Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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reichsten Männer Preußens, dem Reichsbaron Desider von Swidbörn gegründet worden. Es besaß ein festgefügtes, gutmöbliertes Haus, ein stattliches Vermögen und eine Landwirtschaft, welche die zwei Dutzend Damen nebst Personal reichlich versorgen konnte. Die meisten der Insassinnen waren so gestellt, daß sie einen guten Pensionspreis zahlen und damit die Minderbemittelten durchschleusen konnten, so daß nie der Etat überschritten wurde, sondern im Gegenteil man noch sparen konnte.

      Die Schutzherren waren von jeher die Barone von Swidbörn gewesen, die wie kleine Könige auf ihrem herrlichen Besitz regierten. Der Stammsitz war Grünehöh und alles was einen »grünen« Namen hatte, gehörte dazu. Grüneberg, Grünetal, Grüneau, Grünewald und Grüneheide. Grünegrund hatte ein Vorfahre einst an die Gemeinde verkauft, wo dann so nach und nach das Dorf Grünergrund entstand.

      Die Stelle der Oberin war jetzt von einer Gräfin Attbach besetzt, einer geborenen Baroneß von Swidbörn. Als ihr Gatte, ein hoher Militär, starb, betreute ihr Bruder sie mit der Stiftsstelle, die damals gerade frei war. Winrich und Oda hingen sehr an dieser Tante, die sie oft besuchten, da das Stift in der Nähe lag.

      Nun war die Oberin im Winter ernstlich krank gewesen, hatte sich jedoch wieder prächtig erholt. Also standen die Chancen schlecht für die Gräfin Warl. Denn erstens konnte die jetzt sechzigjährige Oberin noch gut zwei Jahrzehnte leben und dann hätte der Patronatsherr nach einem so wertvollen Menschen nie einen so minderwertigen wie die Gräfin Warl als Oberin gewählt.

      *

      Jadwiga von Schlössen war emsig dabei, die Blumen zu gießen, die in den grünen Kästen auf der Balustrade der Terrasse so üppig blühten. Zwischendurch rankten Kletterrosen, die dick voll Knospen waren, von denen hier und da bereits eine aufsprang. Wenn sie alle richtig blühten, würde hier eine wahre Rosenpracht das Auge entzücken.

      Ajax hatte sich auf den Fliesenboden gestreckt und sah aufmerksam zu, was das Frauchen da machte, dem er schon längst Daseinsberechtigung hier zubilligte.

      Jadwiga war glücklich. Wie im Paradies fühlte sie sich, nach dem trostlosen Dasein vergangener Jahre. Hier durfte sie ein Mensch unter Menschen sein, kein geducktes, bespötteltes Wesen. Hier wurde sie als vollwertiges Familienmitglied betrachtet. War die Tante Jadwiga, sogar für die Baroneß.

      Man hätte sie auch bestimmt behalten, wenn sie ganz mittellos gewesen wäre. Doch sie bekam eine monatliche Rente von zweihundert Mark, von denen Frauke ihr nur die Hälfte abnahm, die andere mußte sie behalten. Viel Geld für einen Menschen, der bisher mit einem Taschengeld von dreißig Mark hatte auskommen müssen.

      Jadwiga durfte auch in der Wirtschaft leichte Arbeiten verrichten, die ihr das Gefühl gaben, doch wenigstens zu etwas nütze zu sein. Sie hatte sich in den beiden Wochen, die sie hier weilte, gut herausgemacht. Sie war voller geworden, das vergrämte Gesicht hatte sich gestrafft, die Augen hatten den scheuen Blick verloren. Sie konnte sogar schon lachen, was sie lange nicht mehr getan hatte, weil es für sie nichts zu lachen gab.

      Eben erschien Ortrun, entzückend anzuschaun in dem schicken Frühjahrskleidchen. Die Augen strahlten, als spiegelte sich darin die Sonne, das wunderbare Haar gleißte wie das Gold des Meeres. Ein junges Menschenkind von bezaubernder, jungfrischer Schönheit.

      Aber auch Frauke war reizend, die soeben sichtbar wurde. Nicht ganz so grazil wie Ortrun, aber immerhin schlank. Das Haar wie reife Kastanien und wunderbar gepflegt, die Augen opalisierten wie Perlmutt.

      Und dann die allerliebsten Grübchen, die redeten eine gar eindringliche Sprache.

      Wenn die beiden Mädchen durch das Dorf gingen, wie jetzt, so richtig leichtbeschwingt und unbeschwert, gab es wohl keinen Mann, der ihnen nicht nachschmunzelte. Das tat nun der Gemeindevorsteher, der mit dem Domänenpächter Schölt in der »Grünen Gans« am Fenster saß und auf den Marktplatz schaute.

      »Sehen Sie sich das mal an!« zeigte er mit einer Kopfbewegung nach drau­ßen, wo zwei junge Mädchen sichtbar wurden. »Donner noch eins, da kann es einem heiß ums Herz werden. Es blühen zwei köstliche Blumen im Garten vom grünen Land. Der berauschende Duft dürfte so mancher Herrlichkeit in die Nase steigen.

      Olala, da naht ja auch unser aller Stolz hoch zu Roß nebst Schwesterlein. Wem winkt es da so lebhaft zu? Natürlich den jungen Damen, die lachend zurückwinken. Sie sollen ja miteinander ein Herz und eine Seele sein.

      Die Damen leben sehr zurückgezogen, und ihr Faktotum ist nebst seinem Bertchen verschwiegen wie ein Trappistenmönch, wenn es ums grüne Haus geht. Mir ist alles, was damit zusammenhängt, äußerst interessant.«

      Menschlich verständlich. Denn Menschen in exquisiter Stellung sind nun mal interessant, werden scharf beobachtet, bekrittelt und beklatscht. Und je zurückgezogener solche Menschen leben, um so größer ist die Neugierde.

      Nun, diese ließ die vier Menschen kalt, die sich soeben begrüßten. Allerdings nur durch Zuwinken, weil die Reiter es eilig hatten. Oda rief den beiden Mädchen noch zu, daß die Oberin eingetroffen wäre, dann tänzelten die Pferde vorüber, um hinterher in einen muntern Trab überzugehen.

      »Eigentlich sonderbar, daß wir die Geschwister heute zum ersten Mal im Sattel sehen«, sagte Frauke. »Daß der Baron reitet, ist ja selbstverständlich, doch daß es auch Oda tut, ist mir neu. Sie hat es doch nie erwähnt.«

      »Weil sie es des Erwähnens nicht für wert findet«, zuckte Ortrun die Achsel. »Denn bei den Landfräulein ist das Reiten so selbstverständlich wie bei den Landherren. Sie haben schon als Kind ihr Pony und später ein Damenpferd. Das weiß ich von den Mädchen, die ins Töchterheim kamen. Dort konnten sie das Reiten fortsetzen, da das Institut einen eigenen Reitstall unterhielt. Sie mußten sich allerdings mit einem abgegrenzten Gelände begnügen, dazu noch unter Aufsicht einer Reitlehrerin. Mir als Anfängerin machte das nichts aus, doch die Perfekten maulten oft über die Freiheitsberaubung, wie sie es nannten. Warum siehst du mich so erstaunt an?«

      »Weil ich zum ersten Mal höre, daß auch du eine Reiterin bist. Bei dir erfährt man überhaupt nur durch Zufall, was du kannst. Daß du ausgezeichnet Klavier und Geige spielst, dazu auch noch singst, erfuhr ich unlängst durch Zufall, daß du den Führerschein hast, gestern, und daß du reitest, heute.«

      »Aber Fraukelein, das ist doch alles so unwichtig. Viel wichtiger ist, daß ich in Haus und Garten helfen kann. Was ist denn schon ein Reiter ohne Pferd und ein Autofahrer ohne Auto. Ich hatte vor beiden Angst, als ich mit der Lehre begann. Aber mein Vater hatte gewünscht, daß ich alles mitzunehmen hätte, was das exklusive Heim nur bieten konnte. Daran hielt sich die Oberin nun streng, und gegen die gab es kein Auflehnen, nur ein Gehorchen.«

      Mittlerweile hatten sie das grüne Haus erreicht, wo im Vorgarten Ajax ihnen auf drei Beinen entgegenhumpelte.

      »Was hast du denn?« fragte Frauke bestürzt, worauf das Tier ihr leise winselnd die Pfote entgegenstreckte, von der Blut tropfte. Als die Mädchen näher hinsahen, bemerkten sie den Glasscherben, der zwischen den Zehen hervorragte.

      »Das sieht ja böse aus«, sagte Frauke erschrocken. »Der Scherben muß raus, das steht nun mal fest. Und da ich mich nicht heranwage, muß der Tierarzt her. Hol rasch eine Binde, Ortrun, damit wir einen Notverband anlegen können.«

      Als das geschehen war, nahmen die Mädchen den Hund beim Halsband und führten ihn auf die Terrasse, wo Jadwiga beim Anblick der blutdurchtränkten Binde aufschrie und damit nicht nur Hulda sondern auch Michel herbeilockte, die nun betroffen auf das winselnde Tier schauten.

      »Er hat sich einen Scherben in die Pfote getreten«, erklärte Ortrun, während Frauke zum Fernsprecher eilte, um den Tierarzt anzurufen. Nachdem sie im Verzeichnis die Nummer gefunden hatte, wählte sie und hörte gleich darauf eine dunkle Stimme:

      »Doktor Gunder.«

      »Herr Doktor, kommen Sie bitte sofort zu unserm Hund«, sprach Frauke aufgeregt in die Muschel. »Er hat sich eine Scherbe in den Fuß getreten, die ich nicht entfernen kann. Werden Sie kommen?«

      »Wenn ich wüßte wohin, dann gern.«

      »Zum Haus im grünen Grund natürlich«, sagte sie ungeduldig, und er