ein Zauberer ist«, sprach er, »aber schrecklich ist es, daß er ein schlimmer Gast ist. Was fiel ihm ein, sich hierherzuschleppen? Ich hörte, die Polen wollen hier eine Festung errichten, um uns den Weg zu den Saporogern abzuschneiden. Mag es nur wahr sein … Ich werde sein Teufelsnest zerstören, sobald ich auch nur ein Wort davon höre, daß er die Feinde bei sich versteckt hält. Ich werde den alten Hexenmeister verbrennen, daß selbst die Raben nichts mehr zu picken haben werden. Ich denke mir auch, daß er nicht wenig Gold und anderes Gut bei sich hat. Hier wohnt dieser Satan! Wenn er Gold hat … Wir werden gleich Kreuze sehen: das ist ein Friedhof! Hier modern seine unsauberen Ahnen. Man sagt, sie alle seien immer bereit gewesen, sich mitsamt ihren Seelen und ihren zerfetzten Kaftans für einen Groschen dem Teufel zu verkaufen. Wenn er aber in Wahrheit Gold besitzt, so will ich nicht lange zögern: nicht immer kann man es im Kriege erbeuten…«
»Ich weiß, was du im Sinne hast: nichts Gutes verheißt mir die Begegnung mit ihm. Du atmest so schwer, du blickst so streng, so finster sträuben sich die Brauen über deinen Augen! …«
»Schweig, Weib!« sagte Danilo erbost. »Wer sich an euch bindet, der wird selbst zum Weibe. Bursche, gib mir Feuer für die Pfeife!« Er wandte sich zu einem der Ruderer um; dieser klopfte die glimmende Asche aus seiner Pfeife und begann sie in die Pfeife seines Herrn zu stopfen. »Sie schreckt mich mit dem Zauberer!« fuhr Pan Danilo fort. »Der Kosak fürchtet, Gott sei Dank, weder die Teufel noch die römischen Pfaffen. Das wäre gut, wenn wir auf unsere Weiber hörten. Nicht wahr, Burschen? Unser Weib ist die Pfeife und der scharfe Säbel!«
Katerina schwieg und blickte auf das schlafende Wasser hinab, das der Nachtwind furchte, und der ganze Dnjepr schimmerte silbergrau wie ein Wolfsfell im Mondlicht.
Der Einbaum wendete um und hielt sich am waldigen Ufer. Bald wurde hier ein Friedhof sichtbar: morsche Kreuze drängten sich aneinander. Kein Wacholder blühte zwischen ihnen, kein Gras grünte unter ihnen; nur der Mond bestrahlte sie von der Himmelshöhe.
»Hört ihr die Schreie, Burschen? Jemand ruft uns zu Hilfe!« rief Pan Danilo seinen Ruderern zu.
»Wir hören die Schreie, von dieser Seite scheinen sie zu kommen«, sagten die Burschen zugleich und wiesen nach dem Friedhof.
Es war aber schon wieder alles still. Der Kahn wendete wieder um und folgte dem vorspringenden Ufer. Plötzlich ließen die Ruderer ihre Ruder sinken und starrten auf das Ufer hinüber. Auch Pan Danilo war wie erstarrt. Angst und kalter Schauer drangen in die Adern der Kosaken.
Auf einem der Gräber wankte das Kreuz, und leise erhob sich daraus ein vertrockneter Leichnam. Der Bart reichte ihm bis zum Gürtel; lange Krallen waren ´ an den Fingern, viel länger als die Finger selbst. Langsam erhob er die Arme. Sein Gesicht erbebte und verzerrte sich. Schreckliche Qualen schien er zu leiden. »Schwül ist mir! Schwül!« stöhnte er mit wilder, unmenschlicher Stimme. Die Stimme schnitt einem ins Herz wie ein Messer. Und plötzlich versank der Leichnam wieder. Ein anderes Kreuz wankte, und wieder kam ein Leichnam hervor, noch schrecklicher und noch riesenhafter; er war ganz mit Haaren bewachsen, sein Bart reichte bis an die Knie, und die knöchernen Krallen waren noch länger als beim ersten. Noch wilder rief er: »Mir ist so schwül!« und versank in die Erde. Nun wankte ein drittes Kreuz, und ein dritter Leichnam stand auf. Es schien, als ob nur die Knochen allein sich über die Erde erhoben hätten. Der Bart reichte bis an die Sohlen; die Finger mit den langen Krallen bohrten sich in die Erde. Schrecklich warf er die Arme empor, als ob er nach dem Monde greifen wolle, und schrie so auf, als ob ihm jemand seine gelben Knochen zersäge …
Das Kind, das in Katerinas Armen schlief, erwachte mit einem Schrei; die Pani selbst schrie auf; die Ruderer ließen die Mützen in den Dnjepr fallen; auch der Pan fuhr zusammen.
Und plötzlich war alles verschwunden, als wäre es nie gewesen; doch die Burschen griffen noch lange nicht zu ihren Rudern. Voller Sorge blickte Burulbasch auf seine junge Frau, die erschrocken das schreiende Kind wiegte; er drückte sie an sein Herz und küßte sie auf die Stirn. »Fürchte nichts, Katerina! Schau: es ist ja nichts!« sagte er, nach allen Seiten weisend. »Der Zauberer will den Menschen nur Angst machen, damit niemand wagt, seinem unsauberen Nest nahe zu kommen. Doch nur die Weiber allein kann er damit erschrecken! Gib mir den Sohn in den Arm!«
Mit diesen Worten nahm Pan Danilo seinen Sohn, hob ihn in die Höhe und hielt ihn ganz nahe vor seinen Lippen. »Nun, Iwan, fürchtest du dich vor Zauberern? – Sag: Nein, Vater, ich bin ja ein Kosak! – Genug, laß das Weinen! Wir kommen bald nach Hause! Und wenn wir zu Hause sind, wird dir Mutter Brei geben, wird dich in die Wiege legen und dir das Lied singen:
›Lulli, lulli, lulli!
Lulli, Söhnchen, lulli!
Wachse auf zu muntern Spielen,
Wachse auf zu stolzen Zielen,
Ruhm und Zierde der Gemeinde
Und ein Schrecken für die Feinde!‹
Höre, Katerina! Ich glaube, dein Vater will nicht in Frieden mit uns leben. So finster, so verdrießlich kam er hier an, als sei er uns böse … Wenn er mit uns nicht zufrieden ist, was brauchte er herzukommen? Er weigerte sich, auf unsere Kosakenfreiheit zu trinken! Auch unser Kind wollte er nicht auf die Arme nehmen! Anfangs wollte ich ihm alles sagen, was ich auf dem Herzen habe, aber ich konnte nicht sprechen und brachte kein Wort über die Lippen. Nein, er hat kein richtiges Kosakenherz! Wenn sich zwei Kosakenherzen begegnen, so springen sie aus der Brust einander zu! Nun, meine lieben Burschen, sind wir bald am Ufer? Ich will euch neue Mützen schenken. Du, Stetzko, kriegst eine samtene mit Gold. Ich habe sie mal einem Tataren zugleich mit dem Kopfe abgenommen; seine ganze Rüstung fiel mir zu, nur seine Seele allein ließ ich frei. Legt an! Nun sind wir daheim, und du weinst noch immer, Iwan! Nimm ihn, Katerina!«
Alle stiegen ans Land. Hinter dem Berge zeigte sich ein Strohdach: das war Pan Danilos Ahnensitz. Hinter dem Hause ragte noch ein anderer Berg, und dann kam gleich das freie Feld: hundert Werst konnte man da gehen, ohne auf einen einzigen Kosaken zu stoßen.
III
Das Gut Pan Danilos liegt zwischen zwei Bergen in einem engen Tale, das zum Dnjepr hinunterführt. Nicht groß ist das Haus: wie die Hütte des einfachen Kosaken sieht es von außen aus und hat bloß eine Stube; es ist aber genug Raum darin für ihn, für sein Weib, für die alte Magd und für die zehn ausgewählten Burschen. An den Wänden entlang ziehen sich oben eichene Borde hin. Viele Schüsseln und Kochtöpfe stehen darauf, auch silberne Becher und goldene Pokale, sowohl geschenkte wie auch im Kriege erbeutete. Unter den Borden hängen an den Wänden kostbare Musketen, Säbel, Gewehre und Lanzen; willig und gegen Willen sind sie aus den Händen der Tataren, Polen und Türken in die Hände Pan Danilos gekommen; darum ist auch manche Scharte an ihnen zu sehen. Wenn er sie anschaut, kann er sich aller seiner Gefechte erinnern. Unten an den Wänden entlang lauf en glattgehobelte eichene Bänke; vor der Ofenbank hängt an Stricken, die durch einen Ring an der Decke gezogen sind, die Wiege. In der ganzen Stube ist der Fußboden glatt gestampft und mit Lehm bestrichen. Auf den Bänken schläft Pan Danilo mit seiner Frau, auf der Ofenbank die alte Magd; in der Wiege spielt und schläft das kleine Kind; auf dem Fußboden nächtigen die Burschen. Der Kosak schläft am liebsten auf der bloßen Erde unter freiem Himmel; er braucht weder Kissen noch Federbett: er bettet sich frisches Heu unter den Kopf und streckt sich im Grase aus. Er liebt es, wenn er nachts erwacht, den hohen gestirnten Himmel zu sehen und vor der nächtlichen Kühle, die seine Kosakenknochen erfrischt, zu erschauern; er dehnt und reckt sich, murmelt etwas im Schlafe, steckt sich seine Pfeife an und wickelt sich fester in seinen warmen Pelz.
Es war nicht mehr früh, als Burulbasch nach dem gestrigen Trinkgelage erwachte; als er aufgestanden war, setzte er sich auf die Bank in die Ecke und begann einen türkischen Säbel, den er vor kurzem eingetauscht hatte, zu schleifen; Pani Katerina stickte indessen ein seidenes Tuch mit goldenen Fäden.
Plötzlich trat Katerinas Vater in die Stube. Verdrießlich und finster, mit einer ausländischen Pfeife zwischen den Zähnen ging er auf seine Tochter zu und begann sie streng auszufragen, warum sie gestern so spät nach Hause gekommen sei.
»Darüber sollst du, Schwäher, mich und nicht sie befragen! Nicht die