Schneiderlehrling den Kampf mit ihm auf in Festsetzung der Liebes- und Glücksregeln im Frauendienst. Der Schuster behauptete, daß Tiefsinnigkeit, poetisches Wesen und stolze Bescheidenheit die Frauen gewännen; der Schneider hingegen verlangte zu solchem Glücke Anmaßung, Mutwillen und leichtsinniges Aufgeben der eigenen Person. Hans Rosenplüt, der Schnepperer, aber schlichtete den Streit und erklärte die Frauen für wunderliche Wesen, welche stets die eine Art liebten, wenn die andere gerade nicht zu haben wäre, und daß beide abwechselnd ihres Glückes genössen.
In einer schön geschmückten großen Nische war um Rosalien ein ordentlicher Venushof versammelt. Zwei oder drei anmutige Frauen hatten sich ihr zugesellt, weil es hier fröhlich und galant herging und sich der ganze Schwarm der Gefangenen der Schönheit mit großer Geschicklichkeit und Aufrichtigkeit in seine Rolle fand.
In einer anderen Nische, welche mit dieser durch eine offene Tür verbunden war, hatten die Jäger ihren Sitz aufgeschlagen und einige lustige junge Mädchen zur Gesellschaft der Diana herbeigelockt. Heinrich saß Agnes zur Seite und beschützte sie insbesondere. Erikson, der wilde Mann, ging ab und zu; er konnte seiner seltsamen Tracht wegen nicht wohl tanzen noch sich in zu große Nähe der Frauen setzen und beschränkte sich daher, hier und dort einen Becher zu trinken oder an den improvisierten Spielen teilzunehmen. Fast bereute er, diese Rolle gewählt zu haben, und sah ziemlich unbehaglich, wie Ferdinand fort und fort Rosalien den Hof machte; sie hatte sich mit weißen Atlasschuhen versehen und tanzte zuweilen mit Ferdinand, der in seinem Hubertusgewande sehr wohl aussah und sich mit sicherm Anstande betrug. Er hatte einige kostbare Brillanten, Zeichen seines holländischen Reichtumes, in Ringen und Spangen angelegt, und die reiche Rosalie benahm sich gegen ihn mit der heiteren Ungezwungenheit, welche die gesicherten Reichen gegenseitig zu üben pflegen. Sie lachte, scherzte und strahlte von freundlichem Liebreiz, indem sie gegen alle sich hold und froh zeigte, gegen Ferdinand aber ihre Unwissenheit beklagte und bedauerte, welche sie so lange von den wahrhaft frohen und klugen Kreisen der Künstler ferngehalten habe und sie selbst jetzt nur ihre Freude, nicht aber den Ernst ihrer Arbeit verstehen lasse. Sie drückte sich aber mit so artigen und klugen Worten aus, daß Ferdinand von ihrem naiven, anmutigen Geiste entzückt wurde und immer weniger seine Blicke von ihr wandte oder von ihrer Seite wich. Es wehte ein süßer Hauch der Frauenhaftigkeit ihn an, wenn sie lächelte und sprach, und der Stern in ihren Locken glänzte wirklich wie der Stern der Venus.
Er fühlte eine Fesselung aller Sinne, welche ihn alles andere vergessen und alles Trachten auf das reizende Weib richten ließ, von dem sie ausging, als ob sonst kein Heil in Zeit und Ewigkeit zu finden wäre. Bei den meisten Männern ist dies ein vorübergehendes inneres Begehren, eine rasche, allmählich verwehende Aufwallung des Denkens, die hundertmal entsteht und hundertmal verschwindet. Ferdinand war aber einer von denen, welche, in allen anderen Dingen klar und besonnen, in diesem einen Punkte die Verblendung und Aufwallung mit schrankenloser und unverhüllter Selbstsucht kundgeben. Rosalie lieh seiner beredten Aufmerksamkeit ein williges Ohr und blickte ihn dabei mit großem Wohlwollen an, nur zuweilen einen flüchtigen, aber zufriedenen Blick auf die prachtvoll und mächtig geformte Gestalt Eriksons werfend, wenn er vorüberging, so daß dieser mit der Wahl seines Kostümes sich ausgesöhnt, wenn er diese Blicke gesehen hätte. Er ließ aber den Unmut nicht über sich Herr werden, sondern betrug sich gleichmütig und stolz, und nur wenn sein Blick denjenigen Rosaliens traf, sah er sie mit großen fragenden Augen an.
Agnes hatte schon lange stumm neben Heinrich gesessen; sie wiegte, trauernd und den Busen von ungestümem Schmerze bewegt, das schwarzgelockte Haupt auf den schmalen Silberschultern, und nur zuweilen schoß sie einen flammenden Blick zu Ferdinand und Rosalien hinüber, zuweilen sah sie verwundert und wehmütig hin, aber immer sah sie dasselbe Schauspiel.
Heinrich, welcher aus Ferdinands Betragen nicht klug wurde, indem ihm eine solche Unmittelbarkeit des Wechsels und unter solchen Umständen doch nicht glaubhaft schien, versank in tiefes Sinnen. Die vergangene Zeit kam über ihn, und indem er an die bemalte Decke des Saales emporsah, erinnerte er sich jener Fastnacht, wo er unter dem freien Himmel der Heimat, auf luftigen Bergen, unter Vermummten sich umgetrieben oder neben der toten Anna durch den Wald geritten. Er verfiel mehr und mehr auf das Andenken dieses guten Mädchens, und eine große Verliebtheit erfüllte ihn, wie er sie lange nicht empfunden.
Ein tiefer Seufzer weckte ihn auf, welchen die silberne Agnes neben ihm tat, und sogleich schlossen sich seine Empfindungen, die aus dem Schattenreiche gleich Abendnebeln aufgestiegen, an diesen lebendigen Kern; er sah ihre seltsame Schönheit und trank verwirrt aus seinem Weinglase, als Agnes ihn plötzlich aufforderte, mit ihr zu tanzen. Schon drehten sie sich rasch durch die rauschende Menge, und jedermann lachte voll Vergnügen, als der grüngekleidete Narr mit der elfengleichen Diana dahinwalzte. Sie tanzten zwei- und dreimal um den Saal und begegneten jedesmal der rosigen Venus, deren Purpurgewand flog und den mit ihr tanzenden Lys zeitweise halb verhüllte. Dieser grüßte das Dianenpaar froh und zufrieden, wie man Kinder grüßt, welche sich gut zu unterhalten scheinen, denn er war in dieser Sache so verblendet, daß er sich vollkommen unverpflichtet und frei glaubte, bloß weil er mit dem armen Mädchen absichtlich noch nie von Liebe gesprochen hatte. Rosalie hingegen, welche von der früheren Bewandtnis dieses Verhältnisses nichts wußte, freute sich über das zierliche Kind und verlangte dasselbe in ihrer Nähe zu haben, als Heinrich mit anderen an einigen lustigen Spielen, die aufgeführt wurden, teilnehmen mußte.
Kunz von der Rosen führte an einem langen Seile alle vorhandenen Narren durch das Gedränge; jeder trug auf einer Tafel geschrieben den Namen seiner Narrheit, und von den leichteren und liebenswürdigeren Narrheiten schied der lustige Rat neun schwere aus und stellte mit ihnen vor dem Kaiser ein Kegelspiel auf. So standen da vor aller Augen Hochmut, Neid, Vielwisserei, Grobheit, Eitelkeit, Wankelmut in der Hoffnung, Halsstarrigkeit, tatlose Vergleichungssucht und unfruchtbare Selbstbespiegelung. Mit einer ungeheuren Kugel, welche die leichteren Narren mit komisch heftigen Gebärden herbeiwälzten, versuchte nun mancher Ritter und Bürger nach den neun Narren zu schieben, aber nicht einer wankte allen diesen Einzelwürfen, bis endlich der kaiserliche, tadellose Held, in welchem sich gewissermaßen das ganze deutsche Volk darstellte, sie alle mit einem Wurfe über den Haufen warf, daß sie possierlich übereinanderpurzelten.
Kunz von der Rosen richtete die Gefallenen halb auf und ordnete sie zu einer plastisch-mimischen Darstellung der Niobidengruppe, und von diesem Scherze ging er zur Bildung anderer berühmten Gruppen über drei reizende, nicht völlig ausgewachsene Schüler im Narrenhabit stellten die Grazien dar, und das so anmutig schalkhaft, daß sie, kaum auseinandergegangen, in den Kreis der Damen gelockt wurden, ohne zu wissen wie, und sich dort aufs liebreichste geschmeichelt und gehätschelt sahen. Des gleichen Vorzuges genoß ein schöner Zwerg, der kleinere Bruder jenes Koboldes auf dem Wagen des Bergkönigs, welcher mit klassischem Anstande den sterbenden Fechter machte in seinem Schellenkleidchen. Dann stellte Erikson den Laokoon vor, durch mächtige Papierschlangen mit zwei jungen Narren verbunden.
Als er in der beschwerlichen Stellung dasaß und sich nicht rühren durfte, indessen seine kräftigen Muskeln alle in wunderschönem Spiele seiner Bewegung gehorchten, sah er, wie Rosalie, deren Augen unverwandt an ihm gehangen, fast gewaltsam von Ferdinand weggezogen und durch die Räume geführt wurde. Er hielt es nun nicht länger aus, und kaum von den Schlangen losgewickelt, durchstürmte er das Haus und bettelte sich von befreundeten Gestalten Gewandstücke zusammen, die sie in der vorgerückten Stunde nun wohl entbehren konnten, und warf sich dieselben hastig über. Wunderlich gekleidet, teilweise ein Mönch, ein Jäger und ein wilder Mann, den Kopf noch grün belaubt, suchte er die engere Gesellschaft auf und setzte sich dicht an die andere Seite Rosaliens; denn die Bacchusleute, die Jäger und der Hof der Venus hatten sich nun in einem großen Kreise vereinigt, um bis zum nahenden Morgen gemeinsam zu jubilieren, und Ferdinand wich nicht von der Seite der schönen Witwe. Mit der größten Tollheit fuhr er fort, ihr den Hof zu machen, obgleich er die Hoffnungen Eriksons wohl kannte. Dieser saß und lauschte seinen Worten, ohne daß er sich seine Unruhe anmerken ließ und ohne seine Schöne zu belästigen, welche ebenfalls fortfuhr, Ferdinands Huldigungen ihre Freundlichkeit entgegenzusetzen und sich von ihm aufs angenehmste unterhalten zu lassen. Erikson besorgte wohl, daß der Teufel sein Spiel treiben und ihm die Jagd verderben könnte; aber als ein erfahrener Jäger verharrte er unbeweglich auf dem Anstande, weil ihm das zu erjagende Wild zu kostbar und edel war, als daß er sich durch