Nikolai Gogol

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol


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nicht aus dem Kopf? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Ich will an sie gar nicht denken, und doch denke ich wie zum Trotz nur an sie. Warum kommt mir dieser Gedanke gegen meinen Willen immer wieder in den Sinn? Verdammt! Die Säcke scheinen schwerer geworden zu sein. Es liegt sicher auch etwas anderes drin außer der Kohle. Ein Narr bin ich! Ich habe ja ganz vergessen, daß mir jetzt alles schwerer vorkommt. Einst konnte ich mit einer Hand ein kupfernes Fünfkopekenstück oder ein Hufeisen zusammenbiegen und wieder geradebiegen, und jetzt kann ich nicht mehr einige Kohlensäcke heben. Bald wird mich noch der Wind umwerfen … Nein! – rief er, nach kurzem Besinnen, neuen Mut fassend. – Bin ich denn ein Weib! Ich werde niemand erlauben, über mich zu lachen! Und wenn es auch zehn solche Säcke sind, ich hebe alle auf! – Und er lud sich rüstig alle Säcke, die auch zwei starke Männer nicht hätten tragen können, auf die Schultern. – Ich nehme auch diesen mit –, fuhr er fort, den kleinsten Sack hebend, auf dessen Boden zusammengerollt der Teufel lag. – Ich glaube, ich habe darin mein Werkzeug liegen. – Mit diesen Worten verließ er die Stube, das Liedchen vor sich hinpfeifend:

      »Laßt euch nicht mit Weibern ein …«

      Immer lauter und lauter klangen auf den Straßen die Lieder, das Lachen und Schreien. Die sich drängenden Scharen vergrößerten sich durch den Zufluß von Leuten aus den Nachbardörfern. Die Burschen tollten und tobten nach Herzenslust. Bald erklang zwischen den Koljadaliedern ein lustiges Lied, das einer der jungen Kosaken auf der Stelle verfaßt hatte; bald brüllte jemand in der Menge statt eines Koljadaliedes das Silvesterlied:

      »Will mein Glück versuchen:

       Gebt mir einen Kuchen,

       Auch ein Häuflein Brei,

       Eine Wurst, ein Ei!«

      Lautes Lachen belohnte den Spaßvogel. Die kleinen Fenster gingen in die Höhe, und alte Frauen (die allein mit den gesetzten Vätern zu Hause geblieben waren) streckten ihre dürren Hände mit einer Wurst oder einem Stück Kuchen aus dem Fenster. Die Burschen und die Mädchen hielten um die Wette ihre Säcke unter und fingen die Beute auf. An einer Stelle hatten die Burschen einen ganzen Haufen von Mädchen umringt: da gab es Lärm und Geschrei; der eine warf einen Schneeball, der andere raubte einen mit allerlei Sachen angefüllten Sack. An einer anderen Stelle lauerten die Mädchen einem Burschen auf, stellten ihm ein Bein, und er flog mit dem Sack zu Boden. Es sah so aus, als ob sie die ganze Nacht sich so vergnügen wollten. Und die Nacht war wie zum Fleiß so hell und mild! Und das Mondlicht schien im Glänze des Schnees noch weißer!

      Der Schmied blieb mit seinen Säcken stehen. Er glaubte im Haufen der Mädchen die Stimme und das feine Lachen Oksanas zu hören. Ein Zittern lief ihm durch alle Adern; er warf die Säcke zu Boden, so daß der Küster, der sich auf dem Boden des einen befand, vor Schmerz aufstöhnte und der Amtmann aus vollem Halse aufschluckte, und ging mit dem kleinen Sacke über der Schulter dem Haufen der Burschen nach, die einem Haufen von Mädchen folgten, unter denen er die Stimme Oksanas gehört zu haben glaubte.

      – Ja, sie ist es! Sie steht wie eine Zarin da und läßt ihre schwarzen Augen funkeln. Der hübsche Bursche erzählt ihr etwas; es ist wohl etwas Lustiges, denn sie lacht. Aber sie lacht ja immer. – Der Schmied drängte sich unwillkürlich, ohne es selbst zu merken, durch die Menge und stand neben ihr.

      »Ach, Wakula, du bist hier? Guten Abend!« sagte die Schöne mit dem Lächeln, das Wakula fast verrückt machte. »Nun, hast du mit deinem Singen viel verdient? Gott, was für ein kleiner Sack! Und hast du mir die Schuhe, die die Zarin trägt, verschafft? Bringe mir die Schuhe, und ich heirate dich! …« Sie lachte und lief mit dem Haufen der Mädchen davon.

      Wie angewurzelt stand der Schmied auf einem Fleck. – Nein, ich kann nicht mehr, es geht über meine Kraft … –, sagte er endlich. – Mein Gott, warum ist sie so teuflisch schön? Ihr Blick, ihre Rede, alles versengt mich durch und durch … Nein, ich kann mich nicht mehr beherrschen. Es ist Zeit, allem ein Ende zu machen. Mag meine Seele zugrunde gehen! Ich geh’ und ertränke mich im Eisloch, und niemand sieht mich mehr! –

      Er ging mit festen Schritten voraus, holte die Mädchenschar ein, erreichte Oksana und sagte mit fester Stimme: »Leb wohl, Oksana! Such dir einen Bräutigam, wie du ihn willst, halte zum Narren, wen du willst, mich aber wirst du auf dieser Welt nicht mehr erblicken.«

      Die Schöne schien erstaunt, sie wollte etwas sagen, aber der Schmied winkte mit der Hand ab und lief davon.

      »Wo willst du hin, Wakula?« schrien die Burschen, als sie den Schmied so laufen sahen.

      »Lebt wohl, Brüder!« rief ihnen der Schmied zu. »Wenn Gott will, sehen wir uns in jener Welt wieder; auf dieser Welt werden wir uns nicht mehr gemeinsam vergnügen! Lebt wohl! Behaltet mich in gutem Andenken! Sagt dem Pater Kondrat, er möge eine Messe für meine sündige Seele lesen. Die Kerzen vor den Bildern des Wundertäters und der Mutter Gottes habe ich Sünder nicht bemalt: so verstrickt war ich in irdische Dinge. Meine ganze Habe, die sich in meiner Truhe findet, gehört der Kirche. Lebt wohl!«

      Nach diesen Worten lief der Schmied mit dem Sack auf dem Buckel weiter.

      »Er ist verrückt!« sagten die Burschen.

      »Eine verlorene Seele!« murmelte fromm eine vorübergehende Alte. »Ich will mal gleich hingehen und den Leuten erzählen, wie der Schmied sich erhängt hat!«

      Nachdem Wakula durch einige Straßen gelaufen war, blieb er endlich stehen, um Atem zu holen. – Wo laufe ich denn wirklich hin? – fragte er sich. – Als wenn schon alles verloren wäre. Ich will noch ein Mittel versuchen und zum dicken Saporoger Pazjuk gehen. Man sagt, daß er alle Teufel in der Welt kennt und alles machen kann, was er will. Ich geh’ zu ihm hin, meine Seele geht doch sowieso zugrunde. –

      Der Teufel, der lange unbeweglich im Sack gelegen hatte, begann bei diesen Worten vor Freude zu tanzen; aber der Schmied glaubte, daß er den Sack irgendwie selbst mit der Hand gestoßen hatte, schlug mit seiner kräftigen Faust darauf, schüttelte ihn auf den Schultern und ging zum dicken Pazjuk.

      Dieser dicke Pazjuk war einst wirklich Saporoger gewesen; niemand wußte, ob man ihn aus der Ssjetsch vertrieben hatte oder ob er von selbst weggelaufen war. Er lebte schon seit langem, seit zehn, vielleicht auch seit fünfzehn Jahren in Dikanjka; anfangs lebte er wie ein echter Saporoger: er arbeitete nicht, schlief drei Viertel des Tages, aß wie sechs Erntearbeiter und trank auf einen Zug einen ganzen Eimer; das alles fand in ihm auch Platz, denn Pazjuk war zwar klein von Wuchs, aber von einem sehr beträchtlichen Umfang. Auch trug er so weite Pluderhosen, daß seine Beine, so große Schritte er auch machen mochte, überhaupt nicht zu sehen waren und man den Eindruck hatte, als ob ein Branntweinfaß auf der Straße daherrolle. Vielleicht hieß er nur deswegen der Dicke. Es waren kaum einige Wochen nach seiner Ankunft im Dorfe vergangen, als schon alle wußten, daß er ein Hexenmeister sei. Wenn jemand an etwas erkrankte, so ließ er gleich den Pazjuk kommen; Pazjuk brauchte nur einige Worte zu flüstern, und die Krankheit war wie weggeblasen. Es kam vor, daß einem hungrigen Edelmann eine Fischgräte im Halse stecken blieb; Pazjuk verstand ihm so geschickt mit der Faust auf den Rücken zu klopfen, daß die Gräte sofort den vorgeschriebenen Weg einschlug, ohne der adligen Kehle irgendeinen Schaden zuzufügen. In der letzten Zeit sah man ihn selten. Der Grund davon war vielleicht seine Faulheit, vielleicht auch der Umstand, daß es ihm von Jahr zu Jahr schwerer fiel, durch die Türen zu kommen. Nun mußten die Bürger, die von ihm etwas wollten, sich selbst zu ihm bemühen.

      Der Schmied öffnete nicht ohne Furcht die Tür und sah Pazjuk nach türkischer Sitte mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden vor einem kleinen Fasse kauern, auf dem eine Schüssel mit Klößen stand. Diese Schüssel stand wie mit Absicht in der Höhe seines Mundes. Ohne einen Finger zu rühren, hielt er den Kopf über die Schüssel geneigt, schlürfte die Brühe und packte ab und zu mit den Zähnen einen Kloß.

      – Nein –, dachte sich Wakula, – dieser ist noch fauler als Tschub: jener ißt wenigstens mit einem Löffel, aber dieser will nicht mal eine Hand heben! –

      Pazjuk war wohl von seinen Klößen ganz in Anspruch genommen und schien das Eintreten des Schmiedes gar nicht bemerkt zu haben, welcher sich vor ihm schon an der Schwelle tief verbeugte.

      »Ich