erlebt. Es war, als wollten alle alten Träume in Erfüllung gehen. Sie hatte sich nie gedacht, dass die Welt so herrlich sein könnte, nicht einmal in ihren schönsten Träumen. Billy drückte ihr zärtlich die Hand. »Woran denkst du?« fragte er, als sie sich schließlich erhob, um zu gehen.
»Ach, das weiß ich nicht recht, Billy. Vielleicht dachte ich daran, dass ein Tag wie der heutige viel schöner war als zehntausend Jahre in Oakland.«
*
Sie verließen den Carmelfluss und Carmel, und im Sonnenaufgang wanderten sie nach Süden über die Hügel zwischen den hohen Bergen und dem Meere. Der Weg war arg überschwemmt und voller Wasserläufe und sah nicht nach starkem Verkehr aus.
»Weiter unten verschwindet er ganz«, sagte Billy. »Dort gibt es nur Viehsteige. Aber es sieht nicht danach aus, dass es dort Wald gäbe, und dieser Boden ist nicht besonders gut. Er ist nur als Weide zu gebrauchen – nichts für Landwirtschaft.«
Die Hügel waren kahl und mit Gras bewachsen. Nur in den Canyons gab es Wälder, während die höheren und ferneren Berge ganz zottig von Chaparral waren. Einmal sahen sie einen Coyoten in den Busch schlüpfen, und einmal hätte Billy gern ein Gewehr gehabt, da eine große Wildkatze sie boshaft anstarrte und erst flüchtete, als sie mit einem Klumpen Erde vertrieben wurde, der wie eine Granate um ihre Ohren explodierte.
Saxon klagte über Durst, und an einer Stelle, wo der Weg fast in gleicher Höhe mit dem Meeresspiegel ging und über eine kleine Bergschlucht führte, sah Billy sich nach Wasser um. Die Felsschlucht war feucht von dem Wasser, das von den Hügeln herabsickerte, und er ließ sie sich niedersetzen und sich ausruhen, während er nach einer Quelle suchte.
»Hör mal«, rief er ein paar Minuten später, »komm herunter. Das musst du wirklich sehen. Wenn du das siehst, wirst du ganz wild.«
Saxon folgte dem halbverwischten Pfad, der über den steilen Hang durch das Dickicht hinabführte. Ungefähr in der Mitte, wo ein von großen Steinen beschwerter Stacheldrahtzaun hoch über die Mündung der Schlucht hinwegführte, sah sie den ersten Schimmer des winzigen Strandes. Nur vom Meere aus konnte man die Existenz dieser Schlucht erraten, so völlig war sie zwischen den drei Seiten nach dem Land zu mit Buschwerk bedeckt. Aber vom Strande ging eine schmale Bucht in das Land hinein, und durch diese hindurch brüllte das Meer, um sich schließlich wieder in der ganz schwach pulsierenden Brandung zu verlieren. Vor dieser Bucht befanden sich viele freistehende Klippen, gegen die die Brandung in all ihrer Gewalt wütete, wobei sie Schaum und Spritzer hoch in die Luft sandte. Der Fuß dieser Klippen, der sich aus den Wogen erhob, war schwarz von Muscheln. Obendrauf lagen mächtige Seelöwen, glänzend von Wasser und die Sonne anbrüllend, während hoch oben in der Luft eine Menge Seevögel flogen, die hin und her wirbelten, kreischten und laute Schreie ausstießen.
Das letzte Stück des Weges bis zum Stacheldrahtzaun hinab war eine Rutschbahn von einigen Metern, und Saxon landete sitzend auf dem weichen, trocknen Sand.
»Ach, ich sage dir – das ist großartig!« sagte Billy mit überströmender Freude. »Sieh, das ist noch eine Stelle, wo es sich lohnt zu rasten. Unter den Bäumen ist die reizendste Quelle, die du dir denken kannst. Und sieh all das gute Brennholz und« – sein Blick schweifte über das Meer hinaus, und seine Augen sahen, was er nicht mit Worten ausdrücken konnte – »und das alles. Sieh die Muscheln dort. Ich möchte wetten, dass wir Fische fangen könnten. Was meinst du dazu, wenn wir ein paar Tage hierbleiben? – Wir haben doch Ferien – und ich könnte nach Carmel zurückgehen, um Angelschnüre und Haken zu holen.«
Saxon, die ganz davon in Anspruch genommen war, seine freudestrahlende Miene zu betrachten, verstand, dass er jetzt im Ernst das Leben in der Stadt vergessen wollte.
»Und es ist kein Wind hier«, sagte er überredend. »Nicht ein Hauch. Und sieh, wie unberührt es ist – ganz, als wären wir viele Meilen von allen Menschen entfernt.«
Der Wind, der auf den Hügeln kalt und scharf gewesen war, konnte nicht in die Bucht hereindringen, und die Luft am Strande war warm und balsamisch, von einem würzigen, durchdringenden Duft aus dem Gebüsch erfüllt. Hie und da, mitten im Gebüsch, standen kleine Eichen und andere kleine Bäume, deren Namen Saxon nicht kannte. Ihre Begeisterung war jetzt mindestens ebenso groß wie die Billys, und Hand in Hand gingen sie, um die Umgegend zu erforschen.
»Hier können wir ja Robinson Crusoe spielen«, rief Billy, als sie von der Hochwassermarke über den harten Sand bis ans Wasser gingen. »Komm, Robinson. Lass uns ein Weilchen hierbleiben. Ja, ich bin natürlich nur dein Diener Freitag, und alles wird geschehen, wie du es wünschst.«
»Aber was sollen wir denn mit Herrn Sonnabend machen?« Sie zeigte mit gut gespielter Bestürzung auf einen frischen Fußabdruck im Sande. »Er kann ja zum Beispiel ein böser Menschenfresser sein.«
»Dies nicht, das ist kein nackter Fuß sondern ein Tennisschuh.«
»Aber ein Wilder hätte doch gut einen Tennisschuh von einem ertrunkenen Seemann bekommen können, den er gefressen hat«, wandte sie ein.
»Aber Seeleute tragen auch keine Tennisschuhe«, antwortete Bill rasch.
»Du bist zu klug, um Freitag zu sein«, schalt sie. »Aber deshalb können wir uns doch hier niederlassen, wenn du die Bündel holen willst. Außerdem braucht es ja kein Seemann zu sein, der gefressen wurde. Es kann auch ein Passagier gewesen sein.«
Ehe eine Stunde vergangen war, hatten sie sich ein warmes, gemütliches Lager bereitet. Die Decken waren ausgebreitet; trockenes Treibholz wurde geholt, zu Brennholz gehackt und die Kaffeekanne über das angezündete Feuer gehängt, wo sie bald zu schnurren begann. Saxon rief Billy, der dabei war, aus einer von den Wellen stark verwaschenen Planke einen improvisierten Tisch zu verfertigen. Auf dem Felsvorsprung in der Ferne stand ein nackter, nur mit Schwimmhosen bekleideter Mann. Er starrte zu ihnen herüber, und sie konnten sehen, wie der Wind sein langes schwarzes Haar packte. Als er die Dünen nach dem Lande zu erklomm, machte Billy Saxon darauf aufmerksam, dass der Fremde Tennisschuhe trug. Wenige Minuten später hatte er sich von dem Felsen an den Strand geschwungen und kam jetzt auf sie zu. »Großer Gott«, flüsterte Billy Saxon zu. »Er ist ja mager genug, aber sieh seine Muskeln! Hier scheinen ja alle Menschen richtige Sportsleute zu sein.«
Als der Fremde näher kam, sah Saxon sein Gesicht, und sie musste an die ersten Ansiedler und an gewisse Gesichter denken, die man häufig unter Soldaten aus jener Zeit sieht. Obwohl dieser Mann jung war – nicht über dreißig, wie sie sich sagte –, hatte er doch dasselbe lange, schmale Gesicht mit den starken Backenknochen, der hohen, schmalen Stirn und der starkgebogenen Nase, die