Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth


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Die drei lauschen.

      MAX

      leise: Sie kommt –

      KARL

      Quatsch!

      MAX

      Pst!

       Schweigen.

      KARL

      Vorgestern ist sie auch nicht gekommen.

      MAX

      Heute kommt sie. Oder gibt es da etwa ein Gesetz? Wetten?

      KARL

      Mit dir? Er spuckt aus.

      MAX

      Wer wettet mit mir?

      MÜLLER

      Stimme aus dem Speisesaal: Ober! Ober!

      MAX

      zuckt zusammen: Dieser Beruf! Ab in den Speisesaal.

       Ada erscheint in der Eingangstüre, abgespannt; hustet heiser.

       Emanuel zog sich in eine finstere Ecke zurück.

       Es ist still geworden.

      ADA

      hängt sich an Karl, der leicht torkelt: Herkules, Herkules – es geht mir so miserabel, mein Leib – So hilf mir doch! Ich huste ja meine Seele hinaus – Sag: liebst du mich?

      KARL

      rülpst: Ja.

      ADA

      Aber nicht nur meinen Leib, meine Reize – auch meine Seele, nicht?

      KARL

      Auch deine Seele.

       Irgendwo singt eine blonde Geige Schmachtfetzen.

      ADA

      Ist das schön, du – du starker, großer, du Siegfried! Und dann regnet es auch nicht mehr, die Sterne stehen am Himmel – Wenn ich nur nicht so durstig wäre! Durst!

      Durst! Ist das die Sehnsucht?

      KARL

      Nein, das ist Durst.

       Die blonde Geige hat ausgesungen.

      ADA

      reißt sich los von Karl: Pfui! Jetzt war ich wieder sentimental, was?

      KARL

      Das ist die Liebe, Gretchen.

      ADA

      Ich schäme mich. Ich schäme mich! Nein! Das muß ich vergessen! Komm! Ich habe Durst!

      KARL

      Es lebe die Sehnsucht!

       Inhaltsverzeichnis

       Speisesaal im Hotel zur schönen Aussicht. Zwei Tische im Vordergrunde sind gedeckt: einer weiß, einer bunt. Auf den übrigen Tischen stehen Stühle mit den Beinen himmelwärts.

      MÜLLER

      sitzt an dem weißgedeckten Tische und hält die Hände vor das Gesicht; ruft: Ober! Ober!

      MAX

      kommt rasch; erblickt auf dem bunt gedeckten Tische die Karte: Ach, da liegt ja die Speisekarte! Seltsam! Was man alles sucht! Er breitet sie geschäftig vor Müller aus.

       Müller blickt mechanisch in das Blatt.

       Stille.

      MÜLLER

      Sagen Sie –: haben Sie Krücken?

      MAX

      Krücken?

      MÜLLER

      Kennen Sie keine Krücken? – Richtige Krücken, solche – Er macht eine Geste des Humpelns. Au! Ich habe mir nämlich das Bein gebrochen. Das Schienbein. Das Knie. Den Knöchel. Die Knöchel. – Und nun kann ich nicht laufen.

      MAX

      Sie wollen mit Krücken laufen? Interessant!

      MÜLLER

      Wieso?

      MAX

      Sie werden auch mit Krücken nicht mehr laufen.

      MÜLLER

      Tatsächlich?

      MAX

      Na selbstverständlich!

       Stille.

      MÜLLER

      Haben Sie auch keinen Rollstuhl?

      MAX

      Rollstuhl? Nein. Aber Krücken haben wir.

      MÜLLER

      Krücken?

      MAX

      Ja, solche richtige – Er macht Müllers Geste des Humpelns.

      MÜLLER

      braust auf: Sie haben doch soeben gesagt –

      MAX

      unterbricht ihn: Ich habe gesagt, daß Krücken Ihnen nichts nützen dürften, aber ich habe nicht gesagt, daß wir keine haben. Wir haben Krücken. – Da war einmal ein Herr hier zur Erholung, der ging auf Krücken und trug ein eisernes Korsett. Der war seinerzeit im Weltkrieg ziemlich verwundet worden, an der Nordfront –

      MÜLLER

      Unsinn! Es gab doch gar keine Nordfront! Junger Mann. Sie beherrschen ja die vaterländische Geschichte famos!

      MAX

      Gott, damals war ich noch keinen Meter hoch, und was ich in der Schule gelernt habe, das hab ich sofort vergessen – Kurzum: als jener von uns ging, brauchte jener die Krücken nicht mehr. Er hat sich nämlich ersäuft, in dem Weiher, dort drüben, weil er unheilbar war. Seine Krücken hat er uns vermacht, weil er sagte, er sei noch nirgends in seinem Leben so friedlich gesessen wie unter unserer Tanne. Romantisch, was? Aber es muß auch solche Käuze geben – und wir haben seine Krücken auf den Speicher gestellt, aus Pietät, sozusagen: als Erinnerung an große Zeiten.

      MÜLLER

      Das waren sie! Bei Gott! Ein Volk in Waffen! Ihr jungen Hunde müßtet mal ordentlich gedrillt werden – das tut Not!

      MAX

      An welcher Front standen Sie?

      MÜLLER

      Fragen Sie nicht so unverschämt, ja?! Ich verbitte mir das!

       Stille.

      MAX

      Soll ich nun die Krücken bringen?

      MÜLLER

      hat sich wütend in die Speisekarte vertieft: Bringen Sie mir Schweinebraten mit Röstkartoffel. Und Gurkensalat. Marsch, marsch!

      MAX

      Wir haben keine Kartoffel.

      MÜLLER

      Keine Kartoffel?

      MAX

      Wir haben auch keinen Gurkensalat.

      MÜLLER

      Skandal! Dann bringen Sie Rotkohl!

      MAX

      Wir haben aber auch keinen Schweinebraten.

      MÜLLER

      schlägt auf den Tisch: Das