Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth


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nur. Und guten Appetit.

       Ab in den finsteren Hintergrund. Christine unschlüssig; überlegt; setzt sich langsam an den Tisch, mit dem Rücken zur spanischen Wand.

       Max stellt sich ihr gegenüber und reicht ihr die Speisekarte.

       Christine blickt hinein, ist aber anderswo.

       Stille.

      CHRISTINE

      ohne ihn anzusehen: Sagen Sie: könnte ich kein anderes Tischtuch? Dies verdirbt den Appetit.

      MAX

      ist etwas unsicher; unterdrückt erregt: Leider – Wir haben nämlich nur wenige weiße Tischtücher, und die sind beschmutzt. Man könnte zwar auch Bettücher, aber die sind zerfetzt, da wir nur unruhige Übernachtungen – Alle unsere Gäste leiden nämlich an Albdrücken.

       Stille.

      CHRISTINE

      hat nicht hingehört; blickt noch immer in die Karte: Kommt er bald wieder, der Herr Direktor?

      MAX

      Jetzt ist er fort, Christine.

       Christine starrt ihn an.

      MAX

      lächelt verwirrt. Ja, er ist fort, ganz fort, jetzt ist er fort, sozusagen: fort –

      CHRISTINE

      entgeistert: Wer?

      MAX

      Der Herr Direktor, Christine.

       Christine schnellt empor.

      Max unterdrückt. Jesus Maria Joseph! Setz dich! So setz dich!

       Christine setzt sich.

      Max sieht sich scheu um; beugt sich über den Tisch; leise. Ich muß nämlich hier einschalten, daß ich meinen Beruf verliere, wenn die Direktion erfährt, daß – Man hat es nämlich nicht leicht als Liebeshummer. Oh, und ob ich dich sofort wiedererkannt habe! Zuvor: in der Halle, aber als Kellner muß man selbst die edelsten Empfindungen, wie zum Beispiel Eifersucht, ersticken, will man weiter Kellner bleiben, was man ja muß. Christine, hast du denn all die holden heißen Stunden vergessen? Oh, rede! Sag! Sprich! Er zuckt zusammen. Pst! Schweig! Still!

      EMANUEL

      kommt; hält einen Augenblick, tritt dann an den Tisch; verbeugt sich: Verzeihen, Gnädigste, daß ich mich an Ihrem Tische niederlasse, aber ich muß Sie leider belästigen, da ich, wie Sie sich selbst überzeugen können, nirgends anderswo – und ich bin froh über meine Unfähigkeit. Er setzt sich.

       Max verschwindet.

       Emanuel fixiert sie durch das Einglas.

       Christine weicht seinen Blicken aus.

      Emanuel lächelt. Pardon! Ich habe soeben gesagt, ich sei froh über meine Unfähigkeit. Über die Unfähigkeit, mich an einen anderen Platz – Pardon! Er sieht sich um. Jetzt sind wir allein.

       Christine starrt ihn an; krallt in das Tischtuch.

      Pardon! Aber es ist alles vergänglich, und das tut weh. Sehr weh. – Vor vier Stunden noch hätte ich den auf Pistolen gefordert, der es gewagt hätte zu behaupten, daß du die Direktion umarmst –

       Christine schnellt empor und will rasch ab nach rechts.

       Karl erscheint; verstellt ihr den Weg.

      Was wollen Sie, Chauffeur?

      KARL

      stiert Christine an: Herr Baron möchten mal nachsehen. Die Vierradbremse hat sich den Magen verstimmt und die Kerzen brennen, als wäre es Weihnachten, – bald explodiert der Tank – Halt! Er packt Christine am Handgelenk.

      EMANUEL

      Lassen Sie die Dame los!

      KARL

      reißt sie an sich und küßt sie: Ha du!

       Strasser erscheint im Hintergrunde.

       Emanuel nickt ihm grinsend zu und applaudiert lautlos.

      STRASSER

      räuspert sich; tremoliert erschüttert: Christine! Christine!

       Christine reißt sich verzweifelt los; wankt.

      EMANUEL

      zu Karl: Sie sind entlassen, Sie Subjekt!

      KARL

      zuckt die Achsel: Man darf doch wohl noch eine alte Bekannte begrüßen.

       Christine schreit gellend auf.

      EMANUEL

      überschreit sich: Hinfort! Verlogener Bandit!

      KARL

      Hoho! Hoho!

      STRASSER

      stützt sich auf den Tisch: Christine – Christine –

      KARL

      Die Erotik, Sie Herr Baron, kennt keinen Standesunterschied, vorausgesetzt, daß ein Auto vorhanden ist. Da wiegen andere Unterschiede! Solider Brustumfang und so! Ha, Chrysantheme?

       Max tritt von links mit einem riesigen Kunstchrysanthemenstrauß rasch ein und eilt auf Christine zu.

       Christine bricht lautlos zusammen; fällt ohnmächtig vornüber.

       Alle starren auf sie unbeweglich.

       Stille.

      MÜLLER

      kommt aus dem Hintergrunde; überblickt überrascht die Lage; unterdrückt: Na was, was hat sie denn?

      STRASSER

      hebt den Arm: Pst!

       Stille.

      EMANUEL

      leise: Still, nur still – Es gibt ja auch Simulanten – bekanntlich.

       Stille.

      EMANUEL

      flüstert zu Karl: Abgesehen davon: sie heißt doch nicht Chrysantheme, Herr, sie heißt Christine.

      KARL

      brummt: Blume bleibt Blume.

      MAX

      hat sich verhört; schwätzt nervös vor sich hin: Chrysantheme bleibt Chrysantheme. Ich kenn doch die Chrysantheme – hier, allerdings aus Papier, aus Kunst, aber das macht nichts, denn es sind ja Chrysanthemen –

      MÜLLER

      laut: Ich bezweifle, daß sie simuliert.

       Stille.

      EMANUEL

      Eigentlich müßte man nachsehen, selbst wenn sie simulieren sollte.

      STRASSER

      beugt sich über sie: Dann erst recht.

      MÜLLER

      beugt sich auch über sie: Hoppla, Blut!

      KARL

      grinst: Das Auge geschlossen. Und ausgezählt.

      MAX

      K. o.?

      EMANUEL

      Nur kein Blut! Sonst wird mir übel.

      MÜLLER

      Keine