Wilhelm Raabe

Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe


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hing es sorgsam zu seiner alten Uniform in den Kleiderschrank, um es in bessern Zeiten wieder hervorzuholen. Sein Sohn Theodor ahmte dem Vater so gut wie möglich nach und saß still zu Hause bis zum zweiten Pariser Frieden, wo er aus dem Dunkel des Winzelwaldes hervorkroch und zur Hauptstadt kam, seine militärische Karriere zu beginnen. Er wurde im Laufe der Zeit Hauptmann in der Garde, heiratete ein Fräulein Viktorine von Zieger, zeugte seinen Sohn Leon, ruinierte den Poppenhof gänzlich und starb, ohne daß durch seinen Tod der Staatsorganismus ins Stocken geraten wäre, im Jahre 1835.

      In den zwanziger Jahren hatte der Papa Gotthelf das Zeitliche gesegnet, ohne daß er der Tochter die sorgsame Pflege seiner letzten Tage Dank gewußt hätte. Auch Juliane kam nach der Hauptstadt; denn auf dem Poppenhofe unter der Regierung des Bruders war ihre Stelle nicht mehr. Sie besaß ein Vermögen von zehntausend Talern, doch wurde die Hälfte desselben von dem Bruder zurückgehalten; sie mußte von der bleibenden Hälfte leben und einen Prozeß gegen Herrn Theodor führen. Erst einige Jahre nach dem Tode des Bruders wurde dieser Rechtsstreit zu ihren Gunsten entschieden.

      In der Hauptstadt lebte Juliane ganz zurückgezogen; sie liebte es immer noch, mit den niedern Volksschichten zu verkehren und ihnen nach Kräften mit Rat und Tat zu Hilfe zu kommen. Sie hatte das Unglück, an einem dunkeln Winterabend den Fuß auf einer Leiter, die in eine elende Dachkammer führte, zu brechen; aber ihr Lebensmut konnte durch nichts gebrochen werden. Sie hinkte durch die Gassen, eine allbekannte und doch geheimnisvolle Persönlichkeit; von allen Einwohnern der volkreichen Stadt wurde sie vielleicht am meisten gegrüßt.

      Aus dem Giebel des Nikolausklosters hatte Heinrich Ulex nach dem Tode des Meinersschen Ehepaares sein Observatorium gemacht; in der Musikantengasse hatte sich Fritz Fiebiger eingerichtet; sie wurden allmählich ein paar alte Junggesellen, und eine ältliche, närrische Jungfer war Juliane von Poppen geworden.

      In der großen Stadt kann man sich verstecken wie in dem Winzelwalde; jene hat ihre Schatten, ihre geheimnisvolle Lust und Schauer wie dieser. Wie in dem Winzelwalde fanden sich die drei frühern Genossen zusammen. Sie waren im Leben arg hin-und hergeworfen worden; sie suchten nunmehr die Einsamkeit und die Stille. Sie hatten alle viel gelernt; aber jeder sah die Welt auf seine Weise an; am kindlichsten war der Idealist Heinrich Ulex geblieben, am nüchternsten war Juliane von Poppen geworden; der Humorist Fritz Fiebiger bildete das verbindende Mittelglied. In dem Giebel des Sternsehers saßen sie nächtlicherweile, sahen nach den Gestirnen und beredeten den Lauf der Welt; ihnen hing die Einsamkeit die lichtblaue Seite ihres Schleiers über die Augen. Ein neues junges Geschlecht war um sie her aufgewachsen; das Weib fühlte am ersten und innigsten das Bedürfnis, mit der Jugend in Verbindung zu bleiben; – Juliane hatte sich zur Pflegemutter Helene Wienands gemacht.

      Das war folgendermaßen gekommen. Um das Jahr 1827 betrat das Freifräulein zum ersten Male das Wienandsche Haus. Sie kam in Geldgeschäften, vergaß aber das Kontor über dem, was sie in dem Hause selbst erblickte. Sie traf es in der allergrößten Verwirrung und Aufregung. Der Bankier war in Geschäften verreist; am frühen Morgen war Helene geboren worden, und die Mutter war eine halbe Stunde nach der Geburt gestorben. Die ratlose Dienerschaft lief hin und her. Verwandte besaß der Bankier in der Stadt nicht; der Doktor Pfingsten selbst war auf dem Punkte, den Kopf zu verlieren. Das Kind schrie in seiner Verlassenheit, die tote Mutter war die einzige Ruhige im Hause. In diesem Wirrwarr erschien das Freifräulein wie ein Engel, gesandt vom Himmel. Nachdem sie den Sachverhalt erkundet hatte, bemächtigte sie sich sofort der Leitung der Dinge, und zwar auf eine Art, welche die höchste Bewunderung verdiente. Ihren Prozeß, ihre Geldnot, ihre jungferliche Stellung, alles vergaß das Fräulein um die unbekannte Tote und das unglückliche Kind. Sie war nur das tröstende, sorgliche, ordnende Weib; und als der Bankier Wienand zu seinem zerstörten Heimwesen zurückgeeilt war, fand er die tiefste Ruhe und Ordnung hergestellt, fand er sein Kind mit Amme und Wärterin aufs beste versorgt, fand er sein Weib im geschmückten Sarge und das Freifräulein in schwarzer Seide, die Bibel auf den Knien, feierlich ernst neben der Toten. Als der durch das plötzliche Unglück völlig betäubte Mann anfing, sich wieder zu besinnen und das Geschehene zu begreifen, als er dann von dem Doktor Pfingsten vernahm, was er der fremden Dame schuldete, da sah er ein, obgleich er von Herzen so egoistisch wie irgend jemand war, daß er dem Freifräulein auf keine Art jemals sich dankbar genug beweisen könne. Er beteuerte ihr das auch einmal über das andere, Juliane jedoch rümpfte die Nase, sagte: »Dummes Zeug, Albernheit!« strich ihr Kleid auseinander und glatt und lud dem Bankier gleichmütig die Beaufsichtigung des großen Prozesses Poppen contra Poppen auf. Das kleine, mutterlose Mädchen aber hatte sie unendlich in ihr Herz geschlossen, und es und der Prozeß bewirkten, daß kein Tag verging, ohne daß das Freifräulein in dem Hause des Bankiers erschien, die Leitung von beiden zu besprechen. Der Bankier nahm sich denn auch des Prozesses aufs beste an, sorgte für die tüchtigsten Konsulenten und Advokaten und hatte wirklich an der glücklichen Beendigung desselben einen nicht geringen Anteil.

      Einen bessern Ersatz für die verlorene Mutter als Juliane von Poppen hätte der Vater Wienand seinem Kinde durch all sein Gold nicht erkaufen können. Das Freifräulein wurde der Schutzengel, welcher das kleine Mädchen in die Höhe hob, von der es frei und gesichert in das Gewühl der armen Menschheit blicken konnte. So wuchs und gedieh Helene Wienand unter diesem guten Schutz und ward zu einem an Leib und Seele schönen Jungfräulein, und der Bankier wunderte sich manchmal sehr darüber, wie die »Gnädige« es anfing, alle löblichen Eigenschaften des Kindes zu finden, zu erwecken und zur Blüte zu bringen. Der Bankier, der in ganz andern Anschauungen lebte, bekam zuletzt nicht nur Respekt vor dem hinkenden Freifräulein – das verstand sich von selbst –, sondern auch vor seinem Töchterlein. Auf diese Weise erreichte Helene Wienand ihr achtzehntes Jahr, und wir fanden sie auf dem Wege unserer Geschichte, wie wir sie im Anfange geschildert haben.

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