mir noch im Sacke auf, daß der Ärmste so übel gelaunt war. Da haben wir den Schmied! Eben lebte er noch, und nun ist er nicht mehr! Ich wollte gerade meine scheckige Stute beschlagen lassen! …« Von solchen christlichen Gedanken erfüllt, ging der Amtmann langsam heim.
Oksana verlor die Fassung, als diese Gerüchte sie erreichten. Sie traute zwar wenig den Augen der Perepertschicha und dem Gerede der Weiber: sie wußte, daß der Schmied gottesfürchtig genug war, um nicht seine Seele ins Verderben zu stürzen. Was aber, wenn er wirklich mit der Absicht weggegangen war, nie wieder ins Dorf zurückzukehren? So einen prächtigen Burschen wie diesen Schmied findet man aber auch an einem anderen Orte nicht wieder. Er hat sie doch so geliebt! Er hat länger als alle ihre Launen ertragen … Die Schöne wälzte sich die ganze Nacht unter ihrer Decke von der rechten Seite auf die linke und von der linken auf die rechte und konnte nicht einschlafen. Bald lag sie in bezaubernder Nacktheit, die das Dunkel der Nacht auch vor ihr selbst verhüllte, und schimpfte fast laut über sich selbst; bald wurde sie still und entschloß sich, an nichts mehr zu denken, und dachte dennoch. Sie glühte und war am Morgen schon bis über die Ohren in den Schmied verliebt.
Tschub äußerte weder Freude noch Trauer über das Schicksal des Schmiedes. Seine Gedanken waren nur mit dem einen beschäftigt: er konnte unmöglich die Treulosigkeit der Ssolocha vergessen und fuhr, so verschlafen er auch war, fort, laut auf sie zu schimpfen.
Der Morgen brach an. Die Kirche war schon vor Tagesanbruch voller Menschen. Die älteren Frauen in weißen Kopftüchern und weißen Tuchkitteln bekreuzigten sich andächtig an der Kirchtür. Die Edelfrauen in grünen und gelben Jacken, einige sogar in blauen Überkleidern, mit goldenen Streifen auf dem Rücken, standen vor ihnen. Die Mädchen, die auf den Köpfen ganze Kaufläden von Bändern und am Halse eine Menge von Perlenbändern, Kreuzen und Dukaten trugen, bemühten sich, so nahe als möglich an die Heiligenwand zu kommen. Ganz vorn standen aber die Edelleute und die einfachen Bauern mit Schnurrbärten, Schöpfen, dicken Hälsen und frischrasiertem Kinn, fast alle in Mänteln, unter denen weiße und bei manchen auch blaue Kittel hervorguckten. Auf allen Gesichtern, wohin man auch blickte, spiegelte sich die Feiertagsstimmung. Der Amtmann leckte sich schon die Lippen beim Gedanken an die Wurst, die er nach Beendigung des Fasttages essen würde; die Mädchen dachten daran, wie sie mit den Burschen auf dem Eise laufen würden; die alten Frauen flüsterten die Gebete andächtiger als je. Man hörte in der ganzen Kirche, wie der Kosak Swerbygus sich mit der Stirn bis zum Boden verbeugte. Nur Oksana allein stand wie geistesabwesend da: sie betete und betete auch nicht. In ihrem Herzen drängten sich viele verschiedene Gefühle, eines ärgerlicher und trauriger als das andere, so daß ihr Gesicht nur eine starke Erregung ausdrückte; in ihren Augen zitterten Tränen. Die Mädchen konnten den Grund nicht verstehen und ahnten nicht mal, daß der Schmied schuld daran war. Aber Oksana war nicht die einzige, die an den Schmied dachte. Alle Leute merkten, daß der Feiertag kein richtiger Feiertag war, daß gleichsam etwas fehlte. Zum Unglück war der Küster infolge seiner Reise im Sack heiser geworden und sang kaum hörbar mit zitternder Stimme; der zugereiste Sänger hatte zwar eine prächtige Baßstimme, aber es wäre doch unvergleichlich besser, wenn auch der Schmied dabei gewesen wäre, der, sooft man das »Vaterunser« oder »Und die Cherubime« sang, auf den Chor zu steigen und die Weise anzustimmen pflegte, die man in Poltawa singt. Außerdem war er der einzige, der das Amt eines Kirchenvorstands versah. Die Frühmesse war schon zu Ende, nach der Frühmesse kam das Hochamt … Wo war nun in der Tat der Schmied hingeraten?
Der Teufel flog während des Restes der Nacht mit dem Schmied auf dem Rücken noch schneller zurück, und Wakula befand sich im Nu neben seinem Hause. In diesem Augenblick krähte ein Hahn.
»Wohin?« schrie der Schmied, den Teufel, der davonlaufen wollte, am Schwanze packend. »Wart mal, Freund, das ist noch nicht alles, ich hab’ mich bei dir noch nicht bedankt.«
Und er ergriff einen ordentlichen Stecken, versetzte ihm drei Hiebe, und der arme Teufel lief so schnell davon wie ein Bauer, dem der Assessor ordentlich eingeheizt hat. So war der Feind des Menschengeschlechts, statt andere Menschen zu foppen, zu verführen und zu narren, selbst genarrt worden.
Nun trat Wakula in den Flur, vergrub sich ins Heu und schlief bis zum Mittag durch. Als er erwachte und sah, daß die Sonne schon hoch am Himmel stand, erschrak er.
»Ich habe ja die Frühmesse und das Hochamt verschlafen!«
Und der gottesfürchtige Schmied versank in Trauer, da er sich sagte, Gott habe wohl zur Strafe für seinen sündigen Vorsatz, seine Seele zu verderben, den Schlaf über ihn geschickt, der ihn davon abhielt, an diesem hohen Feiertage zur Kirche zu gehen. Aber er beruhigte sich bald, indem er sich vornahm, in der folgenden Woche die Sünde dem Popen zu beichten und von diesem Tage an ein ganzes Jahr lang täglich fünfzig Kniefälle zu machen. Er blickte in die Stube hinein, es war aber niemand da: Ssolocha war wohl noch nicht heimgekommen.
Behutsam holte er aus dem Busen die Schuhe und wunderte sich wieder über die kostbare Arbeit und das wunderbare Erlebnis der letzten Nacht; er wusch sich, kleidete sich, so gut er konnte, an, zog die Kleider an, die er von den Saporogern bekommen hatte, holte aus der Truhe eine neue Lammfellmütze mit blauem Tuch, die er noch niemals aufgesetzt hatte, seit er sie in Poltawa gekauft; holte auch einen neuen Gürtel in allen Farben; tat das alles zusammen mit einer Kosakenpeitsche in ein Tuch und ging geradeswegs zu Tschub.
Jener sperrte die Augen auf, als der Schmied zu ihm kam, und wußte nicht, worüber er mehr staunen sollte: darüber, daß der Schmied von den Toten auferstanden war, daß er es gewagt hatte, zu ihm zu kommen, oder daß er sich wie ein Saporoger aufgeputzt hatte. Noch mehr staunte er aber, als Wakula das Tuch aufband, vor ihn eine nagelneue Mütze und einen Gürtel, wie man ihn im Dorfe noch niemals gesehen hatte, auf den Tisch legte, ihm zu Füßen fiel und mit flehender Stimme sagte: »Hab Erbarmen, Väterchen! Zürne nicht! Hier hast du eine Peitsche: schlage, so viel deine Seele verlangt. Ich liefere mich dir selbst aus und bekenne alles; schlag zu, aber zürne nicht. Du und mein verstorbener Vater wart ja einst wie zwei Brüder, ihr habt zusammen gegessen und getrunken.«
Tschub sah nicht ohne heimliche Freude, wie der Schmied, der sich sonst um keinen Menschen im Dorfe kümmerte, der mit der Hand Hufeisen und Fünfkopekenstücke wie Buchweizenfladen zusammendrückte, wie dieser selbe Schmied zu seinen Füßen lag. Um seine Würde zu wahren, nahm Tschub die Peitsche und schlug ihn dreimal auf den Rücken. »Nun, das genügt, steh auf! Hör stets auf alte Leute! Wir wollen alles vergessen, was zwischen uns war. Nun, sag jetzt, was du willst!«
»Gib mir Oksana zur Frau, Väterchen!«
Tschub dachte eine Weile nach und betrachtete die Mütze und den Gürtel: die Mütze war wunderbar, der Gürtel stand ihr nicht nach; er dachte an die treulose Ssolocha und sagte entschlossen: »Gut! Schicke deine Brautwerber her!«
»Ach!« schrie Oksana auf, über die Schwelle tretend und den Schmied erblickend, und richtete auf ihn erstaunt und freudig ihre Blicke.
»Schau nur, was ich dir für Schuhe mitgebracht habe!« sagte Wakula. »Es sind dieselben, die die Zarin trägt.«
»Nein, nein! Ich brauche keine Schuhe!« sagte sie, mit den Händen fuchtelnd und ihn unverwandt anblickend. »Ich will auch ohne die Schuhe …« Sie kam nicht weiter und errötete.
Der Schmied trat näher heran und ergriff ihre Hand; die Schöne schlug sogar die Augen nieder. Noch nie war sie so wunderbar schön gewesen. Der entzückte Schmied küßte sie still, ihr Gesicht erglühte in einem noch tieferen Rot, und sie wurde noch schöner.
Der Bischof, seligen Angedenkens, kam einmal durch Dikanjka, lobte die schöne Lage und hielt, als er durch die Straße fuhr, vor einem neuen Hause.
»Wem gehört dieses bemalte Haus?« fragte Seine Eminenz die hübsche Frau, die mit einem Kinde auf dem Arme vor der Tür stand.
»Dem Schmied Wakula!« antwortete ihm mit einer Verbeugung Oksana, denn sie war es.
»So schön! Eine schöne Arbeit!« sagte Seine Eminenz, die Türen und Fenster betrachtend. Die Fenster waren aber ringsherum mit roter Farbe gestrichen, und auf den Türen waren überall reitende Kosaken mit Pfeifen in den Zähnen dargestellt.
Noch