Der Kitsch!
ADA
Den hab ich jetzt schon vergessen –
STRASSER
Ich auch. Fast. Aber plötzlich erschien die Verfasserin.
KARL
Krach.
MAX
Bumbum.
Stille.
ADA
Ist das die?
STRASSER
Ja.
MAX
Man gratuliert.
KARL
Papa! Papa!
ADA
Das ist die? Sie wiehert. Charmant! Charmant! Das ist ja eine charmante Episode! Armer Strasser, armer! Kannst du mir die Ohrfeige verzeihen, kannst du ungeschehen machen – nein, das kannst du nicht, aber einen Kuß will ich jetzt haben – oah!
Strasser gibt ihr einen Kuß.
MÜLLER
Soviel ein Nichteingeweihter aus all dem entnehmen kann, dreht es sich um eine Alimentationsangelegenheit.
EMANUEL
Wie war das Wort?
KARL
Erraten!
MAX
Welch Scharfsinn!
ADA
zu Strasser: Und? Und? Und?
STRASSER
Ich habe es ihr gesagt, das heißt: ich gab es ihr zu verstehen, daß ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will, aber sie wollte es nicht verstehen, daß wir uns entfremdet sind. Sie hat tremoliert und gelogen. Unglaublich gelogen! Sie hat zum Beispiel behauptet, ich hätte keinen Brief erhalten!
MAX
Unglaublich!
STRASSER
Sie will den Mann: das bin ich. Sie will ein Heim: das ist dies Hotel. Sie will Frau Hotelbesitzer werden, so läuft der Hase! Heilige Dreifaltigkeit! Weib, Kind und Pleite!
MÜLLER
Ich dachte, Baronin bezahlen –
ADA
unterbricht: Sie Schalk! Ich finanziere nicht Familien.
MÜLLER
Also scheint es eine gefährliche Erpresserin zu sein!
MAX
Wer?
ADA
zu Müller: Ist sie auch! Ist sie auch! Na klar! Da hätten Herr Generaldirektor nur mal diese Briefe hier – diese sentimentale Verschlagenheit!
MAX
erhebt sich: Pst! Er liest lispelnd aus einem Briefe. ›Mein Innigstgeliebter! Mein Alles! Du kamst diese Nacht im Traum –‹
EMANUEL
melancholisch; er hat auch etwas Magenschmerzen: Das Leben ein Traum –
KARL
zu Emanuel: Sie sollten mal austreten.
MAX
liest: ›– diese Nacht im Traum zu mir und hast Dich über mich gebeugt. Das Kleine schläft gerade, nun kann ich Dir schreiben. Warum schreibst Du mir nicht? Ich fühle mich noch schwach. Täglich, stündlich lechze ich nach Nachricht von Dir. Ich liebe Dich doch, laß mich nicht versinken, reich mir Deinen starken Arm, hilf mir, bitte –‹
Alle, außer Strasser, schütteln sich vor Lachen.
Max liest weiter. ›– Und ich habe Sehnsucht nach Dir, nach einem Heime!‹
MÜLLER
Aha!
ADA
Das Hotel!
STRASSER
Zur schönen Aussicht.
EMANUEL
Pardon! Knabe oder Mädchen?
KARL
Zwitter.
MÜLLER
Wo haben Sie nur diese unmögliche Person aufgegabelt?
STRASSER
Das Schicksal ließ mich ihren Weg kreuzen.
MAX
Wie hochdeutsch!
STRASSER
Sie blieb vierzehn Tage. Zur Erholung. Im Mai. Ich glaube Stenotypistin. Oder etwas in einem Warenhaus.
MÜLLER
Schon faul!
STRASSER
Ich war auf die Saison angewiesen.
MÜLLER
80 % der Frauen sind unterleibskrank. Und erst die gewöhnlichen Mädel, so aus den ärmeren Schichten – Sie verstehen mich, Baron?
Alle außer Ada, lachen brüllend.
ADA
Ist Syphilis eigentlich heilbar?
Stille.
KARL
grinst: Na Prosit!
MAX
Gesundheit!
MÜLLER
Berufstätige Frauen unterhöhlen das bürgerliche Familienleben.
EMANUEL
Die Moral!
STRASSER
Man handelt oft unüberlegt.
MÜLLER
Ich leere mein Glas auf die gute alte Zeit! Saufen.
EMANUEL
Nach Ladenschluß holte man sich einen netten, süßen Käfer – und diese Walzer aus Wien!
MÜLLER
Der Kaiserstadt!
EMANUEL
Für ein warmes Abendessen war alles zu haben! Hernach lüftete man das Barett: mein Liebchen, adieu! Allez! Marchez! Gallopez!
MÜLLER
Und damals waren sie noch dankbar dafür, dankbar! Heute aber: nur nicht arbeiten, aber soziale Einrichtungen! Frech und faul! Lauter Gewerkschaftler! Ehrlichkeit und Pflichtgefühl haben unser Vaterland verlassen! Heute erholen sie sich! Skandal!
EMANUEL
Jeder Prolet möchte sich schon erholen!
MÜLLER
Müßiggang ist aller Laster Anfang! Ordnung fehlt! Und Zucht! Und der starke Mann! – Seinerzeit, da haben es auch die Weiber am tollsten getrieben! Aber ich gab kein Pardon! Ich nicht! Hoho, ich habe selbst drei dieser Furien niedergeschossen!
MAX
Im Kriege?
MÜLLER
Nach dem Kriege!
MAX
Ich dachte, hier säße ein Pazifist.
EMANUEL
Für den äußeren Feind!
MÜLLER
zu Max: Sie kommen mir sonderbar vor, junger