Das ist kein Zufall, das ist Glück!
STRASSER
grimmig: Der liebe Gott!
Stille.
MÜLLER
Mit zehntausend ist man Millionär.
MAX
Ist das soviel Geld?
EMANUEL
Sie Kind!
Stille.
KARL
Ich hatte mal zehntausend –
MAX
unterbricht ihn: In Portugal?
KARL
zuckt zusammen, hält und stiert ihn an: Was soll das schon wieder?
MAX
Der Zufall ist eine eigenartige Einrichtung. Eigentlich undramatisch, aber man trifft ihn trotzdem. Ab und zu.
MÜLLER
Wenn man bedenkt, wie man sich um sechs Kisten Sekt raufen muß –
EMANUEL
Man soll gar nicht denken – Man könnte leben. Ja, nicht nur das! Auch aufatmen!
MAX
Als Millionär könnte man auf den Himalaya, nach Bali und Berlin, über den Ozean fliegen, im Sandmeer baden, Krieg führen, ja sogar Frieden stiften –
KARL
unterbricht ihn: Wann fährt der Zug?
MAX
Nach Paris?
KARL
Nach Chemnitz!
MAX
überrascht: Nach Chemnitz?
KARL
brüllt ihn an: Nein, nach Kalkutta!!
MAX
Fünf Uhr sieben.
EMANUEL
Es wäre Pflicht, die Dame rechtzeitig zu wecken, damit sie den Zug nicht versäumt.
MAX
Die Dame hat es zwar nicht befohlen, aber die Pflicht –
MÜLLER
unterbricht ihn: Ich werde wecken!
KARL
Ich!
STRASSER
Ich! Man kann sich nämlich auf das Personal nicht verlassen und die p. t. Gäste darf man doch nicht bemühen, Herr Generaldirektor.
EMANUEL
Pardon! Ich bringe kein Opfer, da ich nun so nicht schlafen kann –
KARL
unterbricht ihn: Ich dachte, Sie sind mondsüchtig, Baron!
EMANUEL
lächelt spöttisch: Es ist Neumond, Herr.
MAX
sieht empor; verträumt: Der Mond. – Damals schien der Mond. Voll Sehnsucht und Sinnlichkeit. Reifer Sinnlichkeit. Dito Sehnsucht. Ach, du Mond! Wo blieben all die holden heißen Stunden, die herrlichsten Stunden meines Lebens?
STRASSER
Was für Stunden?
MAX
Kavalier schweigt.
STRASSER
brüllt: Was für Stunden?!
MAX
Mein Herr. ›Vater‹ ist ein gewaltiges Problem. Ein Fragezeichen!
KARL
Apropos Fragezeichen: bekannt kommt sie mir vor. Verteufelt bekannt!
STRASSER
Wer?
MÜLLER
Wen der Beruf zu reisen zwingt, der weiß nie, wo er sein Kind trifft.
EMANUEL
Ich liebe Kinder. Über alles.
Strasser setzt sich.
ADA
erscheint verschlafen; setzt sich neben Strasser und betrachtet ihn von oben bis unten genau; lächelt liebevoll:
Nun? – Nun? – Wenn ich nur nicht so erschlagen wäre – Nun? Hast du die Hure hinausgeworfen, ja?
Strasser nickt ja.
Charmant! – Ich habe ja leider Gottes nur den Anfang vernommen, dann bin ich entschlummert – aber ihr seid Künstler – charmant! Sie tätschelt seine Wange; gähnt. Du – Wie schade, schade, schade, daß ich so müde – du –
STRASSER
tonlos: Gute Nacht.
ADA
legt das Haupt auf den Tisch: Danke – danke dir, daß du die hinausexpediert – Sie gähnt. Ein gutes Gewissen ist ein sanft Ruhekissen.
DRITTER AKT
Korridor im Hotel zur schönen Aussicht.
Im Hintergrunde sieben schmale Türen. Von links nach rechts: Zimmer Nummer neun, zehn, elf, zwölf, zwölf a, vierzehn, fünfzehn.
Nacht.
Lampenlicht.
Strasser tritt rasch aus dem Zimmer zwölf und eilt zu fünfzehn; zögert einen Augenblick; klopft an die Türe.
MÜLLER
in Hemdsärmeln und ohne Kragen, die Hosenträger hängen ihm hinten herab, reißt die Tür auf: Herein! Er erblickt Strasser. Schon wieder! Na was denn, was denn?
STRASSER
scharf, erregt: Herr Müller! Ich fordere, aufgeklärt zu werden!
MÜLLER
Fragen Sie Papa und Mama!
STRASSER
Keine Witzelei! Die Sache ist zu ernst!
MÜLLER
Wollen Sie mich auf die Toilette bitten?
STRASSER
Sollten Sie mich zwingen –
MÜLLER
unterbricht ihn: Ich gehe nie auf die Toilette, ich bleibe bei meiner Behauptung! Ich wiederhole: ich habe die Dame im Tabarin gesehen, gehört, gefühlt, gekannt, sie ist mir auf diesem Schoß gesessen, sie hat mir dieses Kinn gekrault, sie hat und so weiter. Ich habe nämlich keine Angst vor Ihrer Toilette, verstanden? Na gute Nacht!
STRASSER
Halt! – Als Ehrenmann sind Sie zum Beweis verpflichtet.
MÜLLER
Abwarten!
STRASSER
Ich warte nicht!
MÜLLER
Ich auch nicht! Bezahlen Sie den Sekt! Schluß! Er schlägt die Tür zu; ab.
STRASSER
allein; gequält: Das nennt sich Gottes Ebenbild –