Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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hohe Regale, die mit Büchern aller Art vollgestopft waren. Der helle Teppich, die duftigen Gardinen und einige bunte Bilder sorgten dafür, daß dieses Gemach mit den dunklen Möbeln nicht zu düster wirkte.

      Das Schreiben, das Frauke der Schreibtischschublade entnahm, reich­te sie dem Notar.

      »Wollen Sie bitte das da mal lesen, Herr Doktor.«

      Als er es getan hatte, sagte er sachlich:

      »Den Brief überlassen Sie am besten zur Beantwortung mir, Fräulein Frauke. Denn was dieses Fräulein Jadwiga von Schlössen von Ihnen so höflich erbittet, ist wohl menschlich verständlich, jedoch gesetzlich unzulässig. Als sie der Gattin des Professors fünftausend Mark ließ, die sie nie zurückbekam, ging den Herrn das nichts mehr an, da er bereits geschieden war. Daß sie das Geld, welches er ihr schroff abschlug, nun von seiner Erbin haben möchte, zeugt entweder von Naivität oder Unverfrorenheit. Nun, ich werde diese peinliche Angelegenheit für Sie schon in Ordnung bringen, Fräulein Frauke.«

      »Danke, Herr Doktor, da fällt mir wirklich ein Stein vom Herzen.«

      Das Schrillen des Fernsprechers ließ sie innehalten. Hulda, die sich gerade in der Diele befand, nahm das Gespräch entgegen und erschien gleich darauf in der Bibliothek.

      »Herr Doktor Gunder läßt Herrn Doktor Folbe sagen, daß er in der »Grünen Gans« auf ihn wartet. Er möchte viel Zeit und viel Durst mitbringen.«

      »Danke, Fräulein Hulda«, nickte der Arzt ihr zu und erhob sich von seinem behaglichen Sitz. »Bitte mich zu entschuldigen, ich bin bald wieder da.«

      »Hoffentlich«, entgegnete der Schwiegervater skeptisch. »Tu es ja nicht, was der Viehdoktor von dir verlangte. Denn du hast keine Zeit, und Durst darfst du nicht haben. Wir wollen nämlich, wie vereinbart, heute noch nach Hause fahren.«

      »Worauf du duch verlassen kannst, verehrter Schwiegerpapa. Also denn auf bald!«

      *

      Doktor Folbe schien ein Mann von Wort zu sein. Denn zwei Stunden später kam er zurück und fand noch Anschluß am gemütlichen Kaffeeplausch. Dankend nahm er die Tasse aus Fraukes Hand und sagte vergnügt:

      »Ein Segen, daß es für den Autolenker wenigstens etwas Trinkbares gibt, das ihm schmeckt. Zwar meinte Uwe, daß ein Kognak nicht schaden könnte, aber ich habe ihn mir lieber verkniffen.«

      »Wie war die Begegnung mit deinem Vetter?« erkundigte sich der Schwiegervater. »Hat sie dich enttäuscht, was ja oft der Fall ist, wenn man sich nach Jahren wiedersieht, in denen der Mensch sich zu verändern pflegt?«

      »Uwe aber nicht. Er ist der liebe, nette Kerl geblieben. Wie eine Frau einem so herzensguten Mann davonlaufen kann, ist einfach ein Rätsel.«

      »Hat ihn das sehr verbittert und womöglich zum Frauenverächter gemacht?«

      »Zwei Fragen in einem Satz, Papachen. Unrentabel für einen Anwalt, der sich jeden Satz einzeln bezahlen läßt.«

      »Sei bloß still, du Schlingel. Die Herren Ärzte sind nämlich auch nicht so ohne.«

      »Na schön, streiten wir uns nicht«, meinte er friedfertig. »Komme ich zur Beantwortung deiner ersten Frage: Nein, Uwe ist gar nicht verbittert. Er betrachtet diese Ehe als Episode, die nicht bis ans Herz reichte. Zum Frauenverächter ist er auch nicht geworden. Er erklärte in seiner vergnügten Art: Wenn ein paar Äppel faul sind, braucht es nicht gleich der ganze Äppelkahn zu sein.«

      »Bravo«, schmunzelte Danz. »So ist er nicht abgeneigt, eine zweite Ehe einzugehen?«

      »Nein. Er wird jedoch, wie er sagte, bei der zweiten Wahl nicht blindverliebt die Augen zukneifen, sondern sie weit aufreißen. Wird das Trommelfell nicht verkleben, sondern wachsam die Ohren spitzen.«

      »Scheint ein prachtvoller Mensch zu sein«, meinte Frau Danz. »Schade, daß ich ihn nicht auch kennengelernt habe.«

      »Das wirst du schon noch, Muttchen.« Wir haben nämlich vereinbart, uns nicht wieder aus den Augen zu verlieren. Er mußte mir versprechen, jedesmal bei uns einzukehren, wenn er in der Stadt zu tun hat, was gar nicht mal selten der Fall ist. Er hat zur Zeit keine eigene Wohnung. Hat nach der Scheidung sein Haus in Bausch und Bogen verkauft und nur die Sachen behalten, die ihm von seinem Elternhause lieb und wert sind. Den andern Kram, wie er sich ausdrückte, mochte er nicht mehr sehen, weil er ihn an seine ›Selige‹ erinnerte. Jetzt wohnt er in dem kleinen Haus einer Witwe, wo er zwei Zimmer mit den ihm lieben Sachen möbliert hat. Seine Praxis befindet sich auf dem Marktplatz, also im Zentrum des Dorfes.«

      »Geht die Praxis gut?«

      »Ja, Papa, sehr gut sogar, Uwe hat so viel zu tun, daß es ihm leid tat, als der Tierarzt, der sich im Dorf als zweiter niederließ, schon nach wenigen Monaten seine Praxis aufgab, weil er so gut wie nichts zu tun hatte. Die Leute aus dem Dorf und des weitverzweigten Kreises wollten keinen für ihre erkrankten Tiere haben als ›Pfarrersch Jung‹, wie er allgemein genannt wird. Die Alten haben ihn aufwachsen sehen, die Gleichaltrigen sind mit ihm großgeworden, und die Jüngeren hören sein Loblied singen. Die Landbevölkerung ist eben konservativer als die Stadtbevölkerung, die andern hängen am Althergebrachten.

      Und nun, meine Lieben, so gemütlich es hier auch ist, wir müssen dennoch aufbrechen, damit wir nicht zu spät nach Hause kommen. Außerdem wird die Dame des Hauses froh sein, die Invasion loszuwerden.«

      »Meinen Sie?« ließ Frauke ihre Grübchen sehen, die der Arzt reizend fand. Überhaupt die ganze charmante Persönlichkeit. Da wird wohl ihr schmuckes Heim nicht lange unbemannt bleiben. Denn die Herren der Schöpfung haben ja Augen im Kopf und ein Herz unter der Weste. Mit herzlichem Dank schieden die Gäste, und die Zurückbleibenden winkten dem abfahrenden Auto nach.

      »Schade, daß sie fort sind«, seufzte Oda. »Ich habe mich in den Arzt verliebt.«

      »Mädchen, du bist wohl nicht recht gescheit!« war Frauke denn doch verblüfft über das freimütige Geständnis. »Der Mann ist verheiratet, und du trägst noch die Eierschalen hinter den Öhrchen.«

      »Na wenn schon«, winkte die Kleine nonchalant ab und zitierte pathetisch: »Ist denn Liebe ein Verbrechen, darf man denn nicht zärtlich sein? Wenn ich nur wüßte, was Liebe ist.«

      »O du Kindskopf!« lachte Frauke hell heraus. »Das weiß ich ja noch nicht einmal, obwohl ich sieben Jahre älter bin als du.«

      Und damit sprach sie die Wahrheit. Noch war ihr Herz unberührt geblieben von der vielgepriesenen Liebe. Von dem Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Aber locker saß Amors Pfeil. Verschmitzt lachte der listige Bursche in sich hinein.

      Warte nur, balde…

      *

      Am Sonntag darauf erschien Baron von Swidbörn in Begleitung Odas im grünen Haus, um sich für die herzliche Gastfreundschaft zu bedanken, die man seiner Schwester angedeihen ließ. Er wirkte direkt einschüchternd, als er so dastand, sehr ernst, sehr vornehm. Man hatte den Eindruck, als ob

      der hartgeschnittene, herrische Mund sich zu keinem freundlichen Lächeln verziehen könnte, höchstens zu einem verächtlichen, sarkastischen, als ob die sehr hellen blauen Augen nie lachend aufblitzen könnten. Ein blendend aussehender Mann, aber einer, dem man gern aus dem Wege ging. Nur Oda tat das nicht. Sie zog den distinguierten Herrn von der Schwelle fort in das Zimmer hinein und sagte lachend:

      »Mir scheint fast so, als ob du Angst hättest, Win.«

      »Wahrscheinlich, du Frechdachs«, schwang die Stimme jetzt wie eine dunkeltönende Glocke, die aber auch anders klingen konnte, hart wie klirrendes Metall. Wen die traf, dem war bestimmt nicht wohl in seiner Haut.

      »Das ist mein Bruder Winrich«, sagte Oda stolz. »Und das sind Frauke und Ortrun.«

      »Darfst du die jungen Damen denn so vorstellen?« fragte er mahnend, und da lief das Gesichtchen rot an.

      »Verzeihung. Also, dann so: Baron von Swidbörn – Fräulein Gortz – Fräulein Danz. Und das ist Ajax, der Schäferhund. Gibst du dem Herrchen eine