wußte, vor wem er die Mütze ziehen sollte. – Mein Gott, wieviel Herrschaften es hier gibt! – dachte sich der Schmied. – Ich glaube, jeder, der hier in einem Pelze über die Straße geht, ist ein Assessor! Und die, die in diesen herrlichen Wagen mit den Glasscheiben herumfahren, sind, wenn nicht Stadthauptleute, so doch sicher Kommissäre und vielleicht noch mehr. – Seine Gedanken wurden durch eine Frage des Teufels unterbrochen: »Soll ich direkt zur Zarin laufen?« – Nein, ich fürchte mich –, dachte sich der Schmied. »Hier sind irgendwo, ich weiß nicht wo, die Saporoger abgestiegen, die im Herbst durch Dikanjka kamen. Sie fuhren aus der Ssjetsch mit Papieren zu der Zarin; mit ihnen sollte ich mich eigentlich beraten. He, Satan! Kriech mir mal in die Tasche und führe mich zu den Saporogern!«
Der Teufel magerte in einem Augenblick ab und wurde so klein, daß er dem Schmied ohne Mühe in die Tasche kriechen konnte. Und ehe sich Wakula umsah, stand er schon vor einem großen Hause, stieg die Treppe hinauf, öffnete eine Tür und taumelte ein wenig zurück, als er vor sich ein prächtig geschmücktes Zimmer erblickte; aber er faßte Mut, als er die gleichen Saporoger erkannte, die durch Dikanjka gekommen waren und jetzt mit ihren geteerten Stiefeln auf seidenen Sofas saßen und den stärksten Tabak rauchten, den man Stengeltabak nennt.
»Grüß Gott, meine Herren! Helf euch Gott, so sehen wir uns wieder!« sagte der Schmied, näher herantretend und sich bis zur Erde verbeugend.
»Was ist das für ein Mann?« fragte einer, der dicht vor dem Schmied saß, einen anderen, der etwas weiter saß.
»Habt ihr mich denn nicht erkannt?« sagte der Schmied. »Ich bin es, der Schmied Wakula! Als ihr im Herbst durch Dikanjka kamt, wart ihr, Gott gebe euch jegliche Gesundheit und ein langes Leben, fast zwei Tage bei mir zu Gast. Ich habe euch damals das vordere Rad eures Wagens mit einem neuen Reifen beschlagen!«
»Aha!« sagte der gleiche Saporoger. »Es ist derselbe Schmied, der so fein malt. Guten Abend, Landsmann! Was hat dich Gott hergebracht?«
»Nun, ich wollte mir anschauen… man sagt…«
»Nun, Landsmann«, sagte der Saporoger, eine stolze Miene annehmend; er wollte zeigen, daß er auch Russisch zu sprechen verstand. »Eine große Stadt, nicht wahr?«
Der Schmied wollte sich nicht blamieren und als Neuling erscheinen; außerdem verstand auch er, wie wir es schon oben sahen, gebildet zu sprechen. »Eine respektable Gouvernementsstadt!« antwortete er gleichgültig. »Das muß ich sagen: die Häuser sind mächtig, und bedeutende Gemälde hängen darin. Viele Häuser sind mit Lettern aus Blattgold außerordentlich fein bemalt. Das muß man zugeben; eine wunderbare Proportion!«
Als die Saporoger hörten, wie frei sich der Schmied ausdrückte, gewannen sie von ihm einen für ihn sehr günstigen Eindruck. »Später wollen wir mit dir mehr reden, Landsmann. Jetzt müssen wir aber gleich zur Zarin.«
»Zur Zarin? Seid doch so freundlich, meine Herren, nehmt mich mit!«
»Dich?« sagte der Saporoger mit einer Miene, mit der ein Erzieher zu seinem vierjährigen Zögling spricht, wenn ihn dieser bittet, ihn auf ein echtes, großes Pferd zu setzen. »Was willst du dort? Nein, es geht nicht.« Dabei nahm er eine wichtige Miene an. »Wir werden mit der Zarin von unseren Angelegenheiten reden, Bruder.«
»Nehmt mich mit!« beharrte der Schmied. »Bitte sie!« flüsterte er dem Teufel zu, indem er mit der Faust auf die Tasche schlug.
Kaum hatte er das getan, als ein anderer Saporoger sagte: »Nehmen wir ihn doch mit, Brüder!«
»Gut, nehmen wir ihn mit!« sagten die anderen.
»Zieh die gleichen Kleider an, wie wir sie tragen.«
Der Schmied beeilte sich, einen grünen Kaftan anzuziehen, als die Tür plötzlich aufging und ein Mann mit Tressen meldete, daß es Zeit sei, zu fahren.
Es kam dem Schmied so wunderlich vor, als er in einer riesigen Kutsche dahinfuhr, die sich auf den Federn wiegte, als zu beiden Seiten die vierstöckigen Häuser zurückliefen und das Pflaster dröhnend wie von selbst unter die Hufe der Pferde zu rollen schien.
– Mein Gott, welch ein Licht! –, dachte der Schmied. – Bei uns ist es nicht mal am Tage so hell. –
Die Kutschen hielten vor dem Schlosse. Die Saporoger stiegen aus, traten in einen prächtigen Flur und gingen eine glänzend erleuchtete Treppe hinauf. »Was ist das für eine Treppe!« flüsterte der Schmied vor sich hin. »Es ist wirklich schade, sie mit Füßen zu treten. Diese Verzierungen! Man sagt, daß die Märchen lügen! Zum Teufel, sie lügen gar nicht! Mein Gott! Dieses Geländer! Was für eine Arbeit! Das Eisen allein hat wohl an die fünfzig Rubel gekostet!«
Die Saporoger stiegen die Treppe hinauf und durchschritten den ersten Saal. Scheu folgte ihnen der Schmied, der bei jedem Schritt fürchtete, auf dem Parkett auszugleiten. Sie durchschritten drei Säle, und der Schmied kam noch immer nicht aus dem Staunen heraus. Als sie in den vierten Saal kamen, ging er unwillkürlich auf ein Bild zu, das an der Wand hing. Es war die Heilige Jungfrau mit dem Kinde auf dem Arm.
»Was für ein Bild! Was für eine herrliche Malerei!« sagte er. »Man glaubt, sie wolle sprechen! Sie lebt förmlich! Und das Heilige Kind! Es faltet die Händchen und lächelt, das Arme! Und die Farben! Mein Gott, diese Farben! Ich meine, man hat hier auch nicht für eine Kopeke Ocker gebraucht, es ist lauter Karmin und Kupfergrün. Und das Blau leuchtet einfach! Eine herrliche Arbeit. Der Grund ist wohl mit dem teuersten Bleiweiß angelegt. Wie wunderbar diese Malerei auch ist, aber dieser Messinggriff«, fuhr er fort, an die Tür tretend und das Schloß betastend, »dieser Messinggriff ist noch mehr der Bewunderung wert. Diese saubere Arbeit! Ich denke, das haben alles deutsche Schmiede für viel Geld gemacht…«
Vielleicht hätte der Schmied noch viele Betrachtungen angestellt, wenn ihn nicht ein betreßter Lakai an den Arm gestoßen und ermahnt hätte, daß er nicht hinter den anderen zurückbleiben solle.
Die Saporoger durchschritten noch zwei Säle und blieben stehen. Hier wurden sie angewiesen, zu warten. Im Saale drängten sich mehrere Generäle in goldgestickten Uniformen. Die Saporoger verbeugten sich nach allen Seiten und stellten sich in einer Gruppe auf.
Eine Weile später trat in den Saal, von einem ganzen Gefolge begleitet, ein ziemlich stämmiger Mann von majestätischem Wuchs, in Hetmanuniform und in gelben Stiefeln. Seine Haare waren zerzaust, das eine Auge schielte etwas, das Gesicht drückte Hochmut und Erhabenheit aus, und alle Bewegungen zeugten von der Gewohnheit, zu befehlen. Alle Generäle, die bis dahin recht stolz in ihren goldenen Uniformen herumgegangen waren, gerieten in Unruhe und begannen unter tiefen Verbeugungen jedes seiner Worte, selbst seine leiseste Bewegung gleichsam aufzufangen. Aber der Hetman schenkte dem allen gar keine Beachtung, nickte kaum mit dem Kopfe und ging auf die Saporoger zu.
Die Saporoger verneigten sich vor ihm bis zur Erde.
»Seid ihr alle hier?« fragte er gedehnt und ein wenig durch die Nase.
»Ja, alle, Väterchen!« antworteten die Saporoger und verbeugten sich wieder.
»Vergeßt nicht, so zu reden, wie ich es euch gelehrt habe!«
»Nein, Väterchen, wir vergessen es nicht.«
»Ist das der Zar?« fragte der Schmied einen der Saporoger.
»Ach was, Zar! Es ist Potjomkin«, antwortete jener.
Im Nebenzimmer ließen sich Stimmen vernehmen, und der Schmied wußte nicht, wohin er seine Augen wenden sollte: eine solche Menge von Damen in Atlaskleidern mit langen Schleppen und von Höflingen in goldgestickten Röcken mit Zöpfen im Nacken trat in den Saal. Er sah nur ein Leuchten und weiter nichts.
Die Saporoger fielen plötzlich sämtlich zu Boden und schrien wie aus einem Munde: »Gnade, Mutter, Gnade!« Der Schmied, der nichts mehr sah, streckte sich gleich den anderen eifrig auf dem Boden aus.
»Steht auf!« erklang über ihnen eine gebieterische, aber zugleich angenehme Stimme. Einige Höflinge taten sehr geschäftig und stießen die Saporoger an.
»Wir stehen nicht auf, Mutter! – Wir stehen nicht auf! Wir sterben