jedoch eine Nahrung, die nach nichts schmeckte und in keiner Beziehung befriedigte. Er fand auch ein Kraut, das einen säuerlichen Geschmack hatte, und aß alles, was er davon finden konnte. Aber es war nur sehr wenig, denn es war eine Kriechpflanze, die unter einer mehrzölligen Schneekruste kaum zu finden war.
Diese Nacht schlief er ohne Feuer und ohne heißes Wasser zum Trinken. Wie zerschlagen kroch er in seinen Schlafsack, um den unruhigen Schlaf des Hungernden zu schlafen. Der Schnee wurde zu einem kalten Regen. Sehr, sehr oft wachte er auf, weil es ihm eisig auf sein nach oben gewandtes Gesicht tropfte. Es wurde Tag – ein grauer Tag ohne Sonne. Es hatte aufgehört zu regnen. Sein Hunger war nicht mehr so ätzend. Der schmerzhafte, fast unerträgliche Drang nach Essen war vorbei, hatte sich erschöpft. Es war nur ein stumpfer, dumpfer Schmerz im Magen geblieben, aber dieser Schmerz störte ihn nicht so sehr. Er war auch wieder vernünftiger geworden und imstande, seine Gedanken auf das »Land der kleinen Zweige« und das Depot am Dease-Fluss zu konzentrieren.
Er riss den Rest einer Decke in Streifen und verband damit seine blutenden Füße. Dann machte er sich einen neuen Verband um das verletzte Fußgelenk und bereitete sich auf eine lange Tagereise vor. Als er sein Bündel zu packen begann, machte er wieder lange und nachdenklich bei dem dicken elchledernen Beutel halt. Aber schließlich entschloss er sich, ihn mitzunehmen.
Der Schnee war durch den Regen geschmolzen, und nur die Gipfel der Hügel schimmerten noch weiß. Die Sonne kam zum Vorschein, und es gelang ihm, die Himmelsrichtungen festzustellen, wenn er auch leider erkennen musste, dass er sich verirrt hatte. Wahrscheinlich war er an einem der vorhergehenden Tage zu weit nach links abgeschwenkt. Er bog deshalb scharf nach rechts ab, um der möglichen Abweichung von seiner Richtung entgegenzuwirken.
Obgleich die Schmerzen, die der Hunger ihm verursachte, längst nicht mehr so schlimm waren, konnte er doch merken, dass er sehr schwach geworden war. Er musste öfters haltmachen, um auszuruhen, wenn er Moosbeeren oder mit Schilf bewachsene Stellen aufsuchte. Er merkte, dass seine Zunge dick und geschwollen war und sich anfühlte, als ob sie mit feinen Haaren bewachsen wäre, und er hatte einen bittern Geschmack im Munde. Sein Herz machte ihm viel Sorge. Sobald er einige Minuten gegangen war, begann es unbarmherzig zu klopfen: dump, dump, dump … und dann wieder hüpfte es wie wild, mit flatternden Schlägen, die ihn erschreckten und seine Schritte schwach und unsicher machten.
Mitten am Tage hatte er das Glück, in einer großen Pfütze zwei Elritzen zu finden. Es war unmöglich, das Wasser auszuschöpfen, aber er war heute ruhiger als am vorhergehenden Tage, und es gelang ihm, sie in seinem Zinnbecher zu fangen. Sie waren freilich nicht länger als sein kleiner Finger, aber merkwürdigerweise hatte er keinen besonderen Hunger. Der dumpfe Schmerz in seinem Magen wurde immer dumpfer und schwächer. Es war fast, als ob der Magen allmählich einschliefe. Er verzehrte die Fische roh und kaute sie mit peinlichster Sorgfalt, denn er aß ja überhaupt nur aus rein vernunftmäßigen Gründen, nicht weil er einem Bedürfnis gehorchte. Er hatte nicht die geringste Lust zu essen, aber er wusste, dass er essen musste, um zu leben.
Im Laufe des Abends fing er noch drei Elritzen. Zwei davon verzehrte er gleich, die dritte hob er sich für das Frühstück am nächsten Tage auf. Die Sonne hatte hie und da Streifen von Moos getrocknet, sodass es ihm möglich wurde, Feuer zu machen und sich mit heißem Wasser zu erwärmen. An diesem Tage hatte er nicht mehr als zehn Meilen zurückgelegt. Und am nächsten Tage wanderte er, so oft sein hart klopfendes Herz es ihm erlaubte, legte aber auf diese Weise nur fünf Meilen zurück. Sein Magen verursachte ihm nicht mehr das geringste Unbehagen. Der Hunger schien einfach eingeschlafen zu sein. Er befand sich jetzt auch in einem gänzlich unbekannten Lande, und er sah schon viele Renntiere, außerdem auch zahlreiche Wölfe. Oft hörte er ihr Heulen durch die Einöde, und einmal sah er drei Wölfe in kurzer Entfernung seinen Weg kreuzen.
Wieder eine Nacht. Als er gegen Morgen erwachte, war er noch ruhiger und vernünftiger geworden. Er löste den ledernen Riemen, mit dem der Elchlederbeutel zugebunden war. Ein gelber Strom von grobem Goldstaub und -klumpen ergoss sich durch die Öffnung. Er teilte das Gold in zwei ungefähr gleiche Haufen. Die eine Hälfte verpackte er in ein Stück von einer Decke und verbarg es hinter einem hervorspringenden Felsblock, die andere Hälfte tat er in den Sack zurück.
Zum Wickeln seiner Füße musste er jetzt schon Streifen von seiner letzten Decke schneiden. Sein Gewehr behielt er noch immer bei sich, lagen doch in ihrem Depot am Dease-Fluss Patronen.
Es war ein nebliger Tag, und leider erwachte der Hunger jetzt wieder. Er fühlte sich sehr schwach und litt an einem Schwindel, der ihn hin und wieder vollkommen blind machte. Es war schon längst nichts Ungewöhnliches mehr, dass er strauchelte und stürzte. Und einmal, als er stolperte, fiel er gerade in ein Schneehuhnnest. Es waren vier erst vor kurzem ausgekrochene Kücken darin; sie waren vielleicht einen Tag alt, kleine Klumpen pulsierenden Lebens, jedes kaum mehr als ein Happen, und er verschlang sie gierig. Er steckte sie sich lebendig in den Mund, zerkaute sie wie Eierschalen zwischen seinen Zähnen. Das Muttertier schlug unter lautem Gekreisch auf ihn ein. Mit seinem Gewehr als Keule versuchte er den Vogel zu erschlagen, aber das Tier entkam. Er schleuderte ihm Steine nach, und es gelang ihm, einen Flügel zu zerschmettern. Aber der Vogel entflatterte, bevor er ihn fangen konnte, lief, den verstümmelten Flügel nachschleppend, fort, während er ihn humpelnd verfolgte.
Die kleinen Kücken hatten seinen Appetit nur verschärft. Er hüpfte und hinkte mit seinem kranken Fußgelenk dahin. Ab und zu warf er mit Steinen nach dem Vogel, dann und wann schrie er mit heiserer Stimme. Dann wieder humpelte und hüpfte er in grimmigem Schweigen. Mürrisch und geduldig raffte er sich wieder auf, wenn er hinfiel. Und immer wieder rieb er sich mit der Hand die Augen, wenn der Schwindel ihn zu überwältigen drohte.
Die Verfolgung führte ihn über sumpfiges Gelände in die Tiefe der Schlucht hinab, und dort fand er plötzlich im feuchten Moos Fußstapfen. Es waren nicht die seinigen – das sah er sofort. Es musste Bills Fährte sein. Aber er konnte nicht stehen bleiben, denn die Schneehuhnmutter lief vor ihm her. Zuerst wollte er sie fangen und dann umkehren und die Fußspuren untersuchen.
Er ermüdete das Schneehuhn allmählich – gleichzeitig aber ermüdete er sich selber. Das Huhn lag, nach Atem ringend, auf der Seite – nur wenige Schritt von ihm entfernt. Und er lag ebenfalls auf der Seite, hatte aber nicht Kraft genug, um hinzukriechen. Und als er sich erholt hatte, hatte der Vogel es auch getan und flatterte fort, als der Mann gerade die Hand ausstreckte, um ihn zu ergreifen. Die Jagd war zu Ende. Die Nacht brach herein, und der Vogel war damit endgültig entkommen. Vor