»Sie haben’s doch nicht mehr nötig.«
»Zum Teufel mit meinem Reichsein – was geht Sie das an? Kontrakt ist Kontrakt! Ich bleibe in meiner Stellung, so lange Sie keinen Grund haben, mich rauszuschmeißen. Verstanden?«
Anfang der Weihnachtswoche ging der Sturm auf »Vances Hügel«, wie Bishop das neue Land getauft hatte, los. Die ersten Claims waren kaum eingetragen, als die Neuigkeit schon über das Land flog, und binnen einer Viertelstunde waren die ersten Wettläufer unterwegs. Eine halbe Stunde später machte sich in der ganzen Stadt auf die Beine, was laufen und kriechen konnte. Auch Corliss und Bishop durften keine Zeit ungenützt verstreichen lassen. Jetzt handelte es sich darum, ihre ehrlich erworbenen Rechte zu verteidigen. Verrücken von Pfählen, Abreißen von Plakaten, Übergriffe in fremde Claims … das gehörte zu den ältesten Kniffen der Goldgräber, und wenn das Unheil einmal geschehen war, war es trotz aller Beglaubigungen und Stempel furchtbar mühselig, die Eindringlinge wieder aus dem Nest zu werfen.
In einem dichten Strom von Menschen wanderten die beiden zur Stadt hinaus, als Del Bishop zufällig Gregory St. Vincent erspähte, der, das übliche Goldgräbergerät auf dem Rücken, in höchster Eile voranmarschierte.
»Klabastern Sie drauflos wie der Satan!« kommandierte Bishop. »Fragen Sie nicht viel, es handelt sich wieder um etwas mit der Nase.«
Die Leute kannten Corliss und Bishop. Sie wussten, dass diese beiden nicht im Wettrennen waren, sondern ihre Claims längst abgesteckt hatten. So ließen sie sich kampflos überholen. Über die ganze Strecke hätte ja doch kein Mensch ein so mörderisches Tempo ausgehalten.
Sie erreichten eine scharfe Biegung des Weges; vor ihnen war kein Mensch zu sehen; an ihren Fersen, mit einem Abstand von kaum hundert Schritten, ging nur der unglückliche St. Vincent.
»So, jetzt sprechen Sie kein Wort mit mir«, flüsterte Bishop und schlug seinen Kragen hoch, dass sein Gesicht nicht mehr zu erkennen war. »Tun Sie jetzt, als ob Sie mich nicht kennen. Da drüben ist ein Wasserloch. Dort gehen Sie hin, werfen sich auf den Bauch, als ob Sie vor Durst nicht weiterkönnten. Dann tippeln Sie, in einer Viertelstunde ungefähr, allein weiter nach den Claims. Ich habe andere Geschäfte zu besorgen. Auf keinen Fall sprechen Sie ein Wort zu dem Stinktier, das darf Ihr Gesicht nicht sehen.«
Corliss war jetzt schon an Gehorsam gewöhnt. Er trat von der gebahnten Straße ab in den Schnee, legte sich nieder und tauchte eine leere Blechdose ins Wasser.
Bishop ließ sich auf ein Knie fallen und machte sich an seinen Mokassins zu schaffen. Er hatte gerade den Knoten gebunden, als St. Vincent ihn erreichte. In diesem Augenblick sprang Bishop auf und marschierte mit fieberhafter Eile weiter, wie ein Mann, der mit aller Gewalt die verlorene Zeit wieder einholen will.
»He, Sie, Mann, warten Sie eine Minute!« rief der Geograf ihm nach.
Del Bishop warf einen hastigen Blick zurück und spurtete noch schärfer. St. Vincent setzte sich in Laufschritt, bis er Seite an Seite mit ihm kam.
»Ist das der Weg …?«
»Nach den Terrassen von Vances Hügel?« knurrte Bishop gereizt. »Darauf können Sie Gift nehmen, das ist nämlich mein Weg. Auf Wiedersehen!«
Er tobte immer schärfer drauflos, der Geograf konnte nur im Laufschritt die Geschwindigkeit einhalten; an Überholen war nicht zu denken. Corliss verstand noch immer nichts von der ganzen Geschichte. Er setzte seinen Feldstecher an und folgte den beiden mit den Blicken. Da sah er, wie der Goldgräber plötzlich im rechten Winkel von seiner Straße abbog Und den Weg nach dem Adamstümpel einschlug. Jetzt ging ihm ein Licht auf …
Spät abends erreichte Bishop das gemeinsame Lager, erschöpft, aber in glückseliger Laune.
»Nicht ein Härchen habe ich ihm gekrümmt!« rief er, ehe er noch im Zelt war. »Geben Sie mir was zu essen.«
Er griff nach der Teekanne und goss sich das heiße Getränk in den Leib. »Heut fress’ ich Rattenfett, Schmieröl, geröstete Mokassins, Kerzenstümpfe mit Mayonnaise, was Sie haben!«
Dann warf er sich auf die Decke und begann, mit tiefem Lachen seine Beinmuskeln zu massieren, während Corliss Speck briet und Bohnen auf die Pfanne schüttete.
»Das war ein Spaß!« erzählte Bishop. »Der kommt nicht sobald zu Vances Hügel. Da können Sie Gift drauf nehmen.«
Er ahmte mit Talent St. Vincents Ton nach, der anfangs herablassend klang, aber bei ewiger Wiederholung derselben Worte immer zahmer und schwächlicher wurde.
»Wie weit ist es, alter Freund?«
»Wie weit ist es jetzt, alter Freund?«
Zuletzt klang die Stimme ganz verheult und greisenhaft zittrig: »Wie weit …? Ich flehe Sie an, wie weit …?«
Der Goldgräber schlug sich auf die Knie vor Entzücken und lachte, dass eine halbe Tasse Tee, die er noch nicht ganz heruntergeschluckt hatte, im Sprühregen aus seiner Nase wieder herauskam.
»An der Wasserscheide vom Indianerstrom hab’ ich ihn schließlich liegen gelassen. Er war so ausgepumpt, dass er keinen Schritt mehr gehen konnte, vollkommen erledigt. Vielleicht hat er noch Kraft genug, sich ins nächste Lager zu schleppen. So, jetzt geh’ ich aber schlafen. Keine Angst, Sie brauchen mich nicht erst einzusingen. Sechzig Meilen hab’ ich heut gemacht, nur um das arme Stinktierchen ein bisschen zu ärgern. Gute Nacht. Bitte wecken Sie mich übermorgen früh wieder auf.«
Im Einschlafen murmelte er in seinem feinsten Diskant: »Wie weit ist es, Freundchen? Sagen Sie mir, wie weit es ist!«
5
Peter Whipple, einer der ältesten weißen Männer im Land, besaß einen Claim, nicht weit von Vances Hügel, und lebte dort mit einer dunklen, nicht besonders hübschen Mischlingsfrau, einer Tochter des Landes. Ihre Mutter war Indianerin gewesen, der Vater ein russischer Pelzhändler. Sie redete eine furchtbare Mischsprache, die für Weiße wie für Indianer gleich unerträglich war. Aber Whipple war ein alter Kumpan von Bishop, und da er nicht viel mehr zu tun hatte, als morgens und abends die Abgrenzungen seines Claims zu kontrollieren, ging er manchmal zu Peter Whipple, um ein langatmiges Garn mit ihm zu spinnen.
An einem Sonntagmorgen traf er die Frau allein zu Hause. Da die Unterhaltung kein Vergnügen werden konnte, beschloss er, nur aus Höflichkeit eine Pfeife bei ihr zu rauchen und sich so früh wie möglich wieder davonzumachen. Aber es geschah, dass er viele Pfeifen lang blieb, denn was die Kreolin erzählte, als ihre Zunge einmal in Schwung kam, war so interessant, dass er sie immer wieder anfeuerte, wenn der Strom