Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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endlich die Damen begrüßen. Gnädiges Fräulein, wie ist es nur möglich, daß Sie diese kleine Plappermühle so viel um sich haben können. Fällt sie Ihnen denn nicht auf die Nerven?«

      »Keineswegs, Herr Baron«, entgegnete Frauke lachend. »Unsere Mühlen sind auch ganz nett in Betrieb. Wollen Sie nicht Platz nehmen?«

      »Wenn ich darf, gern.«

      Odas Zünglein war heute ganz besonders flink. Es regte sich hurtig, plapperte und schwatzte, und als der Bruder endlich zu Wort kommen konnte, bedankte er sich für die herzliche Aufnahme, die seine Schwester in diesem Hause fand. Sprach jedoch auch die Befürchtung aus, daß ihre täglichen Besuche auf die Dauer lästig fallen könnten.

      »Das wird nie geschehen, Herr Baron«, beruhigte Frauke ihn. »Wir mögen Oda gern, betrachten sie als zu uns gehörig.«

      »Na also«, triumphierte die Kleine. »Das habe ich dir doch immer wieder gesagt, aber du willst nie auf mich hören. Und dabei bin ich für meine Jahre viel zu verständig, sagt Barbe. findest du das nicht auch, Frauke?«

      »Aber natürlich. Denn alles, was Barbe sagt, hat Hand und Fuß«, entgegnete sie ernsthaft, während ihre Augen lachten und die Grübchen schelmten. Überhaupt ihre ganze Art hatte etwas ungemein Gewinnendes, Herzliches, was den Besucher sofort für sie einnahm. Jetzt konnte er auch verstehen, daß seine Schwester an ihr hing. Daß es sie hinzog aus der prunkhaften Kälte des Schlosses in die Traulichkeit dieses Hauses, das eine Seele hatte, wie man so sagt. Und diese Seele konnten ihm nur die Bewohner geben.

      Aus diesem Gedankengang heraus sagte der Mann mit leichtem Lächeln:

      »Es ist kaum zu fassen, was Sie aus diesem Gespensterhaus, wie unser Barbe es bezeichnete, gemacht haben, gnädiges Fräulein. Jedesmal, wenn ich hier vorüberkam, um ins Dorf zu gelangen, empfand ich ein Gruseln, zumal die Bewohner in mysteriöser Abgeschiedenheit lebten. Das heißt, als der Professor das Anwesen erwarb, machte es nicht den düsteren Eindruck. Da brachten zwei lebenslustige Menschen, Mutter und Tochter, Lachen und Frohsinn hinein. Als das entschwand, nahm es mit sich das Herz des Mannes.«

      »Bitte nicht«, schwankte ein Stimmchen dazwischen. »Sonst muß ich weinen. Und das tu ich doch so ungern.«

      »Das tut wohl keiner gern, du Schäfchen«, streichelte er leicht über das gesenkte Blondköpfchen. »Gehen wir, ich habe meinen Besuch schon über Gebühr ausgedehnt. Nochmals Dank, gnädiges Fräulein, daß Sie sich so lieb Odas annehmen. Ich kann Sie leider nicht um Ihren Besuch bitten, da mein Haus ohne Repräsentantin ist. Daher kann ich mich für die Gastfreundschaft, die Sie meiner Schwester so großherzig gewähren, nicht revanchieren.«

      »Das ist auch nicht erforderlich, Herr Baron. Es muß ja nicht immer alles gleich auf ›Abgeben‹ bedacht sein. Ich betone nochmals, daß Oda uns lieb ist, nicht wahr, mein Mädchen?«

      »Und wie, Frauke! Wir lieben uns alle hier auf Gegenseitigkeit.«

      Zufrieden, daß die beiden Mädchen über sie lachten und sogar der Bruder leicht schmunzelte, ging sie mit ihm davon. Bald darauf wurden sie auf dem Wiesenpfad sichtbar, der in allmählicher Steigung zum Schloß emporführte. Ortrun, zu denen sich auch Hulda gesellt hatte, den Geschwistern nach, die Hand in Hand gingen, wie zwei Menschen, die sich hilfesuchend aneinanderklammern. Hulda wischte sich die Augen und brummte:

      »So ein armer Kerl. Bis in die tiefste Seele hinein kann er einen erbarmen. Der hat zuviel mitmachen müssen mit dem elendiglichen Weib. Ein Jammer, daß es gerade immer die besten Männer sind, die an so was geraten.«

      »Wie weißt du denn, daß er einer von den besten ist?« fragte Frauke. »Du hast ihn heute doch zum ersten Mal und dabei nur flüchtig gesehen. Das genügt nun wahrlich nicht, die Wesensart eines Menschen zu erkennen.«

      »Brauch ich gar nicht, ich verlaß mich da auf meinen Instinkt. Und der sagt mir, daß der Baron ein guter, vornehmer Mensch ist.«

      Das letzte kam schon von der Tür her, durch die Hulda eiligst entschwand, damit nicht der Sonntagsbraten anbrannte, der gar lieblich in der Pfanne brutzelte. Frauke deckte den Tisch, und Ortrun hielt immer noch den Blick auf den Pfad gerichtet, bis die Geschwister im Park verschwunden waren. Doch immer noch sah Ortrun vor sich das stolze, von Trauer überschüttete Männerantlitz, hörte immer noch die dunkeltönende Stimme. Also ein Zeichen, daß der Mann sie fasziniert, einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hatte.

      Was gewiß kein Wunder war. Denn Männer seiner Art faszinierten selbst die anspruchsvollsten Frauen, geschweige denn ein zwanzigjähriges Mädchen, das in der Abgeschiedenheit eines Töchterheims herangewachsen war. Wo es außer dem alten Gärtner und dem gleichfalls nicht mehr jungen Faktotum keinen Mann gab.

      Wohl hatte das Heim ein eigenes Kino, wo die Filme eigens für die behüteten Mädchen zurechtgeschnitten wurden. Zu der Tanzstunde der Siebzehnjährigen und den anschließenden Tanzabenden wurden nur gleichaltrige Jünglinge geladen. Somit hatte ein Mädchen wie Ortrun Danz, das bereits mit vierzehn Jahren ins Internat gekommen war, keine Gelegenheit gehabt, einen so außergewöhnlichen Mann wie Baron Swidbörn kennenzulernen.

      Jedenfalls bot das Heim ein sicheres Unterkommen für heranwachsende Mädchen, die entweder elternlos waren oder deren Eltern sich um ihre Töchter nicht kümmern konnten, ihnen aber eine tadellose Erziehung angedeihen lassen wollten. Denn tadellos erzogen wurden die Mädchen; sie lernten alles, was für ihr späteres Leben von Wert war. Sie erhielten eine sorgfältige Schulausbildung bis zum Abitur, wurden in allen wirtschaftlichen Dingen unterwiesen, bekamen Musik- sowie Tanzunterricht, wer Lust hatte, konnte reiten lernen, mit achtzehn Jahren den Führerschein machen – nur allein ausgehen durfte man nicht, da wurden die Zöglinge immer von einer Lehrerin begleitet. Wem das nicht paßte, der mußte das Institut verlassen, was natürlich auch vorkam. Doch im allgemeinen fügten die Mädchen sich den Gesetzen, was ihnen später zustatten kam. Denn Zöglinge des Elitetöchterheims gewesen zu sein, war ein Freibrief, der ihnen überall die Türen öffnete.

      Also hatte Doktor Danz schon gewußt, wohin er die Tochter nach dem Tod seiner Frau gab, zumal er sich als Forscher nicht um sein Kind kümmern konnte. Wenn es jedoch mit neunzehn Jahren dem Heim entwachsen sein würde, dann wollte er es auf seinen Reisen mitnehmen, soweit diese ungefährlich waren.

      Allein, das sollte der Mann nicht mehr erleben. Viel zu früh ereilte ihn der Tod, und er mußte sein einziges Kind zurücklassen, das von Glück sagen konnte, ein so trauliches Zuhause zu finden. Sonst wäre es um das arme reiche Mädchen traurig bestellt gewesen.

      *

      »Die Finken schlagen, der Lenz ist da und keiner kann sagen, wie es geschah. Er ist gekommen so über Nacht«, klang es jubelnd aus dem Salon des grünen Hauses, wo

      Ortrun vor dem weißen Stutzflügel saß und den Lenz besang, der wirklich gekommen war so über Nacht. Denn gestern abend noch hatte es geregnet und gestürmt und morgens war er da, der Götterknabe Mai, der nun sein rosenumwundenes Zepter schwang. Die Vögel jubilierten, die Bäume prangten in ihrem jungen Grün, die Rasen leuchteten, und die Blumen verströmten ihren süßen Duft.

      Der einstige Schandfleck des Dorfes war jetzt ein kleines Paradies, das Ajax treu bewachte und der lange Michel ebenso treu umsorgte. Unermüdlich werkte er herum, mit fast unnachahmlichem Geschick. Er hatte es tatsächlich fertiggekriegt, aus dem Schuppen einen erstklassigen Geflügelstall zu zimmern. Nun krähte, gackerte, schnatterte, piepste es auf dem Hof an allen Ecken und Enden.

      Im Gemüsegarten gedieh alles prächtig, der Park war sorgfältig gepflegt. Und wenn die drei Weiblichkeiten auch überall herzhaft zupackten, so war das doch alles nur »Nuschtwerk«, wie Hulda es bezeichnete. Der Arbeitsheld war und blieb Michel, in nimmermüder Kraft.

      Jetzt bastelte er auf dem Hof an einem Drahtgestell für die Küken herum und pfiff dabei stillvergnügt die Melodie vor sich hin, die durch die geöffneten Fenster zu ihm drang. Er traf dabei wohl nicht immer den richtigen Ton, aber das machte ihm gar nichts aus.

      Schade, daß das Konzert im Haus so plötzlich abbrach, war doch zu schön gewesen. Das fand wohl auch Frauke, aber sie mußte die Sängerin stören, weil sie ein Schreiben