»Wozu er den Unsinn vorbringt…!« murmelte Bulba.
»Ja, ihr seht selber, ihr Herren, mit Krieg anfangen ists nichts – die Ritterehre steht dem im Weg. Aber in meinem dummen Kopf denk ich mirs so: sollen die jungen Leute allein in die Kähne steigen und hinunterfahren und sich die anatolische Küste ein bißchen ansehn. Was meint ihr, ihr Herren?«
»Führ uns, führ uns alle!« schrie der Ring der Kosaken. »Für den Glauben halten wir gern den Kopf hin.«
Der Hetman erschrak. Er hatte keineswegs das ganze Lager aufrufen wollen. Wie die Sache lag, dünkte es auch ihn nicht ehrenhaft, den Frieden zu brechen.
»Erlaubt mir, ihr Herren, noch eine Rede zu halten?«
»Hör schon auf!« schrieen die Kosaken. »Was Klügeres sagst du nicht mehr!«
»Soll es so sein, dann mag es so sein! Ich bin der Knecht eures Willens. Es ist eine bekannte Sache und steht ja auch in der Schrift, daß Volkes Stimme so gut ist wie Gottes Stimme. Etwas Klügeres denkt sich wohl keiner aus, als was das Volk im Ganzen sich denkt. Nur eins will ich noch sagen: ihr wißt ja, ihr Herren, der Sultan läßt doch den Spaß, den unsere Burschen vorhaben, nicht unvergolten. Und wir wären dann schön bereit, und unsere Kräfte wären noch frisch, und wir würden uns wohl nicht fürchten vor ihm. Und wenn wir fortgehn, könnte auch das Tatarenpack unser Lager besuchen; die tückischen Hunde – ins Gesicht hinein wagen sie’s nicht, und wenn der Herr daheim ist, sehn sie sich vor, aber von hinten beißen sie uns in die Hacken, und so, daß es weh tut. Und wenn man dann schon die reine Wahrheit sagen soll: wir haben nicht so viel Kähne im Vorrat, und Pulver ist auch nicht in solchen Mengen gemahlen, daß alle mitgehen könnten. Aber mag es so sein, wenn ihr wollt – ich bin der Knecht eures Willens.«
Der schlaue Hetman hatte gesprochen. Die Haufen begannen zu verhandeln, die Gemeindeältesten berieten sich untereinander; Betrunkne gab es zum Glück nicht viele, und darum wurde beschlossen, dem vernünftigen Rat zu folgen.
Unverweilt fuhr eine kleine Schar zum andern Dnjepr-Ufer hinüber, wo die Vorratskammern des Lagers waren und in unzugänglichen Schlupfwinkeln unter dem Wasser im Schilf der Heerschatz und ein Teil der erbeuteten Waffen verborgen lagen. Die andern gingen zu den Kähnen, sie nachzusehen und für die Kriegsfahrt zu rüsten. Auf einmal war der ganze Strand voller Menschen. Die Zimmerleute kamen mit ihren Äxten. Alte sonnverbrannte, breitschultrige, stämmige Kosaken mit grauen und schwarzen Schnauzbärten standen, die Pluderhosen aufgekrempelt, bis zum Knie im Wasser und zogen die Kähne an starken Tauen vom Strand. Andre schleppten trockne Balken und allerlei Holzwerk heran. Hier wurde ein Kahn mit Planken verkleidet, dort band man andern nach Kosakenbrauch lange Schilfbündel an den Außenbord, damit sie draußen bei Seegang nicht kenterten; weiterhin wurden den ganzen Strand entlang Kessel aufgestellt und in ihnen Pech zum Dichten der Kähne erhitzt. Die erfahrnen Alten lernten die Jungen an. Das Geklopf und Geschrei der Arbeiter erscholl über das Wasser, es war ein Gewimmel am Strand.
Da näherte sich dem Ufer ein großer Prahm. Die vielen Leute, die darauf standen, winkten schon von weitem erregt mit den Händen. Es waren Kosaken in arg zerrissenen Röcken. Ihr schäbiger Aufzug – viele hatten nichts am Leib als das bloße Hemd und die kurze Pfeife zwischen den Zähnen – ließ ahnen, daß sie entweder sehr schlimme Tage erlebt oder aber sich so lustige Tage gemacht hatten, daß all ihr Hab und Gut bis auf die letzten Gewänder versoffen war. Aus ihren Reihen hervor trat ein kleiner, breitschultriger Kosak so um die Fünfzig herum. Er schrie lauter als alle andern und fuchtelte heftig mit den Armen. Aber vor dem Lärm der Arbeiter konnte man nichts von seinen Worten verstehn.
»Was bringt ihr Gutes?« fragte der Hetman, als der Prahm an Land stieß.
Alle die Arbeiter ließen Hammer und Meißel ruhen und schauten erwartungsvoll auf.
»Schlechte Post!« schrie der kleine Kosak vom Prahm herüber.
»Was denn für eine Post?«
»Gestattet ihr mir, ihr Herren Kosaken, eine Rede zu halten?«
»Sprich nur!«
»Oder wollt ihr vielleicht die Ratsversammlung berufen?«
»Sprich nur, wir sind hier alle versammelt!«
Das Volk drängte sich eilend zuhauf.
»Habt ihr denn wirklich gar nichts davon gehört, was in der Hetmanschaft los ist?«
»Was ist denn los?« fragte einer von den Gemeindeältesten.
»Fragt nicht so dumm! Euch hat der Tatar wohl Dreck in die Ohren gestopft, daß ihr nichts gehört habt?«
»Sag einfach, was los ist!«
»Sachen, wie sie noch kein getaufter Christenmensch früher gesehn hat.«
»Also mach keine Umschweife, Hundsfott!« schrie einer aus der Menge, dem die Geduld riß.
»Zeiten sind es, daß uns sogar unsere Kirchen nicht mehr gehören.«
»Was heißt: nicht gehören?«
»Sie sind an die Juden verpachtet. Wenn du dem Juden nicht im voraus das Geld dafür gibst – keine Messe wird dir gelesen!«
»Red keinen Unsinn!«
»Und wenn das jüdische Schwein nicht zuerst mit den unreinen Pfoten sein Zeichen über die heilige Hostie macht, darfst du kein Abendmahl feiern.«
»Schwindel, ihr Herren und Brüder, das kann doch nicht sein, daß ein unreiner Jude Zeichen über die heilige Hostie macht!«
»Hört nur zu! Das ist noch gar nichts: die römischen Pfaffen fahren jetzt in Bauernkarren durchs ganze Grenzland. Das aber ist nicht das Schlimme, daß sie in Bauernkarren fahren, das Schlimme ist, daß sie keine Pferde vorspannen, sondern rechtgläubige Christen. Hört nur zu! Das ist noch gar nichts: die Judenschicksen nähen sich Röcke aus Meßgewändern. So geht es zu im Grenzland, ihr Herren! Und ihr sitzt im Lager und sauft, der Tatar hat euch wohl so ins Bockshorn gejagt, daß ihr keine Augen und Ohren mehr habt und nicht hört, was in der Welt los ist?«
»Wart einmal!« unterbrach ihn der Hetman, der bisher gesenkten Blickes gestanden hatte. Kein Kosak folgt in ernsten Dingen der ersten Wallung, sondern er schweigt und speichert in seinem Innern die grimme Kraft seines Unwillens an. »Wart einmal! Ich will euch ein Wort sagen. Und ihr – der Teufel soll euren leiblichen Vater versohlen –, was habt ihr denn getan? Habt ihr keinen Säbel gehabt? Was war eure Antwort auf solche Greuel?«
»Ihr habt leicht reden! Antwort auf solche Greuel … Hättet ihrs doch probiert, wo’s von Polacken allein an die fünfzigtausend waren. Und – hängen wir der Katze die Schelle nur um – auch unter den Unsern hats Lumpen gegeben, die übergetreten sind zu denen ihrem dreckigen Glauben.«
»Und euer Hetman und die Obersten – was haben die gemacht?«
»Die Obersten sind gemacht worden, und zwar so, daß Gott uns alle in Gnaden davor behüte!«
»Was soll das heißen?«
»Das heißt es, daß unser Hetman heut in einem Kupferkessel gebraten zu Warschau liegt; und die Hände und Köpfe von unsern Obersten führen sie auf den Jahrmärkten herum und stellen sie vor dem Volk aus. Das haben unsere Obersten gemacht; jetzt wißt ihrs!«
Gleich einer Welle ging es durch die Versammlung. Anfangs lastete den ganzen Strand entlang ein Schweigen, wie es wütenden Stürmen vorausgeht; plötzlich aber erhoben sich Stimmen, das Ufer erbrauste von zornigen Worten:
»Was…! Die Juden haben christliche Kirchen in Pacht…! Die römischen Pfaffen spannen rechtgläubige Christen an ihre Deichseln …! Was …! Solche Martern muß man auf russischer Erde von den verfluchten Ketzern erleiden…! So springt man mit den Obersten und dem Hetman um…! – Nein, das dulden wir nicht, nein, das dulden wir nicht!«
Solche Reden flackerten überall auf. Die Kosaken lärmten empört und spürten im Zorn ihre Kraft. Dies war nicht