Джек Лондон

Gesammelte Werke


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Tho­mas«, sag­te ich. »Ich wer­de dich nicht ver­ges­sen, wenn mei­ne Klei­der wie­der tro­cken sind.«

      Ein sanf­ter Schim­mer über­zog sein Ge­sicht, und sei­ne Au­gen leuch­te­ten, als wä­ren in der Tie­fe sei­nes We­sens sei­ne Vor­fah­ren le­ben­dig ge­wor­den mit der dunklen Erin­ne­rung an die Trink­gel­der im ver­gan­ge­nen Le­ben.

      »Dan­ke, Herr«, sag­te er wirk­lich sehr dank­bar und de­mü­tig.

      Genau wie eine Schie­be­tür glitt er bei­sei­te, und ich trat aufs Deck. Ich war noch schwach von dem lan­gen Auf­ent­halt im Was­ser. Ein Wind­stoß pack­te mich, und ich wank­te über das schlin­gern­de Deck, ei­ner Ecke der Ka­jü­te zu, an der ich mich fest­hielt. Der Scho­ner kreng­te stark, hob und senk­te sich in der lan­gen Dü­nung des Ozeans. Wenn der Scho­ner, wie John­son ge­sagt hat­te, nach Süd­west se­gel­te, muss­te der Wind mei­ner Be­rech­nung nach fast ge­nau von Sü­den her kom­men. Der Ne­bel hat­te sich ver­zo­gen, und jetzt spiel­ten die Son­nen­strah­len auf dem Mee­res­s­pie­gel. Ich wand­te mich nach Os­ten, wo, wie ich wuss­te, Ka­li­for­ni­en lie­gen muss­te, konn­te aber nichts se­hen als nied­ri­ge Ne­bel­bän­ke – zwei­fel­los der­sel­be Ne­bel, der das Un­glück der ›Mar­ti­ne­z‹ und mei­ne jet­zi­ge Lage ver­schul­det hat­te. Nach Nor­den, nicht weit fort, war eine Grup­pe nack­ter Fel­sen über die See ge­streut, und auf ei­nem da­von sah ich einen Leucht­turm. Nach Süd­wes­ten, fast ge­nau in un­serm Kurs, er­blick­te ich den py­ra­mi­den­för­mi­gen, noch dunklen Um­riss ei­nes Se­gels. Als ich mei­ne Um­schau am Ho­ri­zont be­en­det hat­te, wand­te ich mich mei­ner nä­he­ren Um­ge­bung zu. Mein ers­ter Ge­dan­ke war, dass ein Mensch, der einen Schiff­bruch über­lebt und Auge in Auge mit dem Tode ge­stan­den hat­te, ei­gent­lich mehr Auf­merk­sam­keit ver­dient hät­te, als mir zu­teil wur­de. Au­ßer ei­nem Ma­tro­sen am Rad, der neu­gie­rig nach der Ka­jü­ten­e­cke guck­te, schenk­te mir nie­mand ir­gend­wel­che Be­ach­tung. Je­der­mann schi­en sich nur für das zu in­ter­es­sie­ren, was mitt­schiffs vor­ging. Dort lag ein großer Mann auf ei­nem Lu­ken­de­ckel. Er war ganz an­ge­klei­det, sein Hemd je­doch auf­ge­ris­sen. Von sei­ner Brust war nichts zu se­hen, denn sie war so von schwar­zen Haa­ren be­deckt, dass es wie der Pelz ei­nes Hun­des aus­sah. Ge­sicht und Hals wa­ren un­ter dem schwar­zen, grau­me­lier­ten Bart ver­bor­gen, der sonst strup­pig sein moch­te, jetzt aber von Was­ser troff; sei­ne Au­gen wa­ren ge­schlos­sen. Er schi­en be­wusst­los zu sein, aber der Mund stand weit of­fen, und die Brust keuch­te, als ob er am Er­sti­cken war und hef­tig nach Atem rang. Ein Ma­tro­se, der da­ne­ben stand, hat­te eine Se­gel­tuch­püt­ze an ei­ner Lei­ne fest­ge­macht, ließ sie von Zeit zu Zeit ganz ge­wohn­heits­mä­ßig ins Meer hin­ab, hol­te sie wie­der her­auf und goss den In­halt über den Lie­gen­den. Auf und nie­der an Deck schritt ein an­de­rer Mann und kau­te wü­tend auf sei­nem Zi­gar­ren­stum­mel. Es war der, des­sen zu­fäl­li­ger Blick mich vor dem Er­trin­ken be­wahrt hat­te. Er moch­te wohl fünf Fuß und zehn oder zehn­ein­halb Zoll mes­sen, aber mein ers­ter Ein­druck von ihm, oder viel­mehr mein Ge­fühl, war nicht das der Grö­ße, son­dern der Stär­ke. Da­bei konn­te ich ihn je­doch, ob­gleich er ge­drun­gen und breit­schult­rig war und eine mäch­ti­ge Brust hat­te, nicht un­ge­wöhn­lich schwer nen­nen. Er hat­te et­was von der seh­ni­gen, knor­ri­gen Kraft ma­ge­rer star­ker Men­schen, sein Kör­per­bau aber ließ an einen Go­ril­la den­ken. Nicht dass er in sei­nem Aus­se­hen et­was Go­ril­la­ar­ti­ges ge­habt hät­te. Was ich aus­zu­drücken su­che, ist die Stär­ke selbst als et­was für sich, ganz ab­ge­se­hen von ih­rer kör­per­li­chen Er­schei­nung. Es war eine Stär­ke, wie wir sie ge­wohnt sind, in Ge­dan­ken mit pri­mi­ti­ven Din­gen, mit wil­den Tie­ren, mit Ge­schöp­fen zu ver­bin­den, die wir uns in der Fan­ta­sie als un­se­re baum­be­woh­nen­den Vor­fah­ren den­ken – die wil­de, rei­ßen­de, le­ben­di­ge Stär­ke an sich, die letz­te Es­senz des Le­bens, die Po­tenz der Be­we­gung, der Grund­stoff selbst, aus dem die wil­den Le­bens­for­men ge­stal­tet wur­den.

      Das war mein Ein­druck von der Stär­ke die­ses Man­nes, der an Deck auf und nie­der schritt. Fest stand er auf den Bei­nen, jede Mus­kel­be­we­gung, ob er die Schul­tern hob oder die Lip­pen um die Zi­gar­re press­te, zeug­te von Ent­schlos­sen­heit und schi­en ih­ren Ur­sprung in ei­ner rie­sen­haf­ten und über­wäl­ti­gen­den Kraft zu ha­ben. In der Tat: Ob­wohl die­se Stär­ke jede sei­ner Be­we­gun­gen durch­drang, schi­en es mir, als wäre sie nur der Aus­druck ei­ner noch grö­ße­ren Stär­ke, die in sei­nem In­nern schlum­mer­te, die aber je­den Au­gen­blick er­wa­chen konn­te, schreck­lich und un­wi­der­steh­lich wie das Wü­ten des Lö­wen oder der Zorn des Stur­mes.

      Der Koch steck­te den Kopf zur Kom­bü­sen­tür her­aus und grins­te mir er­mu­ti­gend zu, gleich­zei­tig wies er mit dem Dau­men nach dem Man­ne, der an der Luke auf und nie­der schritt. So gab er mir zu ver­ste­hen, dass dies der Ka­pi­tän war, der ›Al­te‹, wie der Koch sag­te, die Per­sön­lich­keit, die ich be­mü­hen muss­te, dass sie mich an Land setz­te. Ich war ge­ra­de im Be­griff, zu ihm zu ge­hen, um gleich die si­cher un­an­ge­neh­me Ge­schich­te über­stan­den zu ha­ben, als der Un­glück­li­che, der auf dem Lu­ken­de­ckel lag, einen noch stär­ke­ren Er­sti­ckungs­an­fall be­kam. Krampf­ar­tig ver­renk­te er sich. Das Kinn mit dem nas­sen schwar­zen Bart streck­te sich in die Luft, wäh­rend die Rücken­mus­keln steif wur­den und die Brust mit ei­ner in­stink­ti­ven, un­be­wuss­ten An­stren­gung nach Luft rang.

      Der Ka­pi­tän oder Wolf Lar­sen. wie die Leu­te ihn nann­ten, hielt auf sei­nem Wege inne und blick­te auf den Ster­ben­den hin­ab. So furcht­bar war die­ser letz­te Kampf, dass der Ma­tro­se die Se­gel­tuch­püt­ze sin­ken ließ und den In­halt auf das Deck ver­schüt­te­te. Der Ster­ben­de trom­mel­te mit den Fer­sen auf dem Lu­ken­de­ckel, streck­te die Bei­ne aus, er­starr­te in ei­ner ein­zi­gen mäch­ti­gen An­stren­gung und roll­te den Kopf von ei­ner Sei­te zur an­de­ren. Dann wur­den die Mus­keln schlaff, der Kopf still, und ein Seuf­zer, ein Seuf­zer tiefs­ter Er­leich­te­rung ent­floh sei­nen Lip­pen. Das Kinn fiel her­ab, die Ober­lip­pe hob sich, und zwei Rei­hen ta­bak­ge­bräun­ter Zäh­ne wur­de sicht­bar. Sei­ne Züge schie­nen in ei­nem teuf­li­schen Grin­sen über die Welt, die er ver­las­sen und über­lis­tet hat­te, er­starrt zu sein. Aber da ge­sch­ah et­was ganz Über­ra­schen­des: Wie ein Don­ner­schlag fuhr der Ka­pi­tän über den To­ten her. Flü­che pras­sel­ten in un­auf­halt­sa­mem Strom von sei­nen Lip­pen, und es wa­ren nicht etwa ge­wöhn­li­che Flü­che oder un­ziem­li­che Re­dens­ar­ten. Je­des sei­ner Wor­te war eine Got­tes­läs­te­rung, und der Wor­te wa­ren vie­le. Sie knis­ter­ten und krach­ten wie elek­tri­sche Fun­ken. Nie im Le­ben habe ich Ähn­li­ches ge­hört oder auch nur für, mög­lich ge­hal­ten. Bei mei­nen li­te­ra­ri­schen Nei­gun­gen und mei­nem Ohr für kräf­ti­ge Bil­der ge­noss ich, das muss ich ge­ste­hen, wie kein an­de­rer Zu­hö­rer die pracht­vol­le Le­ben­dig­keit und Kraft sei­ner got­tes­läs­ter­li­chen Er­güs­se. Ihre Ur­sa­che war, wenn ich recht ver­stand, dass der Mann, der der Steu­er­mann war, vor der Abrei­se aus San Fran­cis­co an ei­nem Ge­la­ge teil­ge­nom­men und dann die Rück­sichts­lo­sig­keit be­ses­sen hat­te, gleich zu Be­ginn der Rei­se zu ster­ben und Wolf Lar­sen kur­zer­hand zu ver­las­sen.

      Ich brau­che, mei­nen Freun­den we­nigs­tens, nicht zu sa­gen, dass ich em­pört war. Flu­chen und Schimp­fen hat­ten mich stets ab­ge­sto­ßen. Ich fühl­te Mat­tig­keit, Schwä­che oder eher Schwin­del. Für mich war im­mer et­was