fadenförmigen Geißelzellen, welche sich zu Millionen in jedem Tröpfchen des schleimartigen männlichen Samens (Sperma) finden; sie wurden früher wegen ihrer lebhaften Bewegung für besondere »Samentierchen« (Spermatozoa) gehalten. Auch die Entstehung dieser beiden wichtigen Geschlechtszellen in der Geschlechtsdrüse ist dieselbe beim Menschen und den übrigen Säugetieren; sowohl die Eier im Eierstock des Weibes, als die Samenfäden im Hoden oder Samenstock des Mannes entstehen überall auf dieselbe Weise, aus der Zellenschicht, welche die Leibeshöhle auskleidet.
Empfängnis oder Befruchtung. Der wichtigste Augenblick im Leben eines jeden Menschen, wie jedes anderen Gewebtieres, ist der Moment, in welchem seine individuelle Existenz beginnt; es ist der Augenblick, in welchem die Geschlechtszellen der beiden Eltern zusammentreffen und zur Bildung einer einzigen, einfachen Zelle verschmelzen. Diese neue Zelle, die »befruchtete Eizelle«, ist die individuelle Stammzelle (Cytula), aus deren wiederholter Teilung die Zellen der Keimblätter und die Gastrula hervorgehen. Erst mit der Bildung dieser Stammzelle, also mit dem Vorgange der Befruchtung selbst, beginnt die Existenz der Person, des selbständigen Einzelwesens. Diese ontogenetische Tatsache ist überaus wichtig, denn aus ihr allein schon lassen sich die weitestreichenden Schlüsse ableiten. Zunächst folgt daraus die klare Erkenntnis, daß der Mensch, gleich allen anderen Gewebtieren, alle persönlichen Eigenschaften, körperliche und geistige, von seinen beiden Eltern durch Vererbung erhalten hat; und weiterhin die inhaltschwere Überzeugung, daß die neue, so entstandene Person unmöglich Anspruch haben kann, »unsterblich« zu sein.
Die feineren Vorgänge bei der Empfängnis und der geschlechtlichen Zeugung überhaupt sind daher von allerhöchster Wichtigkeit; sie sind uns in ihren Einzelheiten erst seit 1875 bekannt geworden. Das einzige wesentliche Ereignis bei der Befruchtung ist die Verschmelzung der beiden Geschlechtszellen und ihrer Kerne. Von den Millionen männlicher Geißelzellen, welche die weibliche Eizelle umschwärmen, dringt nur eine einzige in deren Plasmakörper ein. Die Kerne beider Zellen, der Spermakern und der Eikern, verschmelzen miteinander. So entsteht eine neue Zelle, welche die erblichen Eigenschaften beider Eltern in sich vereinigt; der Spermakern überträgt die väterlichen, der Eikern die mütterlichen Charakterzüge auf die Stammzelle, aus der sich nun das Kind entwickelt; das gilt ebenso von den körperlichen wie von den geistigen Eigenschaften.
Keimanlage des Menschen. Die Bildung der Keimblätter durch wiederholte Teilung der Stammzelle, die Entstehung der Gastrula und der weiterhin aus ihr hervorgehenden Keimformen geschieht beim Menschen genau so wie bei den übrigen höheren Säugetieren, unter denselben eigentümlichen Besonderheiten, welche diese Gruppe vor den niederen Wirbeltieren auszeichnen. Die bedeutungsvolle Keimform der Chordula oder »Chordalarve«, die zunächst aus der Gastrula entsteht, zeigt bei allen Wirbeltieren im wesentlichen die gleiche Bildung: ein einfacher gerader Achsenstab, die Chorda, geht der Länge nach durch die Hauptachse des länglich-runden, schildförmigen Körpers (des »Keimschildes«); oberhalb der Chorda entwickelt sich aus dem äußeren Keimblatt das Rückenmark, unterhalb das Darmrohr. Dann erst erscheinen zu beiden Seiten, rechts und links vom Achsenstab, die Ketten der »Urwirbel«, die Anlagen der Muskelplatten, mit denen die Gliederung des Wirbeltierkörpers beginnt. Vorn am Darm treten beiderseits die Kiemenspalten auf, die Öffnungen des Schlundes, durch welche ursprünglich bei unseren Fischahnen das vom Munde aufgenommene Atemwasser an den Seiten des Kopfes nach außen trat. In zäher Vererbung treten diese Kiemenspalten, die nur bei den fischartigen, im Wasser lebenden Vorfahren von Bedeutung waren, auch heute noch beim Menschen wie bei allen übrigen Wirbeltieren auf; sie verschwinden später. Selbst nachdem schon am Kopfe die fünf Hirnblasen, seitlich die Anfänge der Augen und Ohren sichtbar geworden, nachdem am Rumpfe die Anlagen der beiden Beinpaare in Form rundlicher platter Knospen aus dem fischartigen Menschenkeim hervorgesproßt sind, ist dessen Bildung derjenigen anderer Wirbeltiere noch so ähnlich, daß man sie nicht unterscheiden kann.
Ähnlichkeit der Wirbeltierkeime. Die wesentliche Übereinstimmung in der äußeren Körperform und dem inneren Bau, welche die Embryonen des Menschen und der übrigen Wirbeltiere in dieser früheren Bildungsperiode zeigen, ist eine embryologische Tatsache ersten Ranges; aus ihr lassen sich nach dem Biogenetischen Grundgesetze die wichtigsten Schlüsse ableiten. Denn es gibt dafür keine andere Erklärung als die Annahme einer Vererbung von einer gemeinsamen Stammform. Wenn wir sehen, daß in einem bestimmten Stadium die Keime des Menschen und des Affen, des Hundes und des Kaninchens, des Schweines und des Schafes zwar als höhere Wirbeltiere erkennbar, aber sonst nicht zu unterscheiden sind, so kann diese Tatsache nur durch gemeinsame Abstammung erklärt werden. Diese Erklärung erscheint um so sicherer, wenn wir die später eintretende Sonderung oder Divergenz jener Keimformen verfolgen. Je näher sich zwei Tierformen in der gesamten Körperbildung stehen, desto länger bleiben sich auch ihre Embryonen ähnlich, und desto enger hängen sie auch im Stammbaum der betreffenden Gruppe zusammen, desto näher sind sie »stammverwandt«. Daher erscheinen die Embryonen des Menschen und der Menschenaffen auch später noch höchst ähnlich, auf einer hoch entwickelten Bildungsstufe, auf welcher ihre Unterschiede von den Embryonen anderer Säugetiere sofort erkennbar sind.
Die Keimhüllen des Menschen. Die hohe Bedeutung der eben besprochenen Ähnlichkeit tritt nicht nur bei Vergleichung der Wirbeltier-Embryonen selbst hervor, sondern auch bei derjenigen ihrer Keimhüllen. Es zeichnen sich nämlich alle Wirbeltiere der drei höheren Klassen, Reptilien, Vögel und Säugetiere, vor den niederen Klassen durch die Bildung eigentümlicher Embryonalhüllen aus, des Amnion (Wasserhaut) und des Serolemma (seröse Haut). In diesen mit Wasser gefüllten Säcken liegt der Embryo eingeschlossen und ist dadurch gegen Druck und Stoß geschützt. Diese zweckmäßige Schutzeinrichtung ist wahrscheinlich erst entstanden, als die ältesten Reptilien (Proreptilien), die gemeinsamen Stammformen aller Amniontiere, vollständig an das Landleben sich anpaßten. Bei ihren direkten Vorfahren, den Amphibien, fehlt diese Hüllenbildung noch ebenso wie bei den Fischen; sie war bei diesen Wasserbewohnern überflüssig. Mit der Erwerbung dieser Schutzhüllen stehen bei allen Amnioten noch zwei andere Veränderungen in engem Zusammenhang, erstens der gänzliche Verlust der Kiemen (während die Kiemenbogen und die Spalten dazwischen als »rudimentäre Organe« sich forterben), und zweitens die Bildung der Allantois. Dieser blasenförmige, mit Wasser gefüllte Sack wächst bei dem Embryo aller Amniontiere aus dem Enddarm hervor und ist nichts anderes als die vergrößerte Harnblase der Amphibien-Ahnen. Aus ihrem innersten und untersten Teile bildet sich später die bleibende Harnblase der Amnioten, während der größere äußere Teil rückgebildet wird. Gewöhnlich spielt dieser eine Zeitlang eine wichtige Rolle als Atmungsorgan des Embryo, indem sich mächtige Blutgefäße auf seiner Wand ausbreiten. Sowohl die Entstehung der Keimhüllen, als auch der Allantois geschieht beim Menschen genau ebenso wie bei allen anderen Amnioten und durch dieselben verwickelten Prozesse des Wachstums; der Mensch ist ein echtes Amniontier.
Die Placenta des Menschen. Die Ernährung des menschlichen Keimes im Mutterleibe geschieht durch ein eigentümliches, äußerst blutreiches Organ, die sogenannte Placenta, den Aderkuchen oder Blutgefäßkuchen. Sie wird nach erfolgter Geburt des Kindes abgelöst und als sogenannte »Nachgeburt« ausgestoßen. Die Placenta besteht aus zwei wesentlich verschiedenen Teilen, dem Fruchtkuchen oder der kindlichen Placenta und dem Mutterkuchen oder dem mütterlichen Gefäßkuchen. Dieser letztere enthält reich entwickelte Bluträume, welche ihr Blut durch die Gefäße der Gebärmutter zugeführt erhalten. Der Fruchtkuchen dagegen wird aus zahlreichen verästelten Zotten gebildet, welche von der Außenfläche der kindlichen Allantois hervorwachsen und ihr Blut von deren Nabelgefäßen beziehen. Die hohlen, blutgefüllten Zotten des Fruchtkuchens wachsen in die Bluträume des Mutterkuchens hinein, und die zarte Scheidewand zwischen beiden wird so sehr verdünnt, daß durch sie hindurch ein unmittelbarer Stoffaustausch der ernährenden Blutflüssigkeit erfolgen kann.
In den einzelnen Gruppen der Zottentiere ist die Ausbildung des Mutterkuchens wesentlich verschieden. Höchst wichtig ist nun die erst 1890 von Emil Selenka entdeckte Tatsache, daß gerade die Menschenaffen, besonders der Orang (Satyrus), mit dem Menschen gewisse Eigentümlichkeiten, die sich sonst nirgends finden, gemeinsam haben (Siehe den 23. Vortrag meiner Anthropogenie). Also bestätigt