Готфрид Келлер

Gesammelte Werke von Gottfried Keller


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ihre Stadt verteidigten und an Reichskriegen teilnahmen, übertrafen den Adel an Pracht und Reichtum und unterschieden sich von ihm durch Gemeinsinn und sittliche Würde, vom gemeinen Bürger aber durch weitsehenden Blick und umfassenden erhaltenden Sinn. Ihre Frauen und Töchter rauschten wie große lebende Blumen einher, und die Damen mußten sich selbst gestehen, daß man vor vierhundert Jahren sich auch zu putzen wußte. Einige gingen mit goldenen Netzen und Häubchen um die schöngezöpften Haare, andere mit federwallenden Baretten und Hüten; manche die Brüste straff in Goldstoff und Perlenstickerei gespannt, zwei Rubinen auf den höchsten Punkten, mit feinstem Linnen den Hals umschlossen, manche aber mit prächtig entblößten Schultern, von köstlichem Rauhwerk eingefaßt. Das Fremde und Eigensinnige im Schnitt der Gewänder entstellte nicht, wie sonst verjährte oder unkluge Moden, sondern es schmückte auf das höchste und berauschte den Blick durch Eigentümlichkeit und Phantasie. Diese Trachten waren allerdings den klassischen einfachen Gewandmassen griechischer Welt gerade entgegengesetzt; aber nichtsdestominder verkündeten sie eine kecke Freude am Leben und am Leiblichen, nur daß der persönliche Sinn, der im Christentume liegt, sich in den wunderlich ausgedachten Umspannungen und Angehängseln des schönen Körpers zeigte.

      Überhaupt machte der ganze Festzug durch die bloße Tracht, welche auf das genaueste wiedergegeben war, einen ganz andern Eindruck, als unsere neuesten frömmelnden Romantiker in ihren unkundigen und siechen Schilderungen des Mittelalters beabsichtigen.

      Inmitten diesen glänzenden Reihen gingen einige venezianische Patrizier und Maler, als Gäste gedacht, poetisch in ihre welschen, purpurnen und schwarzen Mäntel gehüllt um Haupt und Schultern. Diese Gestalten lenkten trefflich die Vorstellungskraft auf die Lagunenstadt und von da ins ungemessene Weite an die Küsten der Alten und Neuen Welt, um von da wieder zurückzukehren zur spitzbogigen Wunderstadt mitten im Festlande.

      Trompeter und Pauker, gefolgt von drei Zugführern in Gold und Schwarz mit dem Reichsadler, eröffneten jetzt den Zug des Kaisers und Reiches, mit allem, was dieses an Tapferkeit und Glanz um jenen geschart hatte.

      Ein Haufen Landsknechte mit seinem robusten Hauptmann gab sogleich ein lebendiges Bild jener Kriegszeit und ihres unruhigen, auf Abenteuer gehenden, wilden und doch sanglustigen kindlichen Volkstumes. Diese frommen Landsknechte, einen Wald von achtzehn Schuh langen Spießen tragend, sahen sehr unfromm aus in ihrer bunten, aus aller Herren Ländern zusammengeraubten Tracht. Die rechte und linke Seite an demselben Mann war nicht nur ungleichfarbig, sondern auch ungleich geschnitten; das rechte Bein, der linke Arm steckten in ungeheuer aufgebauschten, fabelhaft zerschlitzten und bebänderten Gewandstücken, während der rechte Arm und das linke Bein in knappester Umhüllung sich formten. Der eine trug Hals und Schultern nackt und sonnenverbrannt, der andere mit einem erbeuteten Panzerstück bedeckt; diesem saß das leichtfertig gekerbte Barett schief auf dem Kopfe, indessen die langen angehäuften Federn ihm unten an die Kniekehle schlugen; jener hatte es auf dem Rücken hängen und schleifte die gestohlenen Federn gar am Boden. Sonst nannten sie nichts ihr als den sichern Tod im Felde, und auf dies schlimme Gut, auf Wein und Weibsbilder und etwa noch auf ihren geliebten Führer Frundsberg dichteten sie die artigsten Liedchen. In diesen weithinziehenden Fußknechten sah der innere Blick Berg und Tal, Wälder, Burgen und Festen, deutsches und welsches Land sich ausbreiten, nachdem die schöngebaute, mauergeschützte und maßvolle Stadt sich vorhin kundgetan.

      Vier Edelknaben mit den Wappenschildern von Burgund, von Holland, von Flandern und von Österreich, dann vier Ritter mit den Bannern von Steier, Tirol, Habsburg und mit dem kaiserlichen Paniere folgten; dann ein Schwertträger und zwei Herolde mit dem schwarzen Doppeladler auf dem goldenen Brust-und Rückenteil ihrer Röcke. Auf die Flamberge tragende Leibwache des Kaisers kam eine zarte Schar Edelknaben in kurzen goldstoffenen Wämsern, goldene Pokale tragend, dem kaiserlichen Mundschenk vorauf. Ebenso gingen grüne Jäger und Falkoniere dem Oberjägermeister voran, und wiederum Edelknaben dem Kaiser selbst.

      Fackelträger mit vergittertem Gesicht umgaben diesen. Rock und Hermelinmantel von schwarzdurchwirktem Goldstoff, einen goldenen Brustharnisch tragend, nebst goldenem Schwert in roter Sammetscheide, und auf dem Barett den königlichen Zackenreif, ging Maximilian I. heroisch daher, das edle Angesicht auf das Heldenmütige, Ritterhafte, Gemüt-und Sinnreiche gerichtet. So konnte man sagen selbst bei diesem lebenden Konterfei. Denn es hatte sich für das Bild des Kaisers ein junger Mann aus den fernsten Gauen des ehemaligen Reiches eingefunden, der, ein merkwürdiges Naturspiel, von edler Haltung und edlem Angesicht, wie dazu geschaffen war, ganz dasselbe offene, mannhafte und angenehme Gesicht, die starke gebogene Nase, die bei den besseren Habsburgern immer angenehm hervortretende Unterlippe und das kräftige schlichte, rund um den Kopf gleichgeschnittene Haar.

      Unmittelbar hinter dem Kaiser ging sein lustiger Rat Kunz von der Rosen, aber nicht gleich einem Narren, sondern wie ein kluger und wehrbarer Held launiger Weisheit. Er war ganz in rosenroten Sammet gekleidet, knapp am Leibe, aber mit weiten ausgezackten hängenden Oberärmeln. Auf dem Kopfe trug er ein arzurblaues Barett mit einem Kranze von je einer Rose und einer goldenen Schelle; an der Hüfte aber hing an rosenfarbenem Gehänge ein breites langes Schlachtschwert von gutem Stahl. Wie sein Held und Kaiser war er nicht sowohl ein Dichter als, was schöner ist, selbst ein Gedicht.

      Der Erbschenk von Kärnten und Statthalter der innerösterreichischen Lande, Siegmund von Dietrichstein, der als vertrautester und treuester Rat Maximilians zu dessen Seite begraben liegt, und der zum tüchtigen Feldherrn gediehene gelahrte Doktor der Rechte, Ulrich von Schellenberg, eröffneten nun die lange Reihe dessen, was die Tafelrunde Maxens an glänzenden Ritter- und Fürstengestalten aufzuweisen hatte. Da schritt in Stahl gehüllt und waffenklirrend einher, was von der Lüneburger Heide bis zur alten Stadt Rom, von den Pyrenäen bis zur türkischen Donau gefochten, geblutet und gesiegt hatte. Schlachten und harte Belagerungen, Schießen, Mauerbrechen, Hängen und Köpfen, ritterlich treues Leben und ruhmreiche Taten knüpften sich an die Namen aller dieser Kämpen, welche alle jedoch von den rastlosen wunderbaren Abenteuern und Taten des einzigen Kaisers übertroffen wurden.

      Den Feldherrnstab auf die Hüfte gestützt, trat zuerst auf Georg von Frundsberg, allein schon eine ganze Kriegszeit und Historie. Das Schwert Franz I. von Frankreich wurde ihm auf goldenem Kissen vorangetragen mit der Inschrift: Pavia 1525. Ein bärtiger Landsknecht trug seine Hellebarde; denn er liebte es, mit gutem Wertzeug in der Schlacht hie und da selbst mit einigen Streichen nachzuhelfen und auszubessern, wie ein guter Handwerksmeister, und man sah ihn dann dergestalt hantieren, daß er mit jedem Schlage einen Mann niederschlug und dazu hauchte wie ein Holzhacker. Ein Bergschütz aus seinem Stammland Tirol, mit Armbrust, Köcher, Panzerhemd und Schwert, trug seinen Wappenschild.

      Ihm folgte ein hoher gewaltiger Ritter, Herzog Erich von Braunschweig; seinen Stahlhelm zierte die Herzogskrone, aus welcher ein schillernder Busch von Pfauenfedern emporschwankte, und über diesem schwebte hoch ein goldener Stern. Voraus ging ein Edelknabe mit einer böhmischen Fahne, auf welcher geschrieben stand Regensburg 1504. Die wilde Böhmenschlacht, in welcher er dem Kaiser das Leben gerettet, trat hiemit vor das geistige Auge.

      Schwer an Erinnerung und Bedeutsamkeit folgte Franz von Sickingen, in Eisen gehüllt, mit seinem langen, gerechten und freiheitliebenden Schwert, seinem langen Arm. Ein Edelknabe trug die Fahne der Picardie voran mit der Inschrift: Bouillon 1518. Zwei geharnischte Reiterknechte gingen hinter ihm mit Waffen und Schild, der seinen Wahlspruch glänzen ließ: Gottes Freund, aller Welt Feind. Er selbst aber sah wohl aus wie der, welcher in der Not eines blutigen wilden Belagerungstodes im Harnischkasten begraben wurde.

      Wilhelm von Roggendorf und Graf Niklas Salm, jener von maurischen Siegeszeichen und der Inschrift: Berg Spadan 1522, dieser mit türkischen und der Inschrift: Wien 1529 begleitet, gaben das Bild einer schönen Heldenfreundschaft. Denn der eine, welcher als Jüngling in die Waffenlehre des andern gegeben ward, wurde in seltsam leidenschaftlicher Umkehrung des Weltlaufes der jugendliche Schwiegervater des Heldengreises, der seine Tochter liebte und auch vor ihm in heißer Türkenschlacht in seinen Armen starb. Beide aber ruhen in derselben Gruft.

      Dem Grafen Andreas von Sonnenburg ward die französische Fahne mit der Inschrift: Guinegaste 1479 vorgetragen. Ein Bergschütz aus seiner tirolischen Grafschaft, in Panzerhemd und Jägerhut, mit breitem Gürtel, langem Bogen und Köcher folgte und trug den Schild mit dem