Sam Stubener die Augen geöffnet. Früher selbst Boxer, und zwar Schwergewichtler, war seine Stärke doch die Beurteilung von Boxern, und noch nie hatte er einen Mann gesehen, der solche Vorzüge aufzuweisen hatte.
»Sehen Sie seine Geschmeidigkeit«, sang der alte Pat sein Loblied. »Er ist aus dem richtigen Stoff gemacht. Sehen Sie die Schräge seiner Schultern und seine Brust! Sauber, alles ist sauber, und nicht ein schlechter Blutstropfen ist in ihm. So einen Mann wie den da haben Sie noch nie gesehen, Sam. Nicht eine Muskel in ihm ist steif. Und dabei macht er kein Gewichtstemmen oder Sandowsche Übungen. Seine Muskeln sind wie weiche Schlangen, die sich träge unter der Haut winden. Er steht seine vierzig Runden und, wenn es sein muss, auch hundert. Also los! Time!«
Sie boxten in Drei-Minuten-Runden mit je einer Minute Pause, und Sam Stubener wurde diesmal nicht enttäuscht.
Jetzt gab es kein Fett, keine Interesselosigkeit mehr, nur ein fast zögerndes, gutmütiges Spiel mit den Handschuhen, und dabei eine Gewandtheit, Schnelligkeit, Sicherheit und Härte, wie es nur – das wusste Sam – der geübte Boxer mit dem richtigen Instinkt zeigen konnte.
»Leicht, immer leicht«, warnte der alte Pat. »Sam ist nicht mehr wie früher.«
Das reizte Sam nur, was auch beabsichtigt gewesen war, und er versuchte es jetzt mit seinen berühmten Tricks und seinem Lieblingsschlag – eine Finte, als wolle er in Clinch gehen, und dann ein gerader Rechter in die Magengrube.
Aber so schnell er auch war, der junge Pat sah es doch und ging zurück, als sein Gegner den Schlag landete. Das nächste Mal aber ging er nicht zurück. In dem Augenblick, als Sam zu dem Schlage ansetzte, machte er eine Bewegung seinem Gegner entgegen und kehrte ihm die Hüfte zu.
Er drehte sich nur um wenige Zoll, aber er blockte dadurch den Schlag. Und jetzt konnte Stubener es, so oft er wollte, versuchen, sein Handschuh traf immer nur die Hüfte.
Stubener hatte seinerzeit gegen manchen großen Boxer gestanden, und in Schaukämpfen hatte er immer seinen Mann gestellt. Hier aber sah er sich verraten und verkauft. Der junge Pat spielte mit ihm und ließ ihn sich beim Clinch kraftlos wie ein kleines Kind fühlen. Sein Gegner landete seine Schläge anscheinend ganz nach Belieben; fasste und blockte ihn mit meisterhafter Genauigkeit und dabei fast, als nähme er gar keine Notiz von seiner Existenz. Während der Hälfte der Zeit schien der junge Pat träumerisch die Landschaft um sich her zu betrachten.
Und gerade da beging Stubener wieder einen Fehler. Er hielt das für einen Trick, den der alte Pat seinem Sohn beim Training beigebracht hatte, und versuchte unerwartet einen kurzen Stoß mit gebeugtem Arm zu landen. Aber im selben Augenblick saß sein Arm fest, und er bekam zum Dank für seine Mühe ein paar Ohrfeigen mit dem flachen Handschuh.
»Er weiß instinktiv, wenn ein Schlag kommt«, grunzte der alte Pat. »Das hab’ ich ihm nicht beigebracht, will ich Ihnen sagen. Er ist der reine Hexenmeister. Er weiß, ohne hinzugucken, wann der Schlag kommt, wie schnell er ist und wie weit er reicht. Es ist die reine Inspiration. Es ist angeboren.«
Bei einem überraschenden Clinch stemmte der Manager seinen Handschuh dem jungen Pat gegen den Mund, und die Art und Weise, wie er das machte, war nicht ganz ohne eine gewisse Tücke. Aber einen Augenblick später, beim nächsten Clinch, wurde Sam der Handschuh des anderen selbst gegen den Mund gepresst. Das geschah durchaus nicht gewaltsam, aber durch den langsamen, gleichmäßigen Druck wurde der Kopf ihm zurückgepresst, bis ihm die Halswirbel knackten und er glaubte, das Genick gebrochen zu haben. Er ließ seinen Körper schlaff werden und die Arme sinken, zum Zeichen, dass der Kampf beendet war. Im selben Augenblick fühlte er sich frei und taumelte zurück.
»Er ist – er ist richtig«, ächzte er, und sein Blick zeigte die Bewunderung, die in Worten auszudrücken ihm der Atem fehlte.
Die Augen des alten Pat schimmerten feucht vor Stolz und Freude.
»Und was, meinen Sie, geschieht, wenn irgend so ein verfluchter Kerl den gemeinen Kniff im Ernst an ihm versucht?« fragte er.
»Er bringt ihn um, bestimmt«, meinte Stubener.
»Nein, dazu ist er zu kaltblütig; er gibt ihm nur seine Strafe für die Dreckigkeit.«
»Also lassen Sie uns den Kontrakt aufsetzen«, sagte der Manager.
»Warten Sie, bis Sie ganz über ihn Bescheid wissen!« antwortete der alte Pat. »Es sind schwere Bedingungen, die ich stellen werde. Gehen Sie jetzt erst mal mit dem Jungen auf die Hirschjagd in den Bergen und lernen Sie seine Lunge und seine Beine kennen. Nachher wappnen Sie sich und unterschreiben den Kontrakt.«
Stubener war zwei Tage lang auf dieser Jagd und erfuhr noch mehr, als der alte Pat ihm versprochen hatte.
Vollkommen erschöpft und sehr klein kam er zurück. Die Unwissenheit des jungen Mannes in Bezug auf die Welt hatte den abgebrühten Sam in Erstaunen gesetzt, aber er hatte doch gemerkt, dass er sich von niemand an der Nase nehmen ließ.
Sein Geist war jungfräulich, unberührt von allem, außer den Erfahrungen, die die nahen Berge ihm schenken konnten, und doch erwies er sich im Besitz von Scharfsinn und Verschlagenheit über den Durchschnitt hinaus.
Auf seine Weise war er ein Rätsel für Sam, der den unerschütterlichen Gleichmut des jungen Mannes nicht verstehen konnte. Nichts war ihm unangenehm, über nichts konnte er sich ärgern, und seine Geduld war von einer nie versagenden Einfalt. Nie fluchte er, nie gebrauchte er die üblichen nichtssagenden Kraftworte, die junge Leute seines Alters stets im Munde führten.
Der alte Pat schloss den Vertrag und verabschiedete sich vor dem Hause von ihnen.
»Es wird nicht lange dauern, bis ich in den Zeitungen über dich lese, Pat, mein Junge. Ich würde dich am liebsten begleiten, aber ich glaube doch, es ist am besten für dich, wenn ich bis ans Ende meiner Tage hier in den Bergen bleibe.«
Und dann zog der Alte den Manager beiseite und wandte sich in fast drohendem Ton an ihn:
»Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen immer wieder gesagt habe. Der Junge hat ein reines und ehrliches Herz. Er weiß nichts von den Schiebungen beim Sport. Davon hab’ ich ihm nie was erzählt, will ich Ihnen sagen. Er kennt den Schwindel nicht. Er kennt nur die Tapferkeit, die Romantik und den Ruhm des Kämpfers, denn ich habe ihm tausend Geschichten von den alten Helden des Rings erzählt, obgleich das wenig genug geholfen hat, ihn zu begeistern.
Mann, Mann, ich sage Ihnen, ich habe die Sportberichte aus den Zeitungen ausgeschnitten, unter dem Vorwand, dass ich sie für mein Sammelbuch brauchte, nur damit er sie nicht lesen sollte. Daher hat er nie etwas von Boxern gehört, die aufgaben oder sich absichtlich besiegen ließen. Bringen