soll Hetman sein!« schrieen wieder andre. »Wir wollen Schilo zum Hetman!«
»Steckt ihn euch in den Hintern, den Schilo!« ereiferte sich wütend die Menge. »Ist das auch ein Kosak? Das Diebsgesicht! Der Hundsfott stiehlt wie ein Tatar! Zum Teufel in die Hölle mit euerm Schilo, dem Süffel!«
»Borodaty! Borodaty wird Hetman!«
»Wir wollen keinen Borodaty! Des Teufels Großmutter soll ihn versohlen!«
»Schreit: Kirdjäga!« flüsterte Taraß Bulba einigen zu.
»Kirdjäga! Kirdjäga!« schrie die Menge. »Borodaty! Borodaty! Kirdjäga, Kirdjäga! Schilo! Zum Teufel mit Schilo! Kirdjäga!«
Alle die Kandidaten drückten sich, sobald sie ihren Namen rufen hörten, schleunigst aus dem Ring, daß ja nicht die Meinung aufkommen könnte, sie bemühten sich etwa persönlich um ihre Wahl.
»Kirdjäga! Kirdjäga!«Der Name wurde am lautesten gerufen. »Borodaty!«
Man ging daran, sich mit den Fäusten zu überzeugen, und Kirdjägas Freunde gewannen den Sieg.
»Holt Kirdjäga!« wurde geschrieen.
An die zehn Kosaken machten sich spornstreichs auf; ein paar davon konnten kaum auf den Füßen stehen – so schwer hatten sie geladen. Sie suchten Kirdjäga, ihn von seiner Erwählung zu unterrichten.
Kirdjäga war ein alter Kosak und ein heller Kopf. Er saß schon lange zu Hause und tat jetzt so, als hätte er keine Ahnung davon, daß etwas Besondres geschehen war.
»Nun, ihr Herren? Was wünscht ihr?« fragte er.
»Komm mit! Du bist zum Hetman gewählt.«
»Jesus Barmherzigkeit, ihr Herren!« sagte Kirdjäga. »Wie soll mir so eine Ehre anstehn? Was wär ich denn für ein Hetman! Da reicht es bei mir ja im Kopf nicht, um so ein Amt zu verwalten. Habt ihr denn keinen Bessern finden können im ganzen Heer?«
»Geh einfach mit, wenn man es dir sagt!« schrieen die Kosaken.
Zwei von ihnen packten ihn bei den Armen, und wie er sich auch mit den Füßen stemmte, er wurde schließlich doch auf den Platz geschleppt, unter Schimpfworten, Rippenstößen, Fußtritten und freundlichem Zuspruch, wie diesem: »Hörst du jetzt noch nicht bald auf mit dem Bocken, du Teufelsbraten? Wenn man dir die Ehre erweist, Hundsfott, so nimm sie an!« Auf diese Art wurde Kirdjäga in den Ring der Kosaken geführt.
»Nun, wie ist es, ihr Herren?« riefen die Leute, die ihn gebracht hatten. »Ist es euch recht, daß dieser Kosak unser Hetman wird?«
»Ist uns schon recht!« schrie der Haufe, und von seinem Geschrei erdröhnte die Weite.
Einer von den Beamten nahm den Stab und trug ihn dem neugewählten Hetman hin. Kirdjäga weigerte sich, wie es Brauch war, ihn zu empfangen. Der Beamte reichte ihm den Stab zum zweitenmal. Zum zweitenmal wies ihn Kirdjäga zurück, und erst beim drittenmal nahm er ihn an. Die Menge brach in tosenden Beifall aus, und wiederum dröhnte von dem Geschrei der Kosaken die Weite. Dann traten aus dem Kreise des Volkes vier von den ältesten Männern, Kosaken mit grauen Schöpfen und grauen Bärten. Sehr alte Leute gab es freilich im Lager nicht, weil kein Kosak eines natürlichen Todes starb. Jeder der vier nahm eine Handvoll Erde und legte sie dem Hetman aufs Haupt. Die Erde war völlig vom Regen durchweicht und zu Schmutz geworden, sie rann ihm vom Kopf herunter, über den Schnauzbart, über die Wangen, und verschmierte ihm das ganze Gesicht. Kirdjäga aber stand, ohne zu zucken, und dankte den Kosaken für die erwiesene Ehre. So war denn die stürmische Wahl vollzogen. Es hatte vielleicht nicht jeder Freude daran, Taraß Bulba aber genoß seine Rache an dem früheren Hetman; und außerdem war Kirdjäga ein alter Kamerad von ihm, sie hatten die gleichen Feldzüge zu Wasser und Land hinter sich gebracht, hatten Not und Mühen des Kriegerlebens gemeinsam getragen.
Das Volk zerstreute sich nun, die Wahl zu feiern, und es erhob sich ein Pokulieren, wie es Ostap und Andri noch nicht erlebt hatten. Die Kneipen wurden zertrümmert, Met, Schnaps und Bier raffte man ohne Bezahlung an sich; die Schankwirte waren herzlich froh, wenn nur sie selber ganz blieben. Die Nacht verging mit Geschrei und Liedern zum Preise tapfrer Taten; als der Mond aufgegangen war, sah er sie noch lange durch die Straßen ziehen, die Musikanten mit Pandoren, Theorben und Lauten und den Kirchenchor, der nicht nur bestallt war, beim Gottesdienste zu singen, sondern auch den Kosakenruhm mit weltlichen Liedern zu preisen. Endlich begannen der Rausch und die Müdigkeit die starken Männer zu fällen. Bald hier, bald dort sah man einen Kosaken zu Boden sinken; Kameraden umarmten sich tief gerührt, schluchzten gottsjämmerlich und fielen innig umschlungen in den Dreck. Hier lag ein ganzer Haufe beisammen; dort suchte einer sorgsam nach einem recht bequemen Plätzchen und legte sich dann grade auf einen Holzklotz. Der letzte, der Held, der am meisten vertrug, hielt noch für sich allein eine nicht sehr klar geordnete Rede; schließlich überwältigte auch ihn der mächtige Rausch, er taumelte nieder, und nun schnarchte das ganze Lager.
Viertes Kapitel
Am nächsten Tag schon beriet Taraß Bulba mit dem neuen Hetman darüber, wie man die Kosaken zu irgendeiner Unternehmung aufstacheln könnte. Der Hetman war ein kluger, mit allen Wassern gewaschner Kosak, der seine Genossen der Länge und Breite nach kannte. Er sagte anfangs:
»Meineidig werden dürfen wir nicht, das geht nicht.« Dann aber, nach einem kurzen Schweigen, fuhr er fort: »Na, am Ende gehts doch: meineidig werden wir nicht, aber es läßt sich vielleicht etwas machen. Sieh zu, daß das Volk sich versammelt – nicht als ob ich es befohlen hätte, sondern nur so auf den eignen Kopf hin; du weißt schon, wie man das macht –, und dann komm ich mit den Beamten gelaufen, und wir … wir wissen von nichts.«
Es war seit dieser Unterhaltung noch keine Stunde verstrichen, als schon die Pauken erdröhnten. Auch heute fehlte es nicht an betrunknen und aufgeregten Kosaken. Eine Unzahl von schwarzen Lammfellmützen wimmelte auf dem Platz. Sie fragten: »Wer hat …? Weshalb ist …? Was ist denn los, daß man sich versammelt?« – Niemand gab Antwort. Schließlich hörte man bald hier, bald da aus der Menge murrende Rufe: »Da geht die Kosakenkraft ganz umsonst vor die Hunde – ohne Krieg! Wohl sein lassen sie sichs, die Ältesten, vor Fett sehn sie bald nicht mehr aus den Augen! Das muß man schon sagen: keine Gerechtigkeit gibt es mehr auf der Welt!« – Die andern Kosaken hörten das anfangs ruhig an, dann begannen sie gleichfalls zu brummen:
»Das ist schon wahr: keine Gerechtigkeit gibt es mehr auf der Welt!«
Die höchste Behörde zeigte sich baß erstaunt über solche Worte. Endlich trat der Hetman vor und sagte: »Gestattet ihr mir, ihr Herren, daß ich eine Rede halte?«
»Red nur zu!«
»Also, wenn man es richtig betrachtet, ihr edeln Herren, und ihr wißt das wahrscheinlich besser als ich, so reden die Leute davon, daß viele Kosaken bei den Schnapsjuden und bei ihren Kameraden so tief in der Kreide stecken, daß ihnen kein Kuckuck mehr etwas borgt. Und wieder, wenn man es richtig betrachtet, so reden die Leute, daß wir viele junge Burschen da haben, die überhaupt noch gar nichts vom Kriege kennen, wo’s doch für junge Leute – das wißt ihr ja selber, ihr Herren – ohne Krieg nichts Richtiges ist. Wie soll aus so einem ein Kosak werden, wenn er seiner Lebtage nicht gegen die Moslim ins Feld zieht?«
»Er redet gar nicht so dumm«, sagte Bulba.
»Denkt nur nicht, ihr Herren, daß ich das vielleicht sage, um den Frieden zu brechen – Gott soll mich bewahren! Ich sag das bloß so. – Na ja, und dann haben wir hier ein Gotteshaus, es ist eine Schande, wie’s aussieht. Die langen Jahre, die das Lager schon steht…! Und bis heute – ich sage ja nichts von der Kirche von außen –, bis heute sind sogar die Heiligenbilder drinnen ohne den kleinsten Schmuck. Wenn ihnen nur irgendeiner eine silberne Fassung hätte stiften wollen! Das bißchen haben sie gekriegt, was ihnen ein paar Kosaken im Testament vermacht haben; und was ist das schon gewesen – das meiste haben sie ja bei