Nikolai Gogol

Gesammelte Werke von Nikolai Gogol


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schlich näher zu ihm heran, machte mit beiden Armen Zeichen, als hätte er ihm ein ganz besondres Geheimnis zu offenbaren, und flüsterte hastig: »Soll der Herr bloß halten reinen Mund und niemand nix sagen: bei de Kosakenfuhren is eine, was is meine Fuhre; ja ich hab allerlei nötige Sachen fer de Kosaken, und ja ich werd unterwegs verkaufen diversen Proviant ßu so genaue Preise, wie se verkauft hat noch niemals ä Jüd; Gott soll es wissen, wie preiswert, Gott soll mich strafen: so preiswert.«

      Taraß Bulba zuckte die Achseln und wunderte sich über die jüdische Geschäftstüchtigkeit. Dann sprengte er wieder zu seinen Leuten.

      Fünftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Alsbald war das ganze südwestliche Polen eine Beute des Schreckens. Es erhob sich ein Jammergeschrei: »Kosaken! Kosaken im Land!« Wer fliehen konnte, floh. Jeder machte sich auf und lief, so schnell ihn die Füße trugen, wie es der Brauch war in dieser wilden, sorglosen Zeit, da keine festen Plätze und Schlösser errichtet wurden, sondern die Leute sich, wo sie grade waren, ihre vergänglichen Strohhütten bauten. Sie dachten sich: – Wozu sollen wir Arbeit und Geld auf die Hütte verschwenden, da ohnehin beim nächsten Tatareneinfall der rote Hahn auf das Dach fliegt! – Alles geriet in Bewegung: einer tauschte sich gegen seine Ochsen und seinen Pflug Pferd und Gewaffen ein und stieß zur Truppe, der andre flüchtete in ein sichres Versteck, trieb sein Vieh vor sich her und schleppte von seiner Habe mit, was er aufpacken konnte. Manch einen gabs auch, der den ungebetnen Gästen mit bewaffneter Hand in den Weg trat; die Mehrzahl freilich machte sich fort, ehe sie kamen. Jeder wußte, es war nicht gut Kirschen essen mit dieser kriegerischen Sturmschar, die hinter äußerlicher Disziplinlosigkeit die eiserne Disziplin verbarg, die den Sieg in Schlachten erkämpft. Die Reisigen ritten, ohne die Rosse zu übermüden und heiß zu machen, das Fußvolk marschierte nüchtern hinter den Packwagen; der ganze Heerzug bewegte sich nur bei Nacht; tags rastete er an einsamen, unbesiedelten Plätzen und in den Wäldern, deren es damals noch zur Genüge gab. Späher und Kundschafter wurden vorausgeschickt, überall die Gelegenheit zu erforschen. Und so tauchten sie oft an Orten auf, wo man sich ihrer noch gar nicht versah. Dann machte dort alles Reu und Leid. Feuer wurde an die Häuser gelegt; Vieh und Pferde, die das Heer nicht mitnehmen wollte, wurden am Platze niedergesäbelt. Das hatte mehr von wilden Blutorgien als von einem richtigen Feldzug. Groß war die Bestialität jener halbwilden Zeiten; das Haar würde sich einem Menschen von heute sträuben vor der grausigen Spur, die die Kosaken überall hinter sich ließen. Säuglinge fielen dem Mordstahl zum Opfer, Weiber mit abgeschnittnen Brüsten wehklagten; wen man laufen ließ, dem wurden die Füße von den Knieen abwärts geschunden – kurzum, mit Wucherzinsen trieben die Kosaken die Schulden von früher ein. Der Abt eines Klosters schickte ihnen zwei Mönche ein Stück weit entgegen und ließ ihnen seine Mißbilligung wegen ihres unziemlichen Benehmens aussprechen; dabei bestände doch ein Vertrag zwischen den Kosaken und der Regierung – sie verletzten ihre Pflicht gegen den König und brächen das Völkerrecht.

      Der Hetman erwiderte: »Schönen Gruß zuvor an den Bischof von mir und allen Kosaken! Er soll keine Angst haben: die Kosaken zünden sich bloß ihre Pfeifen an.«

      Und alsbald wurde die stattliche Abtei von der mörderischen Flamme gepackt, die hohen gotischen Fenster schauten düster aus lodernden Feuerwogen. Flüchtende Scharen von Mönchen, Juden und Weibern übervölkerten plötzlich alle Städte, wo irgendeine Hoffnung auf die Besatzung oder das Bürgeraufgebot zu setzen war. Die Hilfstruppen, die die Regierung hier und da, wenns schon zu spät war, schickte, waren gering an Zahl; sie fanden die Kosaken gar nicht, oder sie bekamen es mit der Angst, gaben Fersengeld bei der ersten Begegnung und rissen auf ihren flüchtigen Gäulen aus. Es geschah auch wohl, daß sich mehrere königliche Heerführer, die in früheren Schlachten ruhmreich gefochten hatten, zusammentaten und ihre Kräfte vereinten, den Kosaken die Stirn zu bieten. Hier war es, wo sich die jungen Kosaken vor allem erprobten. Sie schauderten noch vor Raub, vor Plünderung, vor der Vergewaltigung Wehrloser zurück, brannten aber darauf, sich den Alten als Kämpfer zu zeigen, Mann gegen Mann sich gegen einen geschmeidigen Polackenfant zu erproben, der auf edelm Roß einherstolzierte und die hängenden Ärmel des Dolmans im Wind flattern ließ. Fröhliche Wissenschaft war das; genug an Pferdegeschirr, kostbaren Säbeln und Flinten hatten sie schon erbeutet. Im Lauf eines Monats wurden sie Männer, waren die eben erst ausgeschlüpften Flaumküken erwachsen und völlig verwandelt; ihre Gesichter, die vorher noch knabenhafte Weichheit zur Schau getragen hatten, blickten jetzt streng und stark. Der alte Taraß hatte seine Freude daran, wie seine Söhne überall unter den vordersten waren. Ostap schien der Weg des Soldaten von Geburt an vorgezeichnet zu sein, er hatte alle Gaben für die schwierige Kriegskunst. Nichts, was ihm zustieß, konnte ihn aus der Ruhe und Fassung bringen; voll einer Kaltblütigkeit, die bei einem Zweiundzwanzigjährigen fast unglaublich schien, ermaß er mit einem Blick die ganze Gefahr und die Aussichten des Kampfes, fand er, wo das geraten schien, schleunigst ein Mittel, ihm auszuweichen, aber bloß auszuweichen, um nachher desto gewisser den Sieg zu gewinnen. Seine Bewegungen atmeten jetzt schon die Sicherheit der Erfahrung; der künftige Feldherr war nicht zu verkennen. Sein Körper strotzte von Kraft, sein Kampfesmut lieh ihm die Gewalt eines Löwen.

      »Oh, der!« sagte der alte Taraß. »Das gibt einmal einen tüchtigen Hetman. Teufel, gibt das einen Hetman! Der Bursch steckt mit der Zeit den eignen Vater noch in die Tasche!«

      Andri ließ sich von der bezaubernden Musik der Kugeln und Schwerter völlig fortreißen. Er wußte nicht, was überlegen heißt, einen Plan machen, die eignen und die Kräfte des Gegners in Rechnung ziehn. Ihm war die Schlacht wilde Wonne und Lust; gleich einem Rausch überkam es ihn in den Minuten, da den Mann die Kampfeswut packt, da alles vor seinen Augen flimmert und wirbelt, da abgehauene Köpfe fliegen und Rosse dröhnend zu Boden schlagen, da der Kosak trunken dahinsprengt, durch Kugelpfeifen und Säbelblitzen, und Hiebe austeilt und nichts von den Hieben spürt, die er selber empfängt. Auch an Andri hatte der Vater oft seine Freude, wenn er, einzig dem feurigen Drange folgend, Gefahren anging, die ein Mensch mit kaltem Blut und Kopf wohl vermieden hätte, und wenn er durch sein berserkerhaftes Draufgehn Wunder vollführte, vor denen auch die ältesten Kämpfer staunende Augen machten.

      Der alte Taraß hatte seine Freude daran und sagte:

      »Auch er – möge ihn Gott in der Schlacht beschützen – ist ein tapfrer Krieger. Er ist kein Ostap, aber, das muß man sagen, ein tapfrer Krieger!«

      Der Hetman hatte beschlossen, geradeswegs gegen die Stadt Dubno zu ziehen, wo einem Gerücht zufolge ein schwerer Kriegsschatz lag und die Bürger Geld in Scheffeln besaßen. Schon um die Mitte des zweiten Tages rückte das Heer vor die Stadt. Die Einwohner beschlossen, sich bis zum letzten Mann und zur letzten Möglichkeit zu wehren und lieber auf dem Markt und den Gassen ihr Blut zu verströmen, als den Feinden den Weg über ihre Schwellen freizugeben. Ein hoher Erdwall umgab die Stadt; wo er nicht hoch genug war, hatte man Steinmauern errichtet oder mit Kanonen bestückte Blockhäuser oder Verhaue aus eichenen Palisaden. Die Besatzung war stark und wußte, worum es ging. Die Kosaken versuchten den Wall in schneidigem Ansturm zu nehmen, wurden aber von heißem Kartätschenfeuer empfangen. Auch die Bürger und das übrige Volk der Stadt schienen nicht müßig hinten bleiben zu wollen und drohten in hellen Haufen vom Wall. In ihren Augen las man den Willen zu verzweifeltem Widerstand. Selbst die Weiber nahmen am Kampfe teil. Den Kosaken auf die Köpfe regneten Steine, Fässer, Töpfe mit siedendem Wasser und endlich Säcke voll Sand, der ihnen die Augen blendete. Die Kosaken hatten nicht gern etwas mit festen Plätzen zu tun, der Sturm gegen Mauern war nicht ihr Fall.

      Der Hetman gab also Befehl zum Rückzug und sagte: »Wartet es ab, ihr Herren und Brüder! Wir ziehn uns zurück; aber ein ungläubiger Tatar will ich heißen, und nicht ein Christenmensch, wenn auch nur einer von denen da aus der Stadt kommt! Sollen sie nur alle vor Hunger verrecken, die Hunde!«

      Das Heer zog sich zurück, umzingelte die Stadt und machte sich aus lauter Langeweile daran, die Umgegend zu verwüsten. An die Dörfer der Nachbarschaft und die Kornschober, die noch nicht eingefahren waren, wurde Feuer gelegt; auf die ungemähten Felder jagte man die Gäule und ließ sie die vollen Ähren