von einer Seite aufgesetzet und doppelt ausgefertiget worden, wonach zu achten.
Regensburg am ersten April 1675.
(L. S.) Johann Gottlieb Riecher,
Notarius publicus caesar.
(L. S.) Christian Jakob Heyliger,
Zinsmeister zu Rothenburg im Thal.
(L. S.) Traugott Gottlieb Scheffer,
Kaiserl. Reichskammergerichtssecretarius
zu Regensburg.«
Die Blicke und Bewegungen der Hände, Schultern und Köpfe, welche diese Vorlesung begleiteten und ihr folgten, zu schildern, geht über unsere Kraft. Während Alles in Wunder und Staunen steht und Laurentia leise über die Schmach des Vaters weint, das Gesicht an der Brust des Geliebten verbergend, wollen wir einen Blick in die Vergangenheit werfen.
Anno 1675 war der Zinsmeister Christian Jakob Heyliger ein Mann in seinen besten Jahren, und der Reichskammergerichtssecretarius Scheffer, obgleich bedeutend jünger als der Zinsmeister, war doch nur ein kümmerliches Männlein gegen den stattlichen Bürger von Rothenburg. Nicht im mindesten wahrscheinlich erschien es von damals, daß der Secretarius für sich selbst einen angenehmen Gebrauch von dem eben vorgetragenen Schriftstück werde machen können. Der Mann hüstelte und spie auch von Zeit zu Zeit ein wenig Blut aus, und nicht die mindeste Aussicht war vorhanden, daß er nach dreißig Jahren mit diesem Pact werde hervortreten können. Freilich hatte er ein damals fünfjährig Söhnlein, welchem der Vertrag hätte zu gute kommen können; aber damit war es ein eigen Ding. Dieses Söhnlein war die einzige Frucht einer für den Secretarius ungemein stürmischen Ehe, und der Vater hatte längst den ohnmächtigen Zorn und Grimm, den er täglich seiner bessern Hälfte gegenüber verschlucken mußte, auch auf den kleinen Wolf, welchem die Frau Schefferin mit der Muttermilch die allergrößeste Verachtung der väterlichen Autorität eingeflößt hatte, übertragen. Der Papa kümmerte sich den Teufel um die Zukunft seines Sohnes.
Im Hause war der Secretarius Scheffer der erbarmungswürdigste Knecht und Sündenbock, den man sich vorstellen kann; aber er gehörte leider zu den Naturen, welche das Gift, das sie gegen die eigene Umgebung nicht verspritzen dürfen, nach Außen tragen, – vielleicht die gefährlichsten Menschen! Für das Unglück des eigenen Heerdes rächte sich Traugott Gottlieb Scheffer an der Außenwelt, und seine Stellung in der Maschinerie der Gerechtigkeitspflege des heiligen römischen Reiches deutscher Nation gab ihm die Gelegenheit dazu in Hülle und Fülle.
Zwischen den bergehohen Actenhaufen zu Regensburg, durch den Staub und Schmutz aller jener ewigen, sprichwörtlich gewordenen Rechtshändel kroch der kleine Mann in der ungeheuern Perrücke mit den langen hagern Armen und den dünnen Beinchen wie eine heimtückische Spinne, und betrachtete es als den Inhalt seines armseligen Lebens, so viel Menschen als möglich mit Leib und Seele von sich abhängig zu machen. Hier auf dem Felde wurde der Sklav zum Tyrannen; dreimal Wehe Allen, die sich in das Netz dieser Spinne verwickelten, ihre ganze übrige Lebenszeit hindurch mochten sie sich abzappeln darin; denn es gehörte zu des Mannes grausamer Lust am Schaden, daß er nicht jedes unglückliche Opfer auf der Stelle aussog und als leere Hülse hängen ließ. Solches that er nur den armen, einfältigen Teufeln, die ihm in keiner Weise gewachsen waren; mit ihnen gab er sich nur des Gewinnes wegen ab. Anders aber gestaltete sich die Sache, wenn ihm ein an List und Schlauheit ebenbürtiger Geist entgegentrat. In solchem Falle zeigte sich der Reichskammergerichtssecretarius in seiner ganzen giftigen Glorie, und unübertrefflich war die Kunst, mit welcher er leise, leise dem Gegner die ersten feinen Fäden, die zu unlöslichen Ketten werden sollten, um Hände und Füße legte. Fast unmöglich war es, der Subtilität, mit welcher die Fäden verstärkt und vermehrt wurden, sich zu erwehren. Hülflos bis zum Aeußersten hing zuletzt das Opfer im Netz, und Satan konnte vor Rührung über den trefflichen Schüler die Augen mit dem Schwanz wischen.
Zu den Leuten, welche dem Secretarius nahezu gewachsen waren, gehörte der Zinsmeister von Rothenburg, als er im Jahre 1673 seinen Proceß gegen Friedrich Martin Kindler begann und Anno 1675 selbst nach Regensburg ging, seinem Interesse nahe zu sein. Dunkle Wege beschritt er; aber sie führten gewissermaßen zum Ziel, denn Traugott Scheffer trug seine schweflicht leuchtende Laterne dem Zinsmeister voran. Besitzer der Silberburg mit Gärten, Ackerfeldern, Wiesen und Weinbergen ward Christian Jakob Heyliger; aber durch sein ganzes Leben hatte er alljährlich bedeutende Geldsummen gen Regensburg an den Secretär Scheffer zu schicken, ungerechnet die in dem Vertrag erwähnten Gelder. An dem Blatt, welches am 1. April 1705 in der Silberburg vorgelesen wurde, hielt der Secretär seinen Clienten. Es war kein Glück, was der Zinsmeister von Rothenburg mit der Silberburg erlangt hatte!
Im Jahre 1695 starb Traugott Scheffer weniger an der Abzehrung als an dem Schmerz und Verdruß über die Verlegung des Reichskammergerichts von Regensburg nach Wetzlar. Auch auf seinem Besitz haftete kein Glück; das Vermögen, welches der Eheherr zusammengescharrt hatte, zerfloß und zerging der trauernden Wittwe; Niemand wußte recht, auf welche Weise. Schlecht schlug das Söhnlein aus, that nach Kräften das Seinige zum Ruin der Mutter und lief zuletzt unter die Soldaten. Verlumpt und verludert kam es im Jahre 1703 heim aus dem Kriege, grade zur rechten Zeit, um dem Sarge der Mutter aus dem Hospital nach dem Kirchhof zu folgen.
Als Wolf Scheffer dann die wenigen Habseligkeiten der verschiedenen Frau durchstöberte, fand er das Blatt, welches ihn zum reichen Mann in Rothenburg im Thal machen konnte. Es war eine zerbrochene silberne Haarnadel, ein dito Löffelstiel und eine Kette von Bernsteinperlen hineingewickelt. Wolf that einen Pfiff über den Fund, machte die drei Werthgegenstände zu Geld und zog gen Rothenburg, wo er grade recht kam, den bedrängten Rath von dem fressenden Delinquenten im Thurm zu erlösen. Mit einer gewissen wilden Ironie und um nicht zu verhungern bis zum 1. April 1705, übernahm der einstige Profoß vom Regiment Deutschmeister-Infanteria das Scharfrichteramt der kleinen Reichsstadt. Er hatte durchaus nicht die Absicht, sein Leben in Rothenburg hinzubringen, so kam es ihm nicht darauf an, sich daselbst auf kurze Zeit anrüchig und ehrlos zu machen.
Wir haben gesehen, wie er seinem Feinde Georg Kindler begegnete und die Liebe desselben zu Laurentia Heyligerin entdeckte; wir haben gesehen, wie er die Silberburg, sein baldiges Eigenthum, Tag und Nacht nicht aus dem Auge ließ. Mit der Besitznahme der Silberburg glaubte der Rachsüchtige zugleich sich rächen zu können an Dem, welchem er seine Verstümmelung zu danken hatte, und so frohlockte er doppelt.
VIII.
Von Hand zu Hand ging im Kreise der Rothenburger Herren in der Silberburg das ominöse Papierblatt.
»O Vater! Vater!« schluchzte die Jungfrau.
»Wo er nur sein mag, daß er bei solchem Aufruhr im Hause nicht hervorkommt?!« rief Georg.
»Heyliger! Wo ist er? Wo ist der Meister Heyliger?« ging’s im Kreise.
Währenddem kam das Document zurück zu Herrn Cyprian Schnäubele, dem kaiserlichen Notarius, und von Neuem unterwarf dieser es der sorgfältigsten Prüfung, beäugte es von allen Seiten, von vorn und von hinten. Plötzlich stieß er einen Ausruf hervor, sah auf, umher in der Gruppe und auf die bleiche Laurentia. Er lächelte, schlug auf das Papier, hielt es in die Höhe und rief:
»Ihr Herren und Ihr, Jungfer Heyligerin, das Recht, so dieses Blatt gibt, will ich wohl anfechten und hoff’ meine Sach’ zu gewinnen; während der Proceß aber schwebt – beati possidentes!«
»Weshalb wollt Ihr dieses Recht anfechten?« fragte die scharfe Stimme Wolf Scheffer’s des Scharfrichters, der von seinem Gang durch’s Haus zurückkehrte und vor dem die Gruppe sich eben wieder öffnete. »Weshalb soll dieser besiegelte und manu propria von den Parteien unterschriebene Pact ungiltig sein?«
»Will’s Euch sagen, Meister,« sprach der Rechtsgelehrte. »Hier stehet freilich geschrieben, daß die Silberburg übergeben werden soll am ersten April 1705; aber hier steht auch geschrieben: gerechnet vom ersten April 1675 an dreißig Jahre. Merkt’s wohl, dreißig Jahre. Wird der Termin verpaßt, so ist der Vertrag