du bist mir Mutter und Vater und alles, was mir auf der Welt teuer ist. Wenn mich der Zar zu sich riefe und mir sagte: ›Schmied Wakula, bitte mich um alles, was es in meinem Zarenreiche Schönes gibt, ich will dir alles geben. Ich werde dir eine goldene Schmiede bauen lassen, und du wirst mit silbernen Hämmern schmieden.‹ – ›Ich will nicht‹, würde ich dem Zaren sagen, ›ich will weder Edelsteine, noch eine goldene Schmiede, noch dein ganzes Zarenreich. Gib mir lieber meine Oksana!‹«

      »Siehst du, was du für einer bist: Aber mein Vater ist auch nicht so dumm. Paß auf, er wird noch deine Mutter heiraten!« sagte Oksana mit schelmischem Lächeln. »Aber warum kommen die Mädchen nicht … Was soll das bedeuten? Es ist schon längst Zeit, vor den Fenstern Weihnachtslieder zu singen, mir wird es langweilig!«

      »Denk nicht an sie, meine Schöne!«

      »Warum nicht gar! Mit ihnen werden wohl auch die Burschen mitkommen. Da wird es einen Ball geben. Ich stelle mir vor, was für spaßige Geschichten sie erzählen werden!«

      »Es ist dir also lustig mit ihnen?«

      »Jedenfalls lustiger als mit dir. Ah! Jemand klopft; es sind sicher die Mädchen mit den Burschen.«

      – Was soll ich noch länger warten? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Sie macht sich über mich lustig. Ich bin ihr ebensoviel wert wie ein verrostetes Hufeisen. Wenn dem aber wirklich so ist, so soll wenigstens kein anderer über mich lachen. Wenn ich nur sicher merke, daß ihr ein anderer besser gefällt als ich, so will ich es ihm schon austreiben …

      Ein Klopfen an der Tür und ein scharf in der kalten Luft klingender Ruf »Mach auf!« unterbrachen seine Gedanken.

      »Wart, ich mache selbst auf«, sagte der Schmied und trat in den Flur mit der Absicht, dem ersten besten, der ihm vor die Augen kam, die Rippen einzuschlagen.

      Der Frost nahm zu, und oben in der Höhe wurde es so kalt, daß der Teufel von einem Huf auf den anderen sprang und sich in die Faust blies, um seine erfrorenen Hände ein wenig zu erwärmen. Es ist auch kein Wunder, wenn es einen fror, der sich Tag für Tag in der Hölle herumtrieb, wo es bekanntlich nicht so kalt ist wie bei uns im Winter, und wo er mit einer weißen Mütze auf dem Kopfe wie ein Koch vor dem Herde stand und die Sünder mit solchem Vergnügen briet, wie ein Weib zu Weihnachten eine Wurst brät.

      Die Hexe spürte auch den Frost, obwohl sie warm gekleidet war; darum hob sie die Arme in die Höhe, schob ein Bein zurück, nahm die Haltung eines auf Schlittschuhen dahinsausenden Menschen ein und fuhr, ohne ein Glied zu rühren, durch die Luft, wie einen steilen Eisberg hinunterfahrend, in einen Schornstein.

      Der Teufel folgte ihr auf die gleiche Weise. Da aber dieses Vieh flinker ist als mancher Geck in Strümpfen, so ist es kein Wunder, daß er gleich an der Mündung des Schornsteins seiner Geliebten an den Hals fuhr; so befanden sich die beiden auf einmal in einem geräumigen Ofen zwischen den Töpfen.

      Die heimgekehrte Reiterin machte leise das Ofentürchen auf, um zu sehen, ob ihr Sohn Wakula keine Gäste in die Stube geladen hätte; als sie aber sah, daß niemand da war außer einigen Säcken, die mitten in der Stube lagen, kam sie aus dem Ofen gekrochen, warf den warmen Pelz ab, zupfte ihre Kleider zurecht, und niemand hätte ihr ansehen können, daß sie vor einer Minute auf einem Besen geritten war.

      Die Mutter des Schmiedes Wakula war nicht mehr als vierzig Jahre alt. Sie war weder schön noch häßlich. Es ist auch schwer, in diesem Alter schön zu sein. Doch verstand sie es, die gesetztesten Kosaken (die sich, nebenbei bemerkt, wenig um die Schönheit kümmerten) so an sich zu fesseln, daß selbst der Amtmann, der Küster Ossip Nikiforowitsch (natürlich wenn die Küsterin nicht zu Hause war), der Kosak Kornij Tschub und der Kosak Kaßjan Swerbygus sie aufzusuchen pflegten. Zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß sie mit ihnen vorzüglich umzugehen verstand: keinem von ihnen kam es in den Sinn, daß er einen Nebenbuhler habe. Ging ein frommer Bauer oder ein Edelmann, wie die Kosaken sich selbst nennen, in seinem Mantel mit der Kapuze am Sonntag zur Kirche, oder, bei schlechtem Wetter, in die Schenke, wie sollte er da nicht bei Ssolocha einkehren, um ein paar fette Quarkkuchen mit Sahne zu essen und ein wenig mit der gesprächigen und gefälligen Hausfrau in der warmen Stube zu schwatzen? Der Edelmann machte zu diesem Zweck einen großen Umweg, ehe er die Schenke erreichte, und das nannte er »unterwegs einkehren«. Und wenn Ssolocha mal an einem Feiertag in ihrem grellen Rock und Nankingjacke und dem blauen, mit goldenen Streifen benähten Überrock in die Kirche kam und sich direkt neben dem rechten Chor aufstellte, so mußte der Küster unbedingt hüsteln und unwillkürlich nach jener Seite hinüberblinzeln; der Amtmann strich sich den Schnurrbart, wickelte sich seinen Kosakenzopf ums Ohr und sagte zu dem neben ihm stehenden Nachbarn: »Ach, ist das ein feines Frauenzimmer! Ein Teufelsweib!« Ssolocha grüßte jeden Menschen, und jeder glaubte, sie grüße ihn allein.

      Aber jeder, der Lust hat, sich in fremde Angelegenheiten zu mischen, könnte sofort merken, daß Ssolocha den Kosaken Tschub am freundlichsten behandelte. Tschub war Witwer. Vor seinem Hause standen immer acht Schober Getreide. Zwei Paar kräftige Ochsen streckten ihre Köpfe aus dem Flechtwerk des Stalles auf die Straße hinaus und brüllten, sooft sie die Gevatterin – die Kuh, oder den Gevatter – den dicken Stier, kommen sahen. Ein bärtiger Ziegenbock stieg sogar aufs Dach hinauf und meckerte mit einer so schrillen Stimme wie der Stadthauptmann, um die im Hofe herumspazierenden Truthennen zu necken, und kehrte den Rücken, wenn er seine Feinde, die Jungen, erblickte, die sich über seinen Bart lustig machten. In den Truhen Tschubs gab es viel Leinwand, teure Kaftans und altertümliche Röcke mit goldenen Tressen: seine verstorbene Frau hielt viel auf Putz. In seinem Gemüsegarten wurden außer Mohn, Kohl und Sonnenblumen alljährlich auch zwei Beete Tabak gesät. Ssolocha hielt es für gar nicht so ohne, dies alles mit ihrer eigenen Wirtschaft zu vereinigen und malte sich schon im voraus aus, welche Ordnung in der Wirtschaft herrschen würde, wenn sie in ihre Hände käme; darum verdoppelte sie ihr Wohlwollen gegen den alten Tschub. Damit aber ihr Sohn Wakula sich nicht an Tschubs Tochter heranmache, alles einheimse und ihr die Möglichkeit nehme, sich in etwas einzumischen, griff sie nach dem üblichen Mittel aller vierzigjährigen Weiber: sie bemühte sich, den Schmied mit Tschub so oft als möglich zu entzweien. Vielleicht waren diese schlauen Ränke und ihre Gewandtheit schuld daran, daß die alten Weiber manchmal, besonders wenn sie bei einer lustigen Versammlung etwas zu viel getrunken hatten, davon redeten, Ssolocha sei wahrlich eine Hexe; der Bursche Kisjakolupenko habe bei ihr hinten einen Schwanz von der Größe einer Weiberspindel gesehen; erst am letzten Donnerstag sei sie in Gestalt einer schwarzen Katze über die Straße gelaufen; zu der Popenfrau sei aber einmal eine Sau gekommen, die wie ein Hahn gekräht, den Hut des P. Kondrat aufgesetzt habe und wieder weggelaufen sei…

      Einmal traf es sich, daß, als die alten Weiber darüber redeten, ein gewisser Kuhhirt Tymisch Korostjawyj herbeikam. Er unterließ es nicht, zu erzählen, wie er im Sommer, kurz vor den Petrifasten, sich im Stalle schlafen gelegt und ein Bündel Stroh unter den Kopf gelegt habe und wie er mit eigenen Augen gesehen hätte, daß die Hexe mit aufgelöstem Zopf, in bloßem Hemd angefangen habe, die Kühe zu melken; er hätte sich gar nicht rühren können, so behext sei er gewesen; auch hätte sie ihm die Lippen mit etwas so Abscheulichem beschmiert, daß er nachher den ganzen Tag spucken mußte. Das alles war jedoch zweifelhaft, da doch nur der Assessor von Ssorotschinzy allein eine Hexe zu sehen vermag. Darum wehrten sich alle angesehenen Kosaken gegen dieses Gerücht. »Sie lügen, die Hundeweiber!« war ihre gewöhnliche Antwort.

      Als Ssolocha aus dem Ofen gekrochen war und ihre Kleider zurechtgezupft hatte, fing sie als gute Hausfrau an, die Stube aufzuräumen und alles auf seinen Platz zu stellen; aber die Säcke rührte sie nicht an: »Wakula hat sie gebracht; soll er sie auch selbst hinaustragen!« Der Teufel hatte sich indessen, als er in den Schornstein hineinflog, zufällig umgeschaut und Tschub Arm in Arm mit dem Gevatter schon recht weit vom Hause erblickt. Er fuhr sofort aus dem Ofen, lief ihnen über den Weg und begann die Haufen des gefrorenen Schnees auf allen Seiten aufzuwühlen. Es erhob sich ein Schneegestöber. Die ganze Luft wurde weiß. Der Schnee wirbelte so, daß man ein weißes Netz zu sehen glaubte, und drohte die Augen, Münder und Ohren der Fußgänger zuzukleben. Der Teufel flog