Готфрид Келлер

Gesammelte Werke von Gottfried Keller


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Anhalt ging eine Fahne mit der Inschrift: Stuhlweißenburg 1490 voran, und seine Knappen trugen Lanze und Schild mit den Worten: Anhalt das treue Blut. Und endlich trug dem in blauer Rüstung und schwarzem Helmbusch schreitenden Marx Sittich von Hohenems ein Edelknabe die venezianische Fahne mit der Inschrift: Verona 1516 voran.

      Jetzt erschienen die gelehrten Räte des Kaisers; allein gleich der erste derselben, der berühmte Willibald Pirckheimer war wieder ein Stück Krieg, und nicht nur Schriftsteller, Altertumskenner und Beschützer aller Gelehrten und Künstler, sondern auch zuweilen Feldherr; der edle und treue Freund Dürers führte eine Kriegsschar seiner Vaterstadt Nürnberg, ein zweiter Xenophon, gegen die Schweizer im Schwabenkriege; und der gelehrte Mann mußte sich freilich mit noch bewährteren Kriegsfürsten trösten, wenn er in dieser schlimmen Gegend nicht die Lorbeeren holte wie auf den ruhigen Gefilden der Wissenschaft.

      Melchior Pfinzing, Verfasser des Teuerdank, und Marx Treitzsauerwein, der Geheimschreiber des Kaisers und Ordner des Weißkuniges, erschienen als die Zeugen der sinnreichen und fabelweisen Gemütsrichtung des römischen Königs.

      Ein reicher Hof von Rittern und Edelfrauen und endlich ein einsamer fahrender Ritter, geharnischt und die Zither über der Schulter, schlossen das Gefolge des Kaisers, welches ein zweiter Haufen Landsknechte von dem folgenden Zuge trennte.

      Auch diese Ritter- und Kriegswelt, von friedlichen Künstlern dargestellt, zeigte sich dessenungeachtet wahr und wesentlich, getragen von stattlich körperlicher Befähigung. Hier waren vorzugsweise die in männlicher Reife, Kunst und bürgerlicher Stellung vorgerückten Mitglieder vertreten, deren durch rüstiges und gelungenes Schaffen erreichter Wohlstand die kostbaren Gewänder möglich machte. Sie trugen mit kriegerischem Anstand die reichgeschmiedeten Rüstungen aus dem Zeughause, und die kecken, mannigfach geschnittenen Bärte schienen weniger die Zeichen malerischen Behabens als die Zierden wirklich tatenreicher Kämpen zu sein. Da nun aber jeder einzelne Mann nicht etwa ein schöngewachsenes Schema, ein bloßer Statist, sondern eine bedeutende Persönlichkeit, ein rechter Schmied seines Glückes war, der aus diesem, der aus jenem Winkel deutschen Volkstumes hervorgekommen, so mußte man beim Anblick so vieler unwillkürlich die Hoffnung fassen, daß ein solches Volk doch noch zu was anderm fähig sei als zur Darstellung der Vergangenheit und daß diese körperliche Wohlgestalt, welche so ähnliche Bilder toter Helden und Kaiser zeigte, unausbleiblich einst die wahren Kaiser, die rechten Schmiede und Herrscher des eigenen Geschickes, die selbständigen Männer der Zukunft hervorbringen werde.

      Während die Scharen aller bisher Vorübergeschrittenen weithin dem Blicke entschwanden und im weiten Rundgange sich kreuzten, rauschte und tanzte jetzt die Mummerei heran, in welcher alles, was die Künstlerschaft an übermütigen Sonderlingen, Witzbolden, seltsamen Lückenbüßern und Kometennaturen in sich hegte, Platz gewählt hatte.

      Der Mummereimeister Peter von Altenhaus eröffnete auf einem launischen Esel den träumerischen Zug, und hinter ihm kollerten die altdeutschen Narrengestalten, die zierlichen bunten Narren Gylyme, Pöck und Guggerillis und die verwachsenen Schälke Metterschi und Duweindel daher nebst vielen anderen Narren, welche aber nie beisammenblieben, sondern unaufhörlich zwischen den Gruppen des Zuges herumfuhren.

      Dann kam der bekränzte Thyrsusträger, welcher die behaarte, gehörnte und geschwänzte Musikbande führte. In ihren Bockshäuten nach der eigenen Musik hüpfend und hopsend, brachten diese Gesellen eine uralte, seltsam schreiende und brummende Musik hervor, bald in der Oktave, bald in lauter Quinten pfeifend und schnarrend, jetzt in schwindelnder Höhe, dann in der tiefsten Tiefe.

      Mit goldenem umlaubtem Thyrsusstabe schritt der Anführer des Bacchuszuges vor. Ein Kranz blauer Trauben umschattete tief seine glühende Stirn; von den Schultern flatterte und wallte eine festliche Last buntgestreifter Seidenbänder bis auf die Füße und verhüllte wehend den unbekleideten Körper. Nur die Füße waren mit goldenen Sandalen versehen.

      In biblischer Erinnerung trugen hierauf, umtanzt von halb mittelalterlich, halb antik geschürzten Winzern mit Krügen, Traubenbutten, die zwei Kundschafter aus dem Gelobten Lande an schwer gebogener Stange die große Traube. Vier noch kernhaftere Männer trugen an vier aufrechten Fichten eine noch viel größere Traube. Auch der dicke Silen, welcher unbehilflich und ängstlich zu Fuß ging, und die tobende Schar von Schenken, Faunen und Winzern, welche den Wagen des Bacchus zogen, schoben und umschwärmten, Schalen, Becken und Stäbe zusammenschlagend, waren halb modern, halb mythologisch gekleidet. Selbst der junge, efeubekränzte Bacchus, sonst ganz nackt, trug, mittelalterlich gedacht, ein zierliches Küferschürzchen um die runden Hüften. Eine Rebenlaube wölbte sich, und die dichten Trauben bildeten einen dunkelblauen Himmel über ihm, in den er sehnsüchtig hineinlächelte. Es war ein schöner rosiger Jüngling mit schwarzgelocktem Haar.

      Könige mit Krone und Zepter, zerlumpte Bettler mit dem Schnappsack, Pfaffen und Juden, Türken und Mohren, Knaben und weiße Greise zogen nun den Triumphwagen der Venus herbei. Diese war niemand anders als die schöne Rosalie in aller Anmut ihres rosig lachenden Wesens. Sie ruhete auf einem Rosenlager unter durchsichtiger Blumenlaube, in ein seidenes antikes Purpurkleid gehüllt, mit bloßen Armen und Füßen. Über der Stirn strahlte ein goldener Stern aus den dunklen Locken, in der Hand hielt sie eine goldene Weltkugel, auf welcher zwei silberne Täubchen saßen, die, mit den Flügeln schlagend, sich schnäbelten. Zwei Kreuzfahrer gingen unter den Gefangenen der Venus zu beiden Seiten des Wagens und gereichten ihr mit aufmerksamer Haltung zu besonderm Schutzgeleit. Sie aber sah sich dann und wann begierig und lächelnd um, da gleich hinter ihrem Wagen der biedere Erikson, welcher den Zug der Diana anführte, als wilder Mann einherschritt, seinen kraftvollen schönen Körper nur um Lenden und Stirn mit dichtem Eichenlaub geziert, er überragte um einen Kopf seine Umgebung, obgleich noch manche stattliche Gestalt dabei war. Viele Jäger folgten ihm mit grünen Zweigen auf Hüten und Kappen, die großen Hifthörner mit Laubwerk umwunden, das Jagdkleid aber mit Iltisfellen, Luchsköpfen, Rehpfoten und Eberzähnen besetzt. Einige führten Rüden und Windspiele, einige, mit Gebirgsschuhen und Steigeisen am Gürtel, trugen Gemsböcke auf dem Rücken, andere Auerhähne und Bündel von Fasanen und wieder andere auf Bahren Schwarzwild und Hirsche mit versilberten Hauern, Geweihen und Pfoten. Dann trug eine Schar trotziger wilder Männer einen wandernden Wald belaubter Bäume aller Gattung, in welchen Affen, wilde Katzen und Eichhörnchen kletterten und Vögel nisteten. Durch die Stämme dieses Waldes aber sah man bereits die silberne Gestalt der schmalen Diana schimmern, der lieblichen Agnes, wie sie von Ferdinand geschmückt worden war. Ihr Wagen war von allem möglichen Wilde bedeckt, und dessen Köpfe umkränzten ihn mit vergoldetem Gehörn und bunten Federn. Sie selbst saß mit Bogen und Pfeil auf einem bemoosten Fels, aus welchem ein lebendiger Quell in ein natürliches Becken von Tropfsteinen sprang, an welches die wilden Männer und Jäger sich manchmal durstig niederbeugten und aus der Hand tranken.

      Agnes war in ein Gewand von Silberstoff gekleidet, welches bis tief auf die Hüften ganz anliegend war und alle ihre geschmeidigen Formen wie in Silber gegossen erscheinen ließ. Die kleine klare Brust war wie von einem Silberschmied zierlich getrieben. Vom Schoße abwärts aber, der von einem grünen Gürtel mehrfach umwunden war, floß das Gewand weit und faltig, mehrfach geschürzt, doch bis auf die Füßchen, welche mit silbernen Sandalen keusch hervorguckten. Im schwarzen, griechisch geknüpften Haare machte sich mit Mühe die strahlende Mondsichel sichtbar, und wenn sich Agnes nur ein bißchen regte, so wurde sie von den dunklen Locken zeitweise ganz bedeckt. Ihr Gesicht war weiß wie Mondschein und noch bleicher als gewöhnlich; ihr Auge flammte dunkel und suchte den Geliebten, während in dem silberglänzenden Busen der kühne Anschlag, den sie gefaßt, pochte und rumorte.

      Ferdinand aber, welcher das Gewand eines jagdliebenden Königs gewählt hatte, um der Diana nahe zu sein, hatte sich längst unter den Triumphzug der Venus gemischt, betrachtete sie wie ein Träumender unverwandt und wich keinen Schritt von ihrem Wagen, ohne sich dessen innezuwerden; denn kaum hatte er Rosalien beim Beginne des Festes gesehen, so ließ er Agnes, die er geschmückt und soeben auf den Wagen gehoben, wie sie war, und folgte jener gleich einem Nachtwandler.

      Heinrich hatte sich in ein laubgrünes Narrenkleid gehüllt und trug einen Jagdspieß statt des Kolbens; um die Schellenkappe hatte er ein Geflecht von Stachelpflanzen und Stechpalme mit ihren roten Beeren geschlungen als eine grünende Dornenkrone. Was er damit