Джек Лондон

Gesammelte Werke


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rich­ti­ge Ecke?«

      *

      Mit­te April wur­de am Hen­der­son­fluss Gold ge­fun­den; die Sa­che sah viel­ver­spre­chend aus. Ja­cob Wel­se be­reis­te den Distrikt, und Fro­na be­glei­te­te ihn, denn es war eher eine Ver­gnü­gungs- als eine Ge­schäfts­rei­se. Bald nach ih­nen zog Gre­go­ry St. Vin­cent den­sel­ben Weg. Cor­liss und Bi­shop wa­ren zu­nächst den lin­ken Arm des Hen­der­son hin­auf­ge­wan­dert. In ei­ner Wo­che woll­ten sie auch bei den neu­en Fun­den sein. Dann kam der Mai; jetzt war der Früh­ling so vor­ge­schrit­ten, dass es ge­fähr­lich wur­de, auf den Flüs­sen zu rei­sen. Über halb auf­ge­tau­tes Eis zo­gen die Gold­su­cher und dank­ten Gott, wenn sie le­ben­dig ihr Ziel er­reich­ten. Es stan­den schon ein paar Hüt­ten in der Nähe der neu­en Fun­de, und ihre gast­li­chen Be­sit­zer nah­men vie­le der Neu­an­ge­kom­me­nen auf. Wel­se und sei­ne Toch­ter kam­pier­ten im Zelt, ihr La­ger auf ei­nem Hö­hen­zug am obe­ren Ende von »Sp­lit-up-Is­land« im Yu­kon be­herrsch­te wie ein Kö­nigs­sitz die gan­ze Ge­gend.

      Die zu­nächst ge­le­ge­ne In­sel hieß Frei­tags-In­sel. Die bei­den wa­ren nur durch einen schma­len Kanal von­ein­an­der ge­trennt. Hier tra­fen Cor­liss und Bi­shop ein, als das Eis schon so morsch war, dass die Hun­de bei­na­he eben­so­viel schwim­men wie lau­fen muss­ten. Sie wa­ren die letz­ten, die sich in die­sem Win­ter über das Eis ge­wagt hat­ten. Nahe da­von, auf Rou­beau-In­sel, haus­te John Borg, ein mür­ri­scher, al­tern­der Bur­sche, der un­gern sprach und sich am liebs­ten von der gan­zen üb­ri­gen Mensch­heit ab­ge­son­dert hät­te. Zu sei­nem Un­glück fand Gre­go­ry St. Vin­cent in sei­ner Hüt­te Quar­tier.

      »Es ist nur we­gen der Lau­se­dol­lars«, sag­te der Mann. »Gern nehm’ ich Sie nicht etwa auf. Wer­fen Sie Ihre De­cken in die Ecke. Bel­la kann die eine Koje aus­räu­men. Wir brau­chen sie so­wie­so nicht.«

      Er öff­ne­te den Mund erst wie­der am Abend, um zu sa­gen: »Ihr Es­sen ko­chen Sie sich sel­ber. Wenn das Mä­del am Ofen fer­tig ist, kön­nen Sie an­fan­gen.«

      Das Mä­del Bel­la war die schöns­te In­dia­ne­rin, die Gre­go­ry je ge­se­hen hat­te. Sie hat­te nicht die fet­tig dunkle Haut ih­rer Ras­se, son­dern einen kla­ren, bron­ze­far­be­nen Teint, und ihre Züge wa­ren wei­cher, ed­ler, als man es in der Re­gel bei In­dia­ne­rin­nen fin­det.

      Nach dem Abend­brot leg­te Borg bei­de El­len­bo­gen auf den Tisch, stütz­te sein Kinn in die mäch­ti­gen Fäus­te, rauch­te stin­ken­den In­dia­ner­ta­bak und starr­te vor sich hin. Sein Ge­sicht war un­be­weg­lich wie eine Holz­schnit­ze­rei.

      »Wohl schon lan­ge im Land, al­ter Freund?« frag­te St. Vin­cent, um eine Un­ter­hal­tung in Gang zu brin­gen.

      Borg wand­te ihm sei­nen düs­te­ren Blick zu. Es war, als sähe er in ihn hin­ein, durch ihn hin­durch und doch an ihm vor­bei. Wäh­rend er St. Vin­cent be­trach­te­te, schi­en er ganz zu ver­ges­sen, dass die­ser Mann über­haupt exis­tier­te. Wor­über er wohl grü­beln mag? dach­te der Geo­graf, in­dem er sich eine Zi­ga­ret­te dreh­te. Die­se ers­te Zi­ga­ret­te war schon in duf­ten­den Rauch­rin­gen auf­ge­gan­gen. Eine zwei­te kam an die Rei­he, als Borg end­lich den Mund auf­tat.

      »Fünf­zehn Jah­re«, sag­te er, sonst kein Wort.

      Eine hal­be Stun­de lang stu­dier­te Gre­go­ry wie fas­zi­niert dies un­er­gründ­li­che Ge­sicht. Der Kopf war rie­sen­groß, aber nicht zu groß für den mäch­ti­gen Stier­hals, der ihn trug. Jede Ein­zel­heit an die­sem Kopf schi­en ge­wal­tig ent­wor­fen, aber nicht ganz fer­tig ge­wor­den. Es war der un­fer­ti­ge Kopf ei­nes al­tern­den Rie­sen. Sein Haar ver­filz­te sich hier und da zu selt­sa­men, grau­en Fle­cken und rin­gel­te sich dann wie­der in schwar­zen Lo­cken, so dick wie ge­krümm­te Fin­ger. Der Ba­cken­bart fiel wie in di­cken Gras­bü­scheln, halb schwarz, halb grau, auf die Brust her­ab, aber er war nur tup­fen­wei­se in dem Ge­sicht an­ge­setzt und konn­te we­der die großen, hoh­len Ba­cken noch die dün­nen und grau­sa­men Lip­pen ver­ber­gen. Die Stirn war es, die das ei­gent­lich Wi­der­spruchs­vol­le in John Borgs Ge­sicht brach­te. Es war eine hoch­ge­wölb­te, brei­te und fast edle Stirn. Wer sie al­lein sah, hät­te ge­dacht, sie sei das Boll­werk ei­ner all­um­fas­sen­den In­tel­li­genz.

      Beim Ge­schir­r­auf­wa­schen ließ Bel­la eine schwe­re Blechtas­se fal­len. In die völ­li­ge Stil­le hin­ein wirk­te das Dröh­nen wie eine un­ge­heu­re Sen­sa­ti­on. Borg fuhr mit ei­nem un­ar­ti­ku­lier­ten Ge­brüll em­por, dass sein Stuhl schmet­ternd um­fiel; er stand auf­recht da mit flam­men­den Au­gen und wut­ver­zerr­tem Ge­sicht. Bel­la gab ein tie­ri­sches Wim­mern von sich und lag so­fort zu sei­nen Fü­ßen ge­krümmt, wie ein Hund, der die Peit­sche er­war­tet.

      Auf St. Vin­cents Kopf sträub­ten sich die Haa­re. Es lief ihm eis­kalt den Rücken her­un­ter. Was wür­de jetzt ge­sche­hen? Aber Borg hob den Stuhl auf und fiel in sei­ne alte Stel­lung zu­rück, das Kinn in die Fäus­te ge­stützt. Bel­la ar­bei­te­te vor­sich­tig mit den Tel­lern wei­ter, es fiel kein Wort, und wäh­rend St. Vin­cent mit zit­tern­den Hän­den sei­ne nächs­te Zi­ga­ret­te dreh­te, frag­te er sich, ob all das ein Traum ge­we­sen sei.

      Ja­cob Wel­se lach­te, als Gre­go­ry ihm am an­de­ren Tag die Ge­schich­te er­zähl­te.

      »So ist dies knur­ri­ge alte Biest, ge­nau so ver­rückt, wie es aus­sieht. Er ist mehr Jah­re im Land, als er Men­schen ken­nen­ge­lernt hat. Ich glau­be, dass er in ganz Alas­ka kei­nen ein­zi­gen Freund hat, nicht ein­mal un­ter den In­dia­nern, mit de­nen er viel zu­sam­men ist. Sie nen­nen ihn: ›Jon­ny Halb­ver­dreht‹, aber eben­so gut könn­ten sie ihn ›Jon­ny Schlag­zu‹ nen­nen. Er ist jäh­zor­nig und hat eine schwe­re Tat­ze. Stel­len Sie sich vor, wozu der Kerl im­stan­de ist. Ein­mal hat­te er eine Mei­nungs­ver­schie­den­heit mit mei­nem Fak­tor in Ark­tik City. Er hat­te ab­so­lut recht, aber bei dem Fak­tor war es nur ein Irr­tum, kein bö­ser Wil­le. Was tut der Rü­bezahl? Er­klärt mei­ne gan­ze Un­ter­neh­mung in sei­nen Boy­kott und lebt ein vol­les Jahr lang aus­schließ­lich von Fleisch. Dann traf ich ihn zu­fäl­lig und er­klär­te ihm die gan­ze Sa­che, und dann hat er wie­der bei uns ge­kauft.«

      »Und das Mä­del?«

      »Das hat er sich ir­gend­wo aus dem höchs­ten Nor­den her­un­ter­ge­holt. Ich be­nei­de sie nicht. Dem sein Bett­schatz zu sein, das ist kaum ein Ver­gnü­gen.«

      Gre­go­ry St. Vin­cent küm­mer­te sich nicht viel um sei­ne Wir­te. Die meis­te Zeit ver­brach­te er auf Sp­lit-up-Is­land mit Fro­na und ih­rem Va­ter. Aber ei­nes Abends kam es doch zu ei­nem Zu­sam­men­stoß. Als St. Vin­cent nach Hau­se kam, saß der Alte im letz­ten dün­nen Licht der Son­ne vor sei­ner Hüt­te, und nahe von ihm stand Bel­la an ei­ner Waschwan­ne. Es war ein klo­bi­ges, selbst­ge­zim­mer­tes Ding und, wenn sie halb voll Was­ser war, viel zu schwer, als dass eine Frau sie he­ben konn­te. Als Bel­la das Was­ser wech­seln woll­te, sprang St. Vin­cent her­bei, um zu hel­fen. Sie nah­men die Wan­ne zwi­schen sich und gin­gen ein paar Schrit­te weit zu ei­nem Ab­fluss­rohr. Zu­erst rutsch­te St. Vin­cent im halb auf­ge­tau­ten Schnee aus, und das Sei­fen­was­ser über­spru­del­te ihn. Dann glitt Bel­la aus, und ein paar Schrit­te wei­ter fie­len sie bei­de um. Es tat nicht weh, sie fan­den es lus­tig; Bel­la ki­cher­te laut, und St. Vin­cent lach­te mit. In der Luft und in ih­rem Blu­te war Früh­ling. An die­sem Tag war al­les zum La­chen. Aber sie hat­ten nicht be­merkt, dass Borg die Ohren spitz­te. Als sie die Wan­ne zu­rück­tru­gen, pas­sier­te