fort.
»Das braucht uns nicht zu kümmern, Bambi. Wir haben doch einen großen Garten.«
Der Park, der das Herrenhaus umgab, war noch viel größer, und sie brauchten ziemlich lange, bis sie zum Haus gelangten.
Recht verlegen wurden sie, als anstelle von Alexandra deren Mutter aus der Tür trat.
»Ja, wen haben wir denn da?«, rief sie aus.
»Den Hannes und Bambi«, erwiderte die Kleine, da der Junge kein Wort herausbrachte.
»Es ist aber nett, dass ihr uns besucht«, sagte Marianne von Rieding herzlich.
»Alexandra von Rieding hat es gesagt«, stotterte Hannes.
»Ich bin ihre Mutter. Sandra, wir haben Besuch«, rief sie ins Haus.
Sandra kam die Treppe herab. Sie hatte ein Kopftuch umgebunden und sah aus, als hätte sie gerade Hausputz gehalten.
»Kommt doch erst mal herein«, sagte sie fröhlich. »Ich ziehe mich rasch um.«
»Wir wollten aber nicht stören. Wir können gleich wieder gehen«, meinte Hannes schüchtern.
»Das wäre ja noch schöner. Schaut euch das Haus inzwischen an. Ich bin gleich wieder da.«
Solch ein riesiges Haus hatten sie noch nicht von innen gesehen. Hannes kam es ein bisschen wie ein Museum vor, mit all den großen Bildern, den schweren Leuchtern und Skulpturen.
»Wohnen Sie hier ganz allein?«, fragte er Frau von Rieding. Sie nickte.
»Fürchten Sie sich nicht?«, murmelte er.
»Es ist alles ein wenig düster, aber das ändert sich noch«, erwiderte sie.
»Wir bewohnen ja auch nicht alle Räume, nur ein paar.«
»Und was machen Sie mit den anderen?«, fragte er weiter.
Sie seufzte auf. »Das wird sich noch finden.«
»Und eine Burg haben Sie auch noch«, wisperte Bambi.
»Das ist ja nur eine Ruine.«
»Wir wollten sie gern mal angucken«, ließ Bambi sich wieder vernehmen. »Dürfen wir das?«
»Freilich dürft ihr«, tönte Sandras melodische Stimme an ihre Ohren. »Machen wir uns auf den Weg.«
»Aber passt auf«, sagte Frau von Rieding warnend, »mir ist es da unheimlich.«
Sandra stellte fest, dass es halb so schlimm und ihre Mutter nur ängstlich sei. »Geister gibt es keine«, sagte sie.
»Schade«, brummte Hannes. »Ich hätte gern mal einen Geist gesehen.«
»Ich auch«, schloss sich Bambi eifrig an. »Es gibt gute Geister. Heinzelmännchen.«
»Doch bloß in Geschichten«, wurde sie von Hannes belehrt. »Für Bambi gibt es überhaupt nichts Böses«, erklärte er Sandra.
Sie nahm die Kleine bei der Hand. Der Weg zur Burg war schlüpfrig und schmal. Hannes trabte hinter ihnen her. Es war viel weiter, als es von unten aussah. Hoch ragte dann das alte Gemäuer vor ihnen empor.
»Was sind das für Löcher?«, fragte Bambi.
»Das sind Schießscharten«, erklärte Sandra.
»Da haben sie auf der Lauer gelegen und auf die Feinde geschossen«, fügte Hannes hinzu. »Heute haben sie Panzer, Raketen und Atombomben. Ich verstehe nicht, warum die Menschen aufeinander schießen.«
»Das dürfen sie gar nicht tun«, versicherte Bambi eifrig. »Man muss sich immer vertragen, sagt Mami.«
»Ja, das sollte man«, meinte Sandra gedankenvoll.
»Ich kann es gar nicht leiden, wenn sie im Fernsehen immer schießen«, erklärte Bambi. »Dann gehe ich immer raus.«
»Das sind doch nur Filme«, meinte Hannes. »Das ist doch keine Wirklichkeit.«
»Aber wo Krieg ist, ist Wirklichkeit«, beharrte Bambi. »Mami sagt, dass es schrecklich ist.«
Dann aber traten sie durch die knarrende Tür. Der untere Teil der Burg war noch verhältnismäßig gut erhalten.
Es war mehr ein großer Saal, und Sandra erklärte ihnen, dass es der Rittersaal gewesen sei.
»Die Ritter hatten Rüstungen«, stellte Hannes fest. »Gibt es die auch noch?«
»Ich habe noch keine gefunden«, lächelte Sandra. »Wenn welche da waren, wird man sie wohl ins Museum gebracht haben. Aber drüben im Herrenhaus auf dem Speicher stehen auch noch viele Sachen.«
»Gibt es hier auch ein Verlies?«, fragte Hannes neugierig. »Haben sie früher auch Leute eingemauert? Wie lange wohnt schon keiner mehr hier?«
»Man soll nicht so viel auf einmal fragen«, mischte sich Bambi ein. »Horch mal, da ruft wer.« Sie wurde ganz aufgeregt.
»Das ist das Echo, es wird von den Mauern zurückgeworfen«, erklärte Sandra.
Erleichtert seufzte Bambi auf. »Ich dachte schon, es wäre einer hier. So ein Geist!« Sie hatte nun doch ein bisschen Angst, und es war auch kühl und feucht in dieser Halle.
»Ganz schöne Spinnweben«, stellte Hannes fest. »Gibt’s auch Fledermäuse?«
»Und einen Drachen?«, fragte Bambi. »Oder hat den der Siegfried auch getötet?«
Sandra hatte sich schon lange nicht mehr so gut unterhalten und war richtig enttäuscht, als nun die Stimme ihrer Mutter nach ihr rief.
Hannes war sehr enttäuscht, denn er wollte sich gerade anschicken, das Kellergewölbe zu ergründen.
»Wir können ja noch öfter hergehen«, tröstete ihn Sandra. »Aber erkunde nur nichts auf eigene Faust. Wir sind verantwortlich, wenn etwas passiert.«
Als sie, alle drei ziemlich staubig, den Hügel hinabstiegen, bemerkten sie Felix Münster, den die Kinder ja auch schon kannten. Aber er war nicht allein.
Eine Dame war mit ihm gekommen und sein Sohn Manuel. »Der sieht aber fein aus«, flüsterte Bambi ihrem Bruder zu. »Neben dem können wir uns gar nicht blicken lassen.«
Aber sie konnten keinen anderen Weg gehen. Sie mussten am Herrenhaus vorbei. Der kleine Manuel sah sie mit großen Augen an. Er war nicht viel größer als Bambi und sehr zart. Die dunklen Haare hoben die Blässe noch hervor. Er trug einen dunkelblauen Blazer zu langen grauen Hosen und tadelloser Bügelfalte, ein weißes Hemd mit einer blauen Schleife.
Bambi versteckte ihre schmutzigen Hände in den Taschen ihrer Cordhose, und Hannes legte seine auf den Rücken. Sie konnten bemerken, dass die Dame, eine schlanke schwarzhaarige Frau, Manuel dicht an sich zog, während sie den beiden Kindern einen abweisenden Blick zuwarf.
»Wir gehen jetzt lieber«, stieß Hannes hervor. »Vielen Dank, Frau von Rieding.«
»Ich möchte gern wissen, wer die Kinder sind«, ließ sich da Manuel vernehmen.
»Bambi und Hannes Auerbach«, erklärte ihm sein Vater. »Du wirst mit ihnen spielen können, wenn wir erst hier wohnen.«
»Sei nicht so voreilig, Felix«, sagte seine Schwägerin in anmaßendem Ton. »Ich glaube kaum, dass sie der richtige Umgang für Manuel sind.«
Eine steile Falte erschien auf Felix Münsters Stirn, als Hannes und Bambi sich nun in größter Eile verzogen.
»Ihr Vater ist Professor Auerbach, Ellen«, erwiderte er scharf. »Nimm dies bitte zur Kenntnis. Sie sind eben richtige Kinder.«
Alexandra hatte inzwischen zur Kenntnis genommen, dass diese Ellen Düren alles andere als sympathisch wirkte. Sonst nicht so schnell mit ihrem Urteil, fällte sie diesmal ein vernichtendes. Der kleine Manuel tat ihr in tiefster Seele leid, und gegen Felix Münster hegte sie keine freundlichen Gedanken.
»Meine Schwägerin