Günter Dönges

Butler Parker Jubiläumsbox 7 – Kriminalroman


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»Ich hoffe, daß Mr. Calderhan nicht damit rechnet. Ich kann es mir eigentlich auch nicht vorstellen.«

      »Zurück zur Insel?« Judy Malones Stimme klang ein wenig ängstlich.

      »Nur dort sind wir sicher«, erwiderte der Butler. »Und nur dort können wir Hilfe erwarten, Miß Judy! Ganz abgesehen davon, daß wir uns noch um die vier A-Geschosse kümmern müssen. Ich sähe es nicht besonders gern, wenn Calderhan sie hinüber aufs Festland brächte.«

      »Vielleicht haben Sie recht«, sagte sie zögernd. »Aber von wem versprechen Sie sich Hilfe?«

      »Lassen wir uns überraschen«, gab der Butler ausweichend zurück. Er dachte wieder einmal an die kleine Metallkapsel, die er vor seiner Festnahme durch die Gangster ins Unterholz geworfen hatte.

      In dieser Metallkapsel befand sich ein kleiner, aber sehr leistungsstarker Peilsender, der nun schon seit Stunden seine Signale ausstrahlte und damit erkennen ließ, daß auf der Insel Hilfe gebraucht wurde.

      Parker wendete das Boot und sah dankbar zum Himmel hoch, dessen Dunst sich in regenschwere, dunkle Wolken verwandelt hatte. Parker sehnte sich förmlich nach einem kleinen Unwetter.

      *

      Sein Wunsch ging in Erfüllung.

      Er bekam einen mittelschweren Orkan geliefert, der die Dünung der See zu haushohen Wellenbergen auftürmte. Doch zu dieser Zeit befanden sie sich bereits wieder auf der Insel, wenngleich die Landung auch alles andere als sanft oder zivil gewesen war.

      Der schnelle Außenborder war von schweren Brechern bereits am Riff zerschlagen worden. Parker und Judy Malone lagen erschöpft und leicht zerschlagen am Strand der Insel, weit von der Lagune entfernt. Wo sie sich genau befanden, war nicht auszumachen. Dazu war es zu dunkel geworden. Und die niederzischenden Blitzbündel, die für Bruchteile von Sekunden die Finsternis aufhellten, schafften nicht lange genug Licht, um sich orientieren zu können.

      Susan Kellys Körper war in der See geblieben. Es war kaum damit zu rechnen, daß man sie jemals wiedersah.

      »Mit Ihrer Erlaubnis, Miß Judy, werde ich mir etwas die Füße vertreten«, sagte Parker, der im Schutz einer sich hin- und herbiegenden Palme aufstand. »Sie würden mir einen Gefallen erweisen, wenn Sie hier am Strand Zurückbleiben.«

      »Was haben Sie vor?« rief sie gegen den heulenden Sturm zurück.

      »Ich möchte mich nach Calderhan umsehen«, erwiderte Parker, der sich zu ihr hinunterbeugte. »Sehr gut übrigens, daß er bei dem augenblicklich herrschenden Wetter die Insel nicht verlassen kann.«

      »Ich komme mit«, entschied sie energisch. »Es ist auch mein Job, Calderhan auszuschalten.«

      Parker ließ sich auf keine Diskussion ein. Er konnte sehr gut verstehen, was die Dame trieb. Schließlich war sie eine CIA-Agentin. Darüber hinaus wußte sie noch immer nicht mit letzter Sicherheit, was aus ihrem damaligen Begleiter Hilton geworden war.

      Sie kämpften sich durch den heulenden Sturm und durch den Regen, der wie aus Kübeln zu kommen schien. Erst weitab vom Ufer, im dichten Unterholz, das die Wut des Sturmes milderte, kamen sie schneller voran.

      Nach etwa einer halben Stunde hatten sie plötzlich das Ufer der inneren Lagune erreicht. Auf der gegenüberliegenden Seite dieser Lagune waren die Hütten der Gangster zu sehen. Von den Burschen selbst war nichts zu erkennen. Sie hielten sich wohl alle in den Hütten auf.

      Parker orientierte sich noch eingehender.

      So wollte er zum Beispiel wissen, wo die beiden Wasserflugzeuge festgemacht worden waren. In der Innenlagune waren sie nicht. Also befanden sie sich entweder in der Außenlagune oder im Stichkanal, der die beiden Lagunen miteinander verband.

      Judy folgte einer Handbewegung des Butlers. Parker arbeitete sich durch das dichte Unterholz und pirschte sich an den Stichkanal heran. Dort hoffte er die beiden Maschinen zu finden. Seiner Ansicht nach waren sie dort am besten gegen das wilde, tobende Unwetter geschützt.

      Dann entdeckte er die beiden Maschinen.

      Sie befanden sich tatsächlich im Stichkanal, wo sie der Sturm kaum erreichte. Und sie wurden selbstverständlich bewacht. Zwei der stämmigen Gangster standen am Ufer. Sie hielten Maschinenpistolen in Händen und machten einen sehr konzentrierten Eindruck. Sie ließen sich weder von herumfliegenden Ästen noch von abgerissenen Palmwedeln ernstlich stören oder beeindrucken. Sie schienen von Calderhan äußerst nachdrücklich vergattert worden zu sein.

      Judy sah den Butler zweifelnd an.

      »Sie sehen uns, wenn wir das Unterholz verlassen«, sagte sie jetzt warnend.

      »Mit größter Wahrscheinlichkeit«, bestätigte der Butler. Dann aber holte er seine zusammenklappbare Gabelschleuder hervor, die man ihm gelassen hatte, zumal man sie nicht als Waffe identifiziert hatte.

      Parker hob einige handliche Steinbröckchen auf und betätigte sich als Sturmwind. Mit anderen Worten, er ließ diese kleinen Bröckchen durch die Luft wirbeln, worauf die beiden Flugzeugwachen sehr beeindruckt zu Boden gingen. Sie hatten noch nicht einmal die Zeit gefunden, ihre Maschinenpistolen zu heben und zu schießen.

      Parker setzte Judy Malone wieder einmal in Erstaunen. Sie wunderte sich zwar am laufenden Band über ihn, doch diesmal sah sie plötzlich einen elastischen Sportler vor sich, der nicht mehr zu bremsen war.

      Parker lief auf die beiden am Boden liegenden Männer zu und barg erst einmal ihre Waffen. Dann entsicherte er sie und setzte sie in Tätigkeit.

      Wie rasend schnelle Nähmaschinen setzten sie sich in Tätigkeit. Sie spuckten ihre Geschosse fleißig aus und zersiebten die Tragflächen und Rümpfe der beiden Wasserflugzeuge.

      Sie besorgten ihre zerstörerische Arbeit sehr nachhaltig. Und sie erwischten auch die Tanks der beiden Maschinen. Das Benzin entzündete sich explosionsartig und ließ die beiden Flugzeuge auseinanderplatzen.

      Einzelteile wirbelten durch die Luft. Flammenzungen schossen aus der dunklen Explosionswolke hervor und setzten den wenig schönen Rest in Brand.

      Das alles war das Werk weniger Sekunden. Danach sahen die beiden Wasserflugzeuge nicht mehr sonderlich schön aus. Und was noch schön war, wurde ein Raub der gierigen Flammen, die vom herrschenden Sturm angeschürt wurden.

      Parker betrachtete ungemein zufrieden diese gekonnte Arbeit. Seine innere Rechnung war nämlich sehr einfach. Der Außenborder existierte nicht mehr. Und nun hatten sich auch die beiden Wasserflugzeuge in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegt. Mit anderen Worten, Calderhan saß auf der »Insel der Haie« fest und konnte nicht mehr so operieren, wie er es sich vielleicht einmal vorgestellt hatte. Er war vor allen Dingen nicht mehr in der Lage, die A-Geschosse hinüber zum Festland zu transportieren. Und genau das mußte er tun, denn er konnte sich ja an fünf Fingern ausrechnen, daß sein Versteck auf der Haifischinsel zu bekannt geworden war.

      »Und nun zu den A-Geschossen«, meinte Parker, nachdem er zurück zu Judy Malone gekommen war. »Ich möchte vermeiden, daß Mr. Calderhan aus irgendeiner verständlichen Verstimmung heraus unnötigerweise mit diesen Dingen spielt.«

      Auf die Antwort von Judy Malone konnte Parker nicht warten, denn von den Hütten aus wurde nun schlagartig auf sie geschossen. Die Gangster hatten sie ausfindig gemacht. Wütendes Feuer drang zu ihnen herüber.

      Gemessen, als sei alles um ihn herum friedlich und schön, verschwand der Butler im dichten Unterholz. Judy Malone sah ihn kopfschüttelnd an, als die Sträucher sich hinter ihm schlossen.

      »Haben Sie eigentlich niemals Angst?« fragte sie in einer Mischung aus Verzweiflung und Anerkennung.

      »Selbstverständlich kenne ich dieses Gefühl, Miß Judy, was gemeinhin Angst genannt wird«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich kann es mir allerdings meist nicht leisten, mich diesem Gefühl hinzugeben, da ich sonst wertvolle Zeit verlieren würde. Wenn Sie erlauben, würde ich mich jetzt gern um die bewußten Geschosse kümmern. Ich möchte doch sehr hoffen, daß die Schatzsucher Sie und meine bescheidene Wenigkeit verfolgen. Ja, ich möchte fast darum bitten.«