Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


Скачать книгу

beschämt. Denn Sie nehmen bestimmt an, daß ich eine Erpresserin bin. Das stimmt aber nicht. Ich habe nur in Unkenntnis gehandelt, als ich Fräulein Gortz den Brief schrieb. Ich glaubte mich im Recht, als ich die fünftausend Mark von ihr erbat, die ich vor Jahren der Frau des Professors leihweise überließ. Daß sie damals bereits von ihrem Mann geschieden war, verschwieg sie mir.

      Haben Sie bitte die Güte, Herr Doktor, Fräulein Gortz zu schreiben und sie in meinem Namen um Entschuldigung zu bitten. Ich persönlich wage es nach dem beschämenden Brief nicht mehr.

      Falls Sie noch ein Anliegen an mich haben sollten, lassen Sie es mich sofort wissen, damit Ihr Schreiben mich noch erreicht. Denn das Stift, in dem ich seit sechs Jahren lebe, wird aufgelöst, da es nicht mehr tragbar ist. Die meisten Damen werden auf andere Stifte verteilt. Doch zu den Glücklichen gehöre ich nicht, für mich ist nirgends Platz.

      Hochachtungsvoll

      Jadwiga von Schlössen.

      »Für mich ist nirgends Platz«, murmelte Frauke, als sie den Brief sinken ließ. »Wie unsagbar traurig.«

      »Ein Skandal ist das«, knurrte Hulda böse. »Einfach das Stift schließen und die armen Stiftsdamen auf die Straße setzen. Und das läßt unser Herrgott zu. Also müssen Menschen barmherziger sein.«

      »Und sie werden es sein«, entschied Frauke spontan. »Platz haben wir genug, und zum Sattessen für eine Person wird es auch noch reichen. Was sagt ihr dazu?«

      »Mich brauchst du erst gar nicht zu fragen«, wischte Hulda hastig ein Tränchen fort, und Ortrun nickte eifrig.

      »Bitte, Frauke, laß die Dame herkommen. Du mußt dann eben mehr Pensionsgeld von mir nehmen. Und wenn das nicht reicht, muß Onkel Rudolf mehr Geld für meinen Unterhalt bewilligen.«

      »Halt ein!« stoppte Frauke den Eifer. »Fräulein von Schlössen wird doch nicht so ein Vielfraß sein, daß wir sie nicht sattkriegen können. Deinen Vormund laß mal ganz aus dem Spiel. Ich glaube, er hat mich ohnehin im Verdacht, daß ich dir dein Fellchen über die Ohren ziehe.«

      »Ist ja gar nicht wahr. Er findet es im Gegenteil zu wenig, was du mir abnimmst.«

      »Also hat er dich doch darum befragt.«

      »Das hat er nicht. Ich habe davon angefangen, als du mit den beiden Damen nach oben gingst, um ihnen dort die Räume zu zeigen. Da erzählte ich Onkel Rudolf von meinem Zimmer, dessen Einrichtung ich gekauft habe, was dir gar nicht recht war. Ferner erzählte ich, daß du zur Instandsetzung deines Besitzes kein Geld von mir nahmst, obwohl ich es dir immer wieder anbot. Ich klagte ihm auch, daß bei dem mäßigen Pensionspreis von dem Monatswechsel immer soviel übrig bleibt und ich gar nicht weiß, was ich mit dem Geld anfangen soll. Da lachte er und meinte, was für Sorgen wir reichen Mädchen doch hätten. Und nun schreibe gleich an Fräulein von Schlössen, daß sie hier ein Zuhause finden kann.«

      »Na, nun mal langsam, mein Herzchen. So leichtsinnig wollen wir wiederum auch nicht sein. Wollen uns zuerst das Stiftsfräulein einmal ansehen, ob man mit ihr überhaupt auskommen kann. Also werde ich ihr schreiben, daß sie, wenn sie Lust hätte, uns besuchen möchte. Dann werden wir ja sehen, wie sie darauf reagiert. Zeigt sie uns die kalte Schulter, auch gut. Wir jedenfalls haben dann einem einsamen Menschen gegenüber unsere Pflicht und Schuldigkeit getan.«

      *

      Es war einige Tage später, als Frauke durch die Haustür gehen wollte – und dann wie erstarrt zwischen Tür und Angel verharrte; denn vor ihr stand die Dame aus dem D-Zug. Sehr vornehm, sehr altmodisch, mit Pincenez, vorsintflutlichem Hut, konservativer Reisetasche und schüchternem Lächeln, das um irgend etwas um Verzeihung zu bitten schien. Dann die unsichere Frage:

      »Wohnt hier ein Fräulein Frauke Gortz?«

      »Das bin ich.«

      »Und ich bin Jadwiga von Schlössen.« Na, da schlag einer lang hin! wäre Frauke beinahe die beliebte Redewendung Michels entfahren. Doch der hilflose, bittende Blick der Besucherin gab dem gewandten Mädchen rasch die Fassung wieder.

      »Seien Sie mir herzlich willkommen«, entgegnete sie liebenswürdig. »Wir sind uns nicht mehr ganz fremd, nicht wahr?«

      »Nein, wir sahen uns damals im Zug… Mein Gott, der Hund, er wird mir doch nichts tun?« wich sie entsetzt vor Ajax zurück, der plötzlich aufgetaucht war und sie kritisch musterte.

      »I bewahre«, beruhigte Frauke. »Du wirst doch wohl nicht liebe Gäste anfallen, du Schlingel.«

      »Wauwau!« machte er lustig. Das beruhigte die ängstliche Dame, die Frauke nun in die Diele führte und ihr dort Tasche, Mantel nebst Hut abnahm. Auf der Terrasse bat sie den Gast, Platz zu nehmen, der ängstlich fragte:

      »Ich komme Ihnen doch nicht ungelegen, Fräulein Gortz?«

      »Durchaus nicht, Fräulein von Schlössen. Ich habe Sie doch eingeladen.«

      »Wofür ich Ihnen von ganzem Herzen danke. Ich hätte sonst gar nicht gewußt, wohin ich sollte. Ich bin ja so allein.«

      »Jetzt nicht mehr«, versicherte Frauke, die dieses arme, verschüchterte Wesen in tiefster Seele erbarmte. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick.«

      »Nehmen Sie auch den Hund mit?«

      »Wenn er Sie geniert, selbstverständlich. Komm, Ajax!«

      Willig folgte er ihr zur Küche, wo Hulda und Ortrun mit der Vorbereitung des Abendessens beschäftigt waren. Eine hielt eine Schüssel mit geschlagenen Eiern in der Hand, die andere eine Kanne mit Milch, was Frauke bei der Nachricht, die sie übermitteln wollte, denn doch zu gefährlich schien. Daher sagte sie leise:

      »Stellt mal die Sachen auf den Tisch, damit sie euch nicht vor Überraschung aus den Händen fallen. So, nun will ich euch schnell was sagen, dann muß ich wieder zu unserm Gast zurück. Und dieser Gast heißt Jadwiga von Schlössen.«

      »Na, das ist mal eine Überraschung!«

      »Aber noch nicht die größte, Hulda. Besinnst du dich auf die altmodische Dame im D-Zug? Die ist mit unserm Gast identisch.«

      »Gott in deine Hände!« sagte Hulda verblüfft. »Ist doch bloß gut, daß du mich vorher warntest. Ich hätte bestimmt die Schüssel fallenlassen.«

      »Und ich den Topf«, lachte Ortrun. »Frauke, was werden wir bloß mit dem komischen Kruckchen anfangen?«

      »Nett zu ihr sein, sie ist ja so arg verschüchtert. Ich muß jetzt gehen. Vergiß nicht, ein Gedeck mehr aufzulegen, Ortrun.«

      Sie eilte zu Jadwiga zurück, nahm Platz und sagte munter:

      »So, nun stehe ich Ihnen zur Verfügung, Fräulein von Schlössen. Gefällt es Ihnen hier?«

      »Sehr. Es ist hier alles so harmonisch, so friedlich, so wie in Sonne getaucht.«

      »Jetzt ja«, nickte Frauke und erzählte dann, wie düster und unwirtlich es vorher gewesen war. Sie hatte ihren Bericht gerade beendet, als Ortrun erschien und von Jadwiga überrascht gemustert wurde.

      »Dieser jungen Dame bin ich doch auch im Zug damals begegnet.«

      »Sie gehört ja auch zu mir«, erklärte Frauke und übernahm die Vorstellung. Dann ging man ins Speisezimmer, wo bereits das Abendessen stand. Rührei mit Schinken, Aufschnitt, Butter, Käse, Brot und Milch.

      »Nun greifen Sie tüchtig zu, Fräulein von Schlössen«, forderte Frauke auf, nachdem man am Tisch Platz genommen hatte. »Wir sind Landbewohner, die nicht nippen, sondern essen, bis sie satt sind. Wenn Sie Milch nicht mögen, können Sie auch ein anderes Getränk bekommen.«

      »Nein, danke, ich trinke Milch gern. Dann möchte ich Ihnen keine Umstände machen und Ihnen damit zur Last fallen. Ich will auch nicht lange bleiben.«

      »Darüber sprechen wir später«, winkte Frauke ab und bemerkte dann mit Genugtuung, wie gut es dem Gast schmeckte. Warum, das sollten die beiden Mädchen erfahren, als man später in der Bibliothek bei einem Glas Wein saß.

      »Sie