Dollar auf die Wette.«
Die Ebbe war jetzt tief genug, dass sie Muscheln sammeln konnten, und Saxon folgte den Männern auf die nördliche Felswand. Am Nachmittag sollte ein kleiner Wagen kommen, wie Hall erklärte, um die Muscheln nach Carmel zu transportieren. Als die Säcke voll waren, wagten sie sich weiter zwischen die Felsspalten und wurden durch drei Abalonen belohnt, und in den Schalen der einen fand Saxon eine Perle, die sie sich so gewünscht hatte. Hall weihte sie in den geheimnisvollen Prozess ein, mit dem man das Fleisch der Abalonen stoßen und zubereiten musste. Es schien Saxon jetzt, als hätte sie Hall schon lange gekannt. Sie musste an alte Tage denken, wenn Bert bei ihnen gesessen und seine Lieder gesungen oder von den letzten Mohikanern geschwatzt hatte.
»Hören Sie, jetzt will ich Sie etwas lehren«, sagte Hall gebieterisch, während er einen großen, runden Stein über dem Abalonenfleisch schwang. »Ihr dürft nie Abalonen klopfen, ohne dies Lied zu singen. Und ihr dürft dieses Lied auch nicht zu einer anderen Zeit singen – das wäre eine Heiligtumschändung. Abalonen sind eine Götterspeise. Die Zubereitung ist eine religiöse Zeremonie. Hört jetzt zu und passt gut auf, es ist eine sehr feierliche Handlung.«
Der Stein fiel klatschend auf das weiße Fleisch, und dann hob und senkte er sich wie eine Art Tamtambegleitung zum Gesang des Dichters:
So mancher preist den Kaviar
Als Bestes aller Zonen,
Ich aber halte immer mich
An meine Abalonen.
Oft sammeln sich die Freunde froh,
Die hier in Carmel wohnen,
Sie sind und bleiben ihnen treu,
Den feisten Abalonen.
Sie wandern durch die ganze Welt
Und tun es seit Äonen,
Und singen toll aus Herzenslust,
Die klagenden Abalonen.
Der eine lebt in wildem Braus,
Der andre will sich schonen,
Wir aber bleiben in Carmel
Und fangen Abalonen.
Mit offenem Mund, den Stein in der erhobenen Hand, hielt er inne. Es ertönte Wagenrumpeln, und eine Stimme rief von der Stelle aus dem Felsen, wo sie die Säcke mit den Muscheln hintransportiert hatten. Da ließ er krachend den Stein auf die Abalonen niedersausen und stand auf.
»Es gibt noch tausend Strophen von der gleichen Art«, sagte er. »Es tut mir leid, dass ich keine Zeit habe, sie euch alle zu lehren.« Er streckte die Hand gegen sie aus. »Und jetzt, Kinder – Gott segne euch! – seid ihr Mitglieder des Clans der Abalonenesser, und ich lege euch feierlich ans Herz, nie, wie es auch geht, Abalonenfleisch zuzubereiten, ohne das heilige Lied zu singen, das ich euch jetzt offenbart habe.«
»Aber wie sollen wir uns der Worte erinnern, wenn wir sie nur einmal gehört haben?« wandte Saxon ein.
»Das werden wir schon machen. Am nächsten Sonntag wird der Stamm der Abalonenesser hierher zu euch in die Biercebucht kommen, und ihr werdet alle Zeremonien, die Verfasser und Verfasserinnen, ja, sogar den eisernen Mann mit dem Basiliskenauge sehen, der gewöhnlich unter dem Namen ›König der Priestereidechsen‹ geht.«
»Kommt Jim Hazard auch?« rief Billy, als Hall im Busch verschwand.
»Ja, er kommt ganz sicher. Er ist ja der Oberprügelmeister der Höhlenbären, der furchtbarste und nach mir erhabenste aller Abalonenesser.«
Billy und Saxon sahen sich an, bis das Geräusch der Wagenräder sich in der Ferne verlor.
»Teufel auch!« erklärte Billy. »Das ist ein Kerl! Und nicht im geringsten großschnauzig. Er ist genau wie Jim Hazard. – Kommt her und tut, als sei er zu Hause – du bist gerade so gut wie er, und er ist gerade so gut wie du – und wir sind alle gute Freunde, sofort und ohne die geringsten Mätzchen.«
»Er stammt auch aus dem alten Geschlecht«, sagte Saxon. »Das erzählte er mir, als du dich auszogst. Seine Familie ist aus Panama hierhergekommen, bevor die Eisenbahn gebaut wurde, und nach dem, was er sagte, glaube ich, dass er eine Menge Geld hat.«
»Das sollte man nicht glauben, wenn man ihn sieht.«
»Und ist er nicht komisch?« rief Saxon.
»Furchtbar komisch! Und das – das soll ein Dichter sein!«
»Ach, ich weiß nicht recht, Billy! Ich habe gehört, dass viele Dichter nicht wie andere Menschen sind.«
»Ja, das ist sehr richtig, jetzt, da ich daran denke. Da ist Joaquin Miller – der wohnt in den Bergen, hinter dem Fruchttal. Das ist ein merkwürdiger Mensch. Ganz in der Nähe von seinem Landsitz war es, wo ich um dich anhielt. Aber deshalb glaubte ich doch, dass Dichter mit Backenbärten und Kneifern herumliefen, und ich glaubte nicht, dass sie je Läufern auf Freiluftplätzen das Bein stellen oder so nackt herumliefen, wie die Polizei es erlaubt, und Muscheln sammeln und wie Ziegen klettern.«
Diese Nacht lag Saxon wach unter der Decke, und sie sah zu den Sternen empor, freute sich über den balsamischen Duft aus dem Busch und lauschte auf das dumpfe Poltern der Brandung und auf das Flüstern des Wassers, das sich wenige Fuß von ihnen auf dem schirmenden Strande kräuselte. Billy regte sich, und sie wusste, dass auch er nicht schlief.
»Freust du dich jetzt, dass du Oakland verlassen hast, Billy?« sagte sie und schmiegte sich eng an ihn.
»Huh!« lautete die Antwort. »Ist eine Muschel glücklich?«
*
Vor jeder Flut lief Billy den südlichen Felsgrat entlang – den ganzen gefährlichen Weg, den er und Hall gemacht hatten, und jedes Mal legte er ihn in kürzerer Zeit zurück. »Warte bis Sonntag«, sagte er zu Saxon. »Ich will den Dichter schon für sein Geld laufen lassen. Es gibt nicht eine Stelle, die mir Schwierigkeiten macht. Ich fühle mich so sicher. Wo ich früher auf Händen und Füßen kroch, laufe ich jetzt. Ich denke so: Gesetzt, es wäre nur einen Fuß auf jeder Seite tief, und es wäre weiches Heu, dann würdest du überhaupt nicht fallen. Du würdest wie der Blitz hinüberkommen. Und ob es auf jeder Seite eine Meile hinuntergeht, ist ganz einerlei. Das geht dich nichts an. Was dich angeht, ist, dass du oben bleibst und wie der Blitz weiterläufst. Und weißt du, Saxon, als ich es erst so ansah, störte es mich gar nicht mehr. Warte, bis er mit allen anderen am Sonntag kommt. Ich bin bereit, ihn zu empfangen.«
»Ich möchte wissen, wie die anderen sind«, sagte Saxon nachdenklich.
»Selbstverständlich genau wie er. Gleich und gleich gesellt sich gern. Sie sind sicher nicht großschnauzig – keiner von ihnen, das wirst du schon sehen.«
Hall